Eine Stadt in der Stadt
Internationales Konferenzzentrum in Dalian/ROC
Fließende Räume und Wege prägen das neue Kon-ferenzzentrum von COOP HIMMELB(L)AU. Als kleine Stadt in der Stadt bietet der Neubau bis zu 7 000 Menschen gleichzeitig Raum. Seine Hülle ist vom Wind geformt und öffnet Ein- und Ausblicke in das Stadtleben.
„Die Stadt Dalian entwickelt sich gerade von einem schmutzigen Öl- und Handelshafen in eine Freizeit- und Ferienstadt. Von Peking ist sie nur eine Flugstunde entfernt“, beschreibt Architekt Prof. Wolf D. Prix den Standort für das neue Konferenzzentrum. Aufgrund seiner stra-tegischen Lage am Meer und seines Klimas ist die heute 6 Mio. Einwohner zählende Stadt in ihrer Geschichte von vielen Ländern regiert worden – von Russland, Japan und China. Seit 1955 gehört sie wieder zu China. Sie besitzt den nördlichsten eisfreien Hafen des Landes. Im Sommer herrschen angenehme 25 bis 27 Grad. Sogar ein neuer, internationaler Kreuzfahrtterminal ist in Planung. „Die Stadt hat sich überlegt, ihren Wirtschaftshafen zu verlagern und ein Stadterweiterungsgebiet zu planen“, erklärt Prix. „Teilweise auf neu aufgeschüttetem Land soll unser Konferenzzentrum sozusagen als Landmarke für das Stadterweiterungsgebiet stehen. Wir konnten auch die neu gewonnene Landschaft um unser Gebäude gestalten.“
Konzept
Die Architekten haben die Position des Gebäudes und seine Form zunächst aus den beiden wichtigen städtebaulichen Achsen abgeleitet. Das Raumprogramm umfasst ein Konferenzzentrum mit sechs Kon-ferenzsälen, einen großen Theater- und Konzertsaal (die Oper), ein Ausstellungszentrum sowie eine untere Ebene mit dienenden Funktionen wie Parken, Anlieferung und Entsorgung. Das Erdgeschoss ist öffentlich zugänglich. Der Haupteingang orientiert sich zum Meer und wird durch die darüber liegende Ebene betont, die wie ein großes Vordach 40 m weit über dem Eingang auskragt.
Die eigentlichen Veranstaltungs- und Konferenzbereiche befinden sich auf einer Verteilerzone 15 m über der Eingangshalle. Im Zentrum stehen der große Konzertsaal mit 1 700 Plätzen und dem Bühnenturm sowie der direkt dahinterliegende, flexible Bankettsaal für bis zu 2 500 Personen. Dazu bemerkt der Architekt, „Was interessant ist, ist die Tatsache, dass wir die Oper nicht nur als Guckkastenbühne verwenden, sondern als von zwei Seiten einsehbare Bühne. Das hat den Vorteil, dass wir bei
großen Aufführungen sowohl die Zuschauersitze der Oper als auch die Sitze des Bankettsaales als Zuschauerraum nutzen können.“ Die Konferenzsäle gruppieren sich wie eine Perlenkette um diesen kulturellen Kern. So entsteht quasi eine „Stadt in der Stadt“ mit Plätzen und Straßen, die zwischen den Sälen zum Flanieren oder Verweilen einladen. Diese für Konferenzen so wichtigen informellen Begegnungsräume bieten auch Ruhe- und Cateringzonen mit Blickbeziehungen nach außen und mit vertikalen Gärten.
Konstruktion und Energiekonzept
„Das ganze Gebäude besteht aus zwei Elementen“, beschreibt Planer Prof. Prix die Gebäudestruktur. „Es gibt eine tischförmige Stahlkonstruktion, teilweise als Verbundkonstruktion ausgeführt, auf der die Oper und die Kongresssäle sowie die Erschließungszonen ruhen. Darüber legt sich ein 3-dimensional verformtes System als Dach- und Fassadenhaut.“ Beide Elemente sind Raumfachwerke aus Stahl mit einer Rahmenhöhe von fünf bis acht Metern. Die gesamte Struktur befindet sich sieben Meter über dem Boden und wird durch 14 vertikale Kerne in Stahlverbundbauweise unterstützt und ausgesteift. Tisch und Dach werden durch die Fassadenkonstruktion miteinander verbunden, die wie eine selbsttragende Schale wirkt. Beim Energiekonzept spielt die Lage am Meer eine wichtige Rolle. So nutzen die Planer den stets vorherrschenden Wind zur Gebäudekühlung. Dazu gestalteten sie sogar das neu aufgeschüttete Gelände so, dass der Wind optimal über das Gebäude streicht. Sie wollten keine Black Box sondern eine Glasbox, die Tageslicht ins Innere bringt und die durch eine außen liegende Schicht aus Metalllamellen vor Überhitzung und Blendung geschützt ist. Natürliche Ventilation und Tageslicht, die Verwendung von Meerwasser mit Wärmepumpen zur Gebäudekühlung im Sommer und zur Heizung im Winter sind nur einige Faktoren, die den Energieverbrauch des Konferenzzentrums in Maßen halten sollen. Die Zwischenzonen in der großen Halle zwischen den Konferenzsälen und dem zentralen Konzertsaal dienen als Wärmepuffer unter dem Dachschirm. Außerdem wird über in das Dach integrierte Solarenergiepaneele Strom erzeugt, und das hohe Maß an Tageslicht verringert den Energieverbrauch für künstliche Beleuchtung. Niedrigtemperatursysteme für die Heizung sind kombiniert mit der Aktivierung der Betonkerne als thermische Masse, um das Gebäude stets gleichmäßig zu temperieren.
„Sie sehen, dass wir alle Spielarten des Energiedesigns durchgespielt haben“, erklärt Wolf D. Prix. „Ich halte das aber nicht für besonders erwähnenswert, weil ich denke, dass das einfach zum Handwerk von uns Architekten gehört.“