Auseinandersetzungen in Duisburg
Was sich ein Jurymitglied vor Jahren zum Entwurf von Ortner und Ortner für den Neubau eines Landesarchivs wünschte, könnte jetzt - aber ganz anders - in Erfüllung gehen 22.01.2018Es wird – es soll? – das größte Archiv in Deutschland werden. 2012 sollte der Bau eröffnet werden, dann türmen sich auf etwa 148 Regalkilometern Archivgut eines ganzen Landes; des Landes NRW.
„Landesarchiv“ heißen Bau und Institution, das zu einem architektonische Ausrufezeichen am Innenhafen Duisburgs werden soll. Drei Tage vor Weihnachten des Jahres 2007 hatte NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) den Duisburgern die Kunde vom Neubau als quasi großes Weihnachtsgeschenk mitgebracht, doch mit dem Ende der Regierung Rüttgers (CDU) Mitte vergangenen Jahres steht das Mitbringsel des Staatssekretärs a. D. ohne rechten Fürspruch an der Kaimauer des immer noch größten Binnenhafens Europas. Denn: die Baustelle ist ins Gerede gekommen. Nicht der Entwurf des Neubaus aus dem Büro Ortner und Ortner Baukunst, Berlin/Wien, eher die Translozierung, oder besser, die Konzentration der an verschiedenen Orten in NRW untergebrachten Archive steht unter Beschuss. Hierzu soll in den nächsten Wochen durch Juristen des zuständigen Kulturministeriums ausgelotet werden, wie bindend eine von der schwarz-gelben Vorgängerregierung unterschriebene Absichtserklärung ist. In dieser wurde festgeschrieben, dass sich die Miete für das alte Speichergebäude an den Umbaukosten zu orientieren hat und bei Fertigstellung sechs Mio. € jährlich betragen soll. Da der Kontrakt eine Laufzeit von 30 Jahren haben würde, sieht die Behörde unverhältnismäßig hohe Kosten auf das Land zukommen. Zurzeit zahlt NRW für seine verschiedenen Archivstandorte rund zwei Mio. € pro Jahr an Miete. Allerdings muss man hier wohl die Personaleinsparungen gegenrechnen – was sicherlich auch so gewollt ist –, die sich durch die Zusammenlegung der verschiedenen Archivstandorte realisieren lassen. Bauherr des Archivs ist der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb, was einen Ausstieg aus dem im April 201 angelaufenen Projekt eher unwahrscheinlich macht – die Bauarbeiten jedenfalls laufen aktuell weiter.
Nach dem inzwischen leicht verkleinerten Entwurf von Ortner und Ortner Baukunst, soll der unter Denkmalschutz gestellte RWSG-Speicher um einen Turm erweitert werden, der sich aus der Mitte des Gebäudes bis in 76 Meter Höhe erheben wird. An den Speicher, der die 148.000 Regalmeter des Archivs aufnehmen wird, schließt sich dann in Richtung Holzhafen ein geschlängelter, jetzt nicht mehr ganz 160 m langer Anbau hinter Backsteinfassade an. Darin werden die Büros für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die öffentlichen Einrichtungen untergebracht. Drei Viertel des Anbaus sollen zunächst als Büroraum auf dem freien Markt angeboten werden. Später können Räume dem Landesarchiv seinen Anforderungen folgend stückweise übergeben werden.
Damals jedenfalls war Laurids Ortner noch davon überzeugt, dass der Entwurf programmatisch für die gesamte Bundesrepublik wird. Auch die Jurymitglieder sprachen anlässlich der Wettbewerbsentscheidung von einem „noblen Bauwerk“, von einer „kräftigen Architektur-Aussage“ oder einer „guten Skulptur, die polarisieren werde“. „Ich freue mich schon auf die Auseinandersetzungen“, sagte damals Jurymitglied Karl-Heinz Petzinka, der als Programmdirektor der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 mit am Tisch saß. Dass sich der Streit jetzt zunächst einmal um die Kosten und nicht um den diskussionsfähigen Bau dreht, wird ihm damals wohl nicht bewusst gewesen sein. Be. K.