Energetische SymbioseKita Krambambuli, Frankfurt-Kalbach
Anstatt mit einem ursprünglich vorgesehenen Anbau für die Kita-Erweiterung den baumbestandenen Spielgarten zu verbauen, setzte sich Prof. Günter Pfeifer für eine Aufstockung auf dem Altbau ein. Durch die Überbauung konnte außerdem der Bestand in das energetische Konzept mit einer Luftkollektor-Fassade einbezogen werden.
Der alte Kindergarten in Frankfurt-Kalbach war ein ein-geschossiger Flachbau aus den 1960er-Jahren. Als die-ser um zwei neue U3-Gruppen erweitert werden sollte, sollte dafür ein Neubau auf dem gleichen Grundstück
geplant werden, neben den Altbau und mitten in das wunderschöne Gartengrundstück hinein, das der Kita als Spielgarten dient. „Wir wollten jedoch unbedingt den wertvollen Baumbestand auf dem Grundstück erhalten. Deshalb haben wir eine Aufstockung vorgeschlagen“, erklärt Architekt Günter Pfeifer. Das hat gleich mehrere Vorteile: Einerseits passt die jetzt zweistöckige Kita besser
zu der Umgebungsbebauung, andererseits konnte der Altbau so komplett in das energetische Konzept integriert werden.
Nachhaltiges Prinzip: Kybernetik
Prof. Günter Pfeifer ist Spezialist für Kybernetisches Bauen: Beim kybernetischen Prinzip werden die zur Verfügung stehenden Ressourcen so zusammengeführt, dass sie sich in ihrer Wirkung ergänzen. Dabei geht es nicht nur um die energetischen Ressourcen, wie Solarenergie und Geothermie, sondern um alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, die in den architektonischen Entwurf einfließen, wie z. B. Topografie, Materialien oder Pflanzen. Das energetische Konzept ist ein immanenter Bestandteil der kybernetischen Planung, es wird direkt daraus abgeleitet. „Das kybernetische Prinzip ist a priori nachhaltig“, so Pfeifer.
„Denn es entspricht dem Grundprinzip der Natur, nämlich dass alle Dinge von gegenseitigem Nutzen sind.“
Nach diesen Leitgedanken wurde auch die Kita in Frankfurt-Kalbach geplant. Pfeifer wendet das Prinzip bei der Kita-Aufstockung gleich in mehrfacher Hinsicht an: Der Altbau bildet die Tragstruktur für die neuen Räume im Obergeschoss, der Neubau umschließt beide Geschosse und sorgt mit der neuen Fassade und dem Luftkollektor auf dem Dach für die benötigte Heizwärme der beiden Gebäudeteile. So gehen beide Teile eine energetische Symbiose ein. Dem kybernetischen Gedanken folgend wird zudem die gesamte Gebäudehülle, also Dach und Fassade, für die Energiegewinnung genutzt: Anstatt durch eine dicke Dämmschicht den Eintrag von solarer Wärmeenergie zu verhindern, wird die Kraft der Sonne im Luftkollektor direkt für die Wärmegewinnung verwendet. Das Bauwerk macht sich die natürlichen Prozesse zunutze und speichert diese für den eigenen Energieverbrauch. Und nicht zuletzt konnten durch die Aufstockung der alte Baumbestand und die große Spielfläche für den Kindergarten erhalten bleiben.
Zunächst gab es noch einige Schwierigkeiten mit der Stadt Frankfurt zu klären, die für öffentliche Neubauten Passivhausstandard vorschreibt. Man einigte sich darauf, das Kita-Projekt als Pilot-Bauvorhaben einzustufen. Derzeit läuft ein zweijähriges Monitoring, um für die Zukunft die Werte des Luftkollektor-Konzepts mit denen von Passivhäusern vergleichen zu können.
Gebäudehülle als Energielieferant
Der Luftkollektor, der über die gesamte Gebäudehülle angeordnet ist, bildet die Grundlage des energetischen Konzepts und ist gleichzeitig gestaltgebend. Das flach geneigte Pultdach ist nach Südwesten orientiert und stellt so einen guten Solarertrag sicher. Zusätzlich werden
alle Fassadenflächen für das Sammeln von Solarenergie genutzt. Die Fassade und das Dach aus lichtdurchlässigen Polycarbonat-Platten verleihen dem Gebäude eine städtebauliche Eigenständigkeit, die durch die hinter der transluzenten Ebene angeordneten weißen „Kuhflecken“
auf der Unterkonstruktion eine kindgerechte Note erhält. Die Funktionsweise ist einfach: Die solar erwärmte Luft zwischen den Polycarbonat-Platten und der eigentlichen Gebäudehülle wird gesammelt und über ein Lüftungsgerät mit Wärmerückgewinnung in die Räume eingebracht. Die Abluft wird über steuerbare Klappen geregelt: Die mit Abwärme angereicherte Abluft wird durch den natürlichen Auftrieb der Prozesswärme zurück in den Luftkollektor aufs Dach befördert. Dort wird ihr die Wärmeenergie über einen Wärmetauscher
entzogen, dann strömt sie mit Frischluft angereichert zurück in den Kreislauf. Dieser kann auch zur Nachtauskühlung genutzt werden, dann durchströmt die durch Klappen in der Fassade gesteuerte kalte Nachtluft die Räume, um sie zu kühlen. So können die gewonnenen Energien immer wieder neu genutzt werden.
Die Elemente für den kybernetischen Energiegewinnungs- und Verteilungsprozess sollen in erster Linie architektonischer Natur sein und mit möglichst geringer Unterstützung technischer Hilfsmittel auskommen. Während der Genehmigungs- und Planungsphase gab es denn auch einige Auseinandersetzungen über den Einsatz aktiver Gebäudetechnik, denn dass das System wirklich nur Überströmöffnungen im Flurbereich und geringer technischer Hilfe auskommen sollte, konnte der Bauherr kaum glauben. Die Prämisse, dass der Luftvolumenstrom exakt kontrolliert werden müsse, führte dann auch zu einer reichlich bemessenen Gebäudetechnik, die nach Meinung der Architekten in diesem Umfang nicht notwendig gewesen wäre.
In diesem Punkt konnten sie ihre Nachhaltigkeitsvorstellungen nicht verwirklichen.
Konstruktion und Tragwerk
Die ersten statischen Überprüfungen hatten im Bestand ein solides Gefüge aus Stahlbetonwänden ergeben, auf denen die Architekten das Obergeschoss in Holzbauweise aufsatteln wollten. Die Konstruktion des Altbestands erwies sich jedoch im weiteren Planungsverlauf als ziemlich fragil. Bei näherem Hinsehen war z. B. eine konstruktive Verstärkung der dünnen Stahlbetonscheiben gründungstechnisch nur an wenigen Stellen möglich. Durch die erheblichen Maßtoleranzen ergaben sich zudem bei der Ausführung auf der Baustelle Probleme, das Dachtragwerk präzise über die Stützen in die Stahlbetonwände abzutragen.
Die Fachwerkkonstruktion des Obergeschosses ist daher auf einer Verteilungsplatte aus Brettstapelelementen platziert. Diese dient zur gleichmäßigen Verteilung der Lasten und bietet wegen der Materialstärke der abgehängten Decke und des Gussasphaltbodens ausreichenden Schallschutz. Um die Gefahr von späteren Setzungen und daraus folgenden Risse zu minimieren, wurden die Wandoberflächen im OG kurzerhand auf Verplankungen mit OSB-Platten (statt Gipskarton) geändert. Diese wurden passgenau mit schmalen Fugen auf der Konstruktion verschraubt und weiß lasiert. Der grau schimmernden Fassade sind auf zwei Seiten offene Stahlkonstruktionen für Treppen und Laubengänge angeschlossen, mit denen die Räume in den Obergeschossen einen direkten Ausgang in den Garten haben. Sie lockern die zweigeschossige, wegen der bündig eingesetzten Fenster ziemlich geschlossen wirkende Polycarbonat-Fassade auf wohltuende Weise auf. Gleichzeitig dient die Konstruktion als Sonnenschutz für die darunterliegenden Gruppenräume im Erdgeschoss.
Kritik an der EnEV
Die Angaben für den Primär- und Heizwärmebedarf wurden mittels thermodynamischer Simulation ermittelt und für die Berechnungen gemäß EnEV in Ansatz gebracht. „Die EnEV ist strukturell auf der Minimierung von Energieverlusten aufgebaut“, kritisiert Pfeifer. Sein Ansatz basiert dagegen auf der Maximierung von Energiegewinnen. Die so konstruktiv umgesetzte Energieeffizienz bedingt zwar einen höheren Planungsaufwand, ist dafür aber ein wirklich architektonischer Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit. ISch
Typologie: Anbau als Aufstockung Bauherr: Stadt Frankfurt am Main, Stadtschulamt, vertreten durch Stadt Frankfurt am Main, Dezernat Bau, Hochbauamt, Dipl.-Ing. Architekt Christian Faust
Nutzer: Ev. Miriamgemeinde
Architekt: Pfeifer Kuhn Architekten LPH 1–7, pfeifer/damm freie Architekten LPH 8–9, www.guenterpfeifer.de
Mitarbeiter:
Bauleitung:
Bauzeit: 05/2013 –11/2014
Grundflächenzahl: 0,21
Geschossflächenzahl: 0,39
Nutzfläche gesamt: 1 241,90 m²
Hauptnutzfläche: 903,30 m²
Funktionsfläche: 61,50 m²
Verkehrsfläche: 277,10 m²
Brutto-Grundfläche: 1 522 m²
Brutto-Rauminhalt: 5 212,85 m³
TGA-Planer:
Akustikplaner:
Landschaftsarchitekt:
Energieplaner:
Brandschutzplaner:
Weitere Fachplaner: ITG Ingenieurteam für technische Gebäudeausrüstung, Hochheim, www.itg-hochheim.de
KG 300 (netto): 1,71 Mio. €
KG 400 (netto): 551 115 €
KG 500 (netto): 172 222 €
KG 600 (netto): 84 034 €
KG 700 (netto): 626 194 €
Gesamt brutto: 4,08 Mio. € Gesamt netto: 3,43 Mio. €
Hauptnutzfläche: 2 503 €/m²
Brutto-Rauminhalt: 434 €/m³
Außenwand OG: Polycarbonat 6-fach-Stegplatte 4 cm, Lattung 40/40 mm, Abstandshalter, Holzfaserdämmplatte Nut und Feder 22 mm, Zellulosedämmung 16 mm, OSB Platte, Stöße dampfdicht abgeklebt 22 mm, Konterlattung, OSB Platte 15 mm, weiß lasiert
Dachaufbau: Trapezlichtbauplatten Polycarbonat 16 mm, Pfettendach 80/270 mm, Obergurt 160/100 mm, Binder 160/520 mm, Bitumenbahn Wannenausbildung, OSB Platte 22 mm, Sparrenlage 80/200 mm mit Zellulosedämmung 200 mm, OSB Platte luftdicht abgeklebt 22 mm, Abhängeelemente, Mineralwolleauflage und Rieselschutz 30 mm, Lattung, Akustikpanel Weiss-tanne 33 mm
U-Wert Außenwand Aufstockung =
U-Wert Fassadenpaneel = 1,195 W/(m²K)
U-Wert Bodenplatte Bestand =
U-Wert Dach = 0,264 W/(m²K) Uw-Wert Fenster = 1,1 W/(m²K)
Ug-Wert Verglasung = 1,1 W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = 1/h
Endenergiebedarf:
Jahresheizwärmebedarf:
Polycarbonat Lichtbauelemente
Fenster:
Abgehängte Decke: Lignotrend Produktions GmbH, Weilheim-Bannholz,
Zellulosedämmung: isofloc Wärmedämmtechnik GmbH, Lohfelden,