Basisstation für Deutschlands schönste Ruine

Besucherzentrum am Heidelberger Schloss eröffnet (Arch.: Max Dudler)

"Flaggschiff" Baden-Württembergs, "einsamer Spitzenreiter" oder "Deutschlands schönste Ruine", das sind nur ein paar von den Umschreibungen für etwas, das eigentlich bloß eine Schlossruine ist. Aber eben nicht nur irgendeine, die Rede ist vom Heidelberger Schloss, dessen aufwändig konserviertes Pittoureske seit einem halbem Jahrhundert weltweit für das Romantische Deutschland steht. Mit rund 1,4 Millionen Besuchern liegt die Wertschätzung der Ruine knapp über der des deutschen Traumschlosses Neuschwanstein, dessen Gäste ebenfalls eher aus Japan oder den Vereinigten Staaten von Amerika anreisen.

Der Massenandrang nun und der gewichtige ökonomische Effekt für die Stadt Heidelberg hatte die Verantwortlichen dazu getrieben, ein Besucherzentrum zu bauen. Es gab Anfang 2009 ein Auswahlverfahren, zu welchem der schließliche Gewinner, Max Dudler, wegen seiner frischen Bauerfahrungen am Hambacher Schloss eingeladen worden war. Unterzubringen waren ein Shop, eine Kasse, Platz für Gruppen, die auf eine Führung warten, ein Konferenzraum, Sozialräume und nicht zuletzt Toiletten.

Der etwa 3 Millionen Euro teure Bau aus dem Büro Dudler setzt das Raumprogramm in einer massiv erscheinenden Sandsteinskulptur um, die vor eine bestehende Stützmauer aus gleichem Stein gesetzt wurde. Im Gegensatz zu anderen Büros, die mit dieser Wand eine direkte Verbindung eingegangen waren, schuf Dudler mit dem Abrücken des Neubaus vom Stützwerk eine schmale Gasse, von welcher aus der Aufgang zur Dachterrasse möglich ist. Große Fenster in der Südfassade korrespondieren mit Fenster-/Türöffnungen auf der gegenüberliegenden Wand; womit Blickachsen durch den Riegel auf das Eigentliche, die Ruine und die übrigen Schlossbauten möglich sind.

Das Innere des Besucherzentrums ist ein über beinahe die ganze Außenlänge gestreckter, sich weitender und wieder schließender Raum mit großformatigen wie zugleich tiefliegenden Fensteröffnungen. Der hellblaue, geschliffene Terrazzo, die weiß verputzten Wände, die Lichtdecken und die noblen Kirschholzoberflächen der Türen, Vitrinen und Einbauten formulieren einen ansich klaren Raum, der geteilt ist in Shop und Kassen-/Warteraum. Innen offenbart sich auch das Geheimnis der etwa 1,5 m stark erscheinden Wände hinter dem für Heidelberg typischen Neckartäler Sandstein: Das Ortbetongerüst bietet Platz für Verkaufsnischen, Lagerräume, Technik etc.

Dass der Shop durch die Vielzahl der Vitrinen rund um den Ladentisch etwas eng und zugestellt wirkt, hindert nicht daran, dass sich dessen Pächter bereits jetzt schon über deutlich gestiegenen Umsatz freut; im Gegenteil scheint hier mehr "more" zu sein. Dass die Aussichtsterrasse, die über eine ebenfalls in der Überdimension der Außenwände versteckten Treppe erreichbar ist, im Sommer eher den Blick auf prächtig grünenden alten Baumbestand denn auf die Schlossanlage ermöglicht, wird niemanden daran hindern, hier oben sein zu wollen. Ganz einfach um zu sitzen, zu plaudern, oder dem Geschiebe und Gerenne der Mittouristen unten zuzuschauen. Dass mit dem Umbau der östlich anliegenden Sattelkammer zu einem Schnellrestaurant zusammen mit dem überzeugenden Besucherzentrum ein Ensemble entsteht, das dem Schloss gegenüber eventuell Konkurrenz in der Wahrnehmung machen könnte, ist nicht zu erwarten. Allerdings könnte der eine oder andere Besucher nach ein paar Jahren zunehmender Fassadenverwitterung des Neubaus zu der Überzeugung gelangen, das Besucherzentrum aus dem Jahre 2012 sei, auf den ersten Blick, die historisch authentische Vorfahrt für ein Schloss, von welchem er oder sie annimmt, es sei mindestens so alt wie der Mitbewerber aus Bayern ... wenn nicht gar viel älter! Be. K.

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