Buchrezension: Bauhaus Reisebuch. Weimar. Dessau. Berlin
„Trotz des baldigen 100-jährigen Gründungsjubiläums der legendären Hochschule für Gestaltung ist das Bauhaus bis heute höchst lebendig und aktuell“, so ist es in der Verlagsankündigung zu dem hier vorgestellten Bauhaus Reisebuch zu lesen und man mag sich wundern, dass hier explizit auf das schöne Alter einer Institution angespielt wird. Als wäre ein hohes Alter entscheidend für Lebendigkeit und Aktualität!
Das Alter ist nicht entscheidend, Renaissance und Barock beispielsweise beweisen – als Stilepochen aufgefasst – das Gegenteil. Überhaupt scheint eine ganz andere Formulierung das Phänomen Bauhaus viel eher zu treffen: Obwohl die Institution (welche ist das überhaupt?) schon so alt ist, hat sie es bis heute nicht geschafft, die historische Kontinuität in eine gemeinsame Zukunftsentwicklung zu transformieren. Weimar, Dessau und Berlin waren und sind es immer noch die Standorte der Schule, die irgendwie Geschichte geschrieben hat und heute noch immer – in meist schiefen oder gar falschen Bildern – Gestaltung und Gestalter, Verbraucher und Konsumenten, Planer und Zeitgeistige zu den immergleichen Reflexen drängt: flaches Dach, rechter Winkel, die Farbe Weiss, sündhaft teure Einrichtungsgegenstände und ja, auch eine Baumarktkette gleichen Namens.
Formschönheit, Rationalität, Handwerk und Gesamtkunstwerk, Manifeste und Intrigen, Verfolgung und Übernahmen, Architektur, Kunst und Designobjekte … Man weiß eigentlich nicht so genau, wo anfangen und wo aufhören und auch das nicht: Wer ist denn der Bewahrer, der Hüter des Erbes Bauhaus?
Die vorliegende im inzwischen typischen Format eines Reiseführers hochrechteckig daher kommende Publikation versucht es nun, dem Bauhaus reisend näher zu kommen. Über die drei Standorte, die es möglicherweise über die Einrichtung einer Bauhaus Kooperation gGmbH schaffen, an dem einen Projekt gemeinsam zu arbeiten. Drei AutorInnen mit unterschiedlicher Herangehensweise und durchaus unterschiedlichem Schreibstil besuchen in Weimar, Dessau und Berlin die zentralen Bauhaus-Bauten und diejenigen, die möglicherweise locker und teils auch nur über vier Ecken mit dem Bauhaus verbunden waren. Ja, eigentlich tauchen sie alle in die gebaute Welt ein, die den Bauhäuslern damals als Gegenwart präsent war. Ob Schlösser oder Gasthöfe, ob Parkanlage oder dann doch die Meisterhäuser: alle haben ihre Berechtigung, haben ihren Bezug zum Komplex Bauhaus.
Über dem Haupttext der drei AutorInnen gibt es dann kleinere Exkurse zu verschiedenen Stichworten was – als Gestaltungsmittel – den Haupttext lockerer über die Seiten gleiten lässt aber zugleich immer wieder aus ihm herauszieht, ablenkt und manchmal ohne rechten semantischen Zusammenhalt. In den Text eingebaut sind die oft bekannten historischen Bilder von Lehrern oder Schülergruppen, von Bauten (schwarzweiß) und Ateliersituationen. Ergänzt werden sie von aktuellen Fotografien (Farbe), die manches Bauhaus-Klischee wiederholen oder es auch schon mal neu anschauen. Es gibt keine Pläne, lediglich die Grundrisse sind als Schwarzformen zu den einzelnen Objekten gedruckt. Wir haben eben keinen Architekturführer vorliegen.
Ergänzt wird das Reisebuch durch kleine aber durchaus brauchbare Kartenausschnitte, in denen die vorgestellten Bauten verzeichnet sind, es gibt Adressen und Telefonnummern, Öffnungszeiten und Angaben zum ÖPNV. Und es gibt einen kleinen Ausblick auf die hier so genannten „Routen“ des Bauhauses, also seine Spuren, die es bzw. seine Protagonisten im Ausland hinterlassen haben. Das Namensregister schreibt richtig „Hilberseimer“ und nicht „Hilbersheimer“ wie im Text, leider findet sich hier Piero Bruno ebenso wenig wie an der Stelle im Buch, an der kurz und viel zu knapp über die Rekonstruktion der Dessauer Meisterhäuser geschrieben wird. Haben wir keinen Architekturführer vorliegen?
Am Ende offenbart sich das Reisebuch als genau dieses: Eine Art Tagebuch dreier Reisender, die mit gutem Vorwissen an die Stellen gereist sind, an denen das Bauhaus – was immer das jetzt auch ist – gewirkt hat. Dort wurden dann die Eindrücke aufgeschrieben und zu einem Reisetextbuch gefügt. Leider ohne jeden Querverweis von hier nach dort. Das wäre dann die Aufgabe der Schlussredaktion gewesen. Es bleibt: ein Lesen und möglicherweise ein Entdecken. Die kritische Sicht auf die dreifachen Dinge steht damit weiterhin aus. Be. K.
Die andere Rezension zum Bauhaus Reisebuch von DBZ-Redakteurin Mariella Schlüter Kraft finden Sie hier.
Bauhaus Reisebuch. Weimar. Dessau. Berlin. Hrsg. v. der Bauhaus Kooperation gGmbH, mit Texten v. Simone Knorr (Weimar), Ingolf Kern (Dessau) und Christian Welzbacher (Berlin). Prestel, München 2017, 304 S., 122 Farb- u. 109 sw Abb.
19,95 €, ISBN 978-3-7913-8244-9