Experiment Holzbeton
green:house, Weimar

Zwei altbekannte und bewährte Baustoffe verschmelzen zu einem neuen – Holz und Zement werden zu Holzbeton – und der verspricht viele Vorteile gegenüber seinen Einzelteilen. In einem Experimentalbau untersucht die Bauhaus-Universität Weimar langfristig, ob die Versprechen eingehalten werden.

Im Zuge der bauhaus.EXPO 09 Initiative zum 90-jährigen Jubiläum des Bauhauses entstand eine Projektinitiative an der Bauhaus-Universität in Weimar. Diese besteht aus vier Professuren der Fakultät Architektur und widmet sich – jeweils mit dem Fokus auf unterschied­liche Baumaterialien – einer zukünftigen Campuserweiterung. Grundlage der entstandenen Gebäudekonzepte für ein bisher weitgehend ungenutztes Campusareal bildete die städtebauliche Masterplanung von AV1 Architekten aus dem Jahr 1996. Vor dem Hintergrund der hier vorgeschlagenen 13 Solitärgebäude, die aus der Dimension und Volumetrie des nachbarschaftlichen Kontextes abgeleitet wurden, definierte die Projektgruppe vier „Experimentierfel­der” für prototypische Forschungsanwendung, die in enger Verzahnung mit den Lehrformaten der Fakultät Architektur konzipiert und realisiert werden. Übergeordneter Anspruch aller Projekte der Initiative war es, die angewandte Forschung im Portfolio der Fakultät Architektur neu zu beleben und mit modellhaften Lösungen in Materialwahl, Projektkooperation, Konstruktion, Nutzung, Standards etc. neue Wege zu beschreiten, die zukunftsfähige Alternativen für das Bauen im 21. Jahrhundert darstellen.

Das green:house, der Experimentalbau aus Holzbeton, wurde von Prof. Walter Stamm-Teske, Professur Entwerfen und Wohnungsbau, entwickelt. Stamm-Teske experimentierte in enger Zusammenarbeit mit der Helika GmbH, Reutlingen mit diesem neuartigen Baustoff, der sowohl bauphysikalisch als auch im Hinblick auf den Produktions­prozess eine zukunftsfähige Alternative innerhalb der vorgefertigten Bauweisen verspricht.

 

Ziel des Experiments

Mit dem green:house wurden und werden auch zukünftig viele Aspekte erforscht. Zum einen ging es um die prototypische Ausführung des Materials Holzbeton in Holzständerbauweise und die industrielle Vorproduktion und Fertigteilmontage auf der Baustelle. Das Material erfüllt dabei sowohl die statisch-aussteifende Eigenschaften eines massiven Baustoffs als auch die guten energetischen Eigenschaften eines Dämmmaterials.

In der langzeitlichen Betrachtung geht es vor allem um die energetischen Fakten, zum Bei­spiel um die gebäudetechnische Unterstützung und Dimensionierung der Anlagen: Das Gebäude ist ausgestattet mit einer kontrollierten Lüftung mit Vortemperierung mittels Erdregister, Fußbodenheizung mit Anschluss an eine Erdwärmepumpe sowie Solarkollektoren auf dem Dach. Zudem werden die Auswirkungen unterschiedlicher Nutzungen auf die Messergebnisse (CO2, Feuchte, Wärme), deren Sichtbarmachung (Monitoring) sowie die Reaktion der Gebäudetechnik darauf untersucht.




Materialkunde

Holzbeton ist ein alter und doch neuer Baustoff: Er wird ausschließlich aus Holzhäckseln mit Zement als Bindemittel hergestellt.

Holz­beton bringt als Baumaterial für Gebäude hervorragende Eigenschaften mit: Er lässt sich bearbeiten wie Holz (Sägen, Fräsen, Bohren, Schrauben, Nageln und Klammern). In Kombination mit der aus dem Fertighausbau bekannten Holzrahmenbauweise ergeben sich bauphysikalische Eigenschaften, die mit Massivbaukonstruktionen konkurrenzfähig werden. Er ist diffusionsoffen und sorgt daher für gutes Raumklima, bietet sehr gute Wärmedämm- und akustische Eigenschaften und ist feuerhemmend und schwer entflammbar. Mittels der zuvor erwähn­ten Vorfabrikationsverfahren ist eine Rohbaumontage binnen weniger Tage kein Problem, trotzdem ist ein bereits hoher Grad an Installation und fertigen Oberflächen möglich.

Ein Projektziel der Forschungspartner mit der 1:1- Anwendung des Materials im Experimentalbau green:house ist dementsprechend die Annäherung der Produkteigenschaften an die eines Massivbauma­terials bei gleichzeitiger Verarbeitungsmöglichkeit mit etablierter Holzfertigungstechnologie.

Neben dem Vorteil eines effizienten Produktionsprozesses und einer schnellen sowie einfachen Montage bietet der gewählte Wandaufbau günstige thermische und akustische Bezugswerte. Insbesondere im Zusammenhang mit der energetischen Betrachtung vermuten die Projektbeteiligten hier einen enormen Marktwert für die Zukunft.

 

Konstruktion

Der Holzbeton wurde in Form von 8 cm starken und 1,25  x 1,25 m großen Bauplatten auf einer gedämmten Holzrahmenkonstruktion zu insgesamt 26 großformatigen Bauelementen gefügt. In nur sechs Tagen Bauzeit konnte der Rohbau mittels der vorfabrizierten Bauelemente aufgerichtet werden. Die Holzbetonkonstruktion konnte direkt als Putzuntergrund verwendet werden.

Sämtliche Öffnungen des Gebäudes wurden als Dreifachverglasung ausgeführt. Bis auf die notwendigen Öffnungen für den Eingang und den 2. Rettungsweg sind die Fenster, um die thermischen Verluste so gering wie möglich zu halten, als Festverglasung ohne Rahmen realisiert worden. In den von direkter Sonneneinstrahlung betroffenen Fensterlagen wurde zusätzlich ein im Glaszwischenraum liegender Sonnenschutz eingebracht. Ein Oberlicht über dem zentralen Treppenhaus sorgt für eine gute Tageslichtnutzung im Inneren.

Um den Passivhaus-Standard bzw. Nullenergiehaus-Standard zu erreichen, wurde ein kontrolliertes Be- und Entlüftungssystem eingebaut. Zusätzlich wurde ein Erdwärmekollektor unterhalb der Bodenplatte realisiert, der eine Vortemperierung der Außenluft sowohl im Heiz- als auch Kühlfall gewährleistet. Die Abluft wird im Sanitär/Küchenbereich abgesaugt, die Zuluft im Bereich der Arbeitsplätze eingeblasen.

Rechnerisch wird für das Gebäude keine zusätzliche Heizung benötigt, d.h. durch die Wärmeentwicklung der anwesenden Personen und Geräte erfolgende Aufheizung wird das Gebäude grundsätzlich beheizt (Passivhaus). Als Absicherung gegenüber extremen Kälteperioden wurde sowohl in der Bodenplatte als auch den Deckenestrichen eine Fußbodenheizung integriert. Die Versorgung erfolgt aus Energie­überschüssen eines benachbarten Gebäudes (Digital Lab).

Die flexible Nutzung der Räume von Einzelarbeitsplätzen über Gruppenarbeitsplätzen bis hin zu Ausstellungszwecken erfordert ein ebenso flexibles Konzept für die Stromversorgung. Daher wurde eine Konzentration der stromverteilenden Bauteile vorgenommen. Lediglich die zentralen Raumschichten dienen über Steckdosengesimse im Deckenbereich als Verteiler. Die Zuführung zu den einzelnen Stromverbrauchern wird über ein an der Decke sichtbar angebrachtes Hakensystem und eine entsprechend offene und gestaltete Leitungsführung vorgenommen.

Die Ausbildung als Flachdach kombiniert mit einer hohen Attika bietet optimale Möglichkeiten zur Positionierung von Solarmodulen und Solarkollektoren. Ziel ist es, mit Hilfe dieser Komponenten den Nullenergiehaus-Standard zu erreichen.

 

Nutzung green:house

Dreierlei Nutzungen werden angestrebt: EG und 1.OG bleiben im universitären Kontext des Lehrstuhls Wohnungsbau und beherbergen Ateliers. Im 2. OG findet ein Büro der IBA.Werkstatt an der Bauhaus-Universität Weimar, Teil der IBA Thüringen, Platz sowie eine Musterwohnung. Diese unterschiedlichen Nutzungen stellen innerhalb der vergleichbaren Raumeinheiten die Nutzungsvarianz dar, die während der Monitoring-Phase (voraussichtlich drei Jahre) energetisch überwacht werden.

Die Wirkungsweisen der umfangreichen Gebäudetechnik sowie der Anspruch, ein Passivhaus zu bauen, werden durch die unterschiedlichen Nutzungsarten auf die Probe gestellt: Die Nutzungen sind folgende: Ateliers für Bachelor-Studierende, also Nutzung durch viele Studierende an wenigen Tagen in der Woche; Ateliers für Master-Studierende, tendenziell wenige Studierende, die eher durchgängig an ihren Arbeitsplätzen arbeiten; ein Büro für vier Personen, die wochentags durchgängig dort arbeiten sowie zwei studentische Bewohner, die zusätzlichen Energie-Input beispielsweise durch Haushaltgeräte liefern sowie für einen erhöhten Feuchtigkeits-Input (Duschen etc.) sorgen.


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