Haus mit Hut

Haus T-S, Laarne/BE

Die Siedlungsstruktur der rund 12.500 Einwohner zählenden Gemeinde Laarne in der Nähe von Gent ist von freistehenden Einfamilienhäusern geprägt. Hier hat das Architekturbüro Graux & Baeyens architecten eines dieser Einfamilienhäuser für eine junge Familie umgebaut. Dabei spielte die Balance zwischen Bewahren und Transformieren eine wesentliche Rolle. Abhängig von der bereits vorhandenen Substanz entstehen so immer wieder neue und individuelle Antworten und damit sehr differenzierte Projekte.

Vom Einpersonen- zum Einfamilienhaus

Die Siedlungsstruktur der rund 12 500 Einwohner zählenden  belgischen Gemeinde Laarne bei Gent ist von freistehenden Einfamilienhäusern geprägt. Hier hat das Architekturbüro Graux & Baeyens architecten eins der Einfamilienhäuser für eine junge Familie umgebaut. Das ebenerdige, direkt an einer Straße gelegene Backsteinhaus mit dem hohen und steilen Satteldach wurde im Laufe der Jahre durch zwei kleine Anbauten mit quadratischem Grundriss erweitert. Der Entwurf von Basile Graux und Koen Baeyens sah von vornherein den Erhalt der bestehenden Volumen und die Aufwertung des Bestands vor. Aufgrund zahlreicher baulicher Mängel gestalteten sich die Eingriffe allerdings wesentlich umfangreicher als zunächst vermutet. Der Eingriff der Architekten fällt zuerst beim Blick auf die neue Dachlandschaft auf mit ihren Ecken und Zacken, Erhebungen und Versprüngen und den verschiedenen Dachfens­tern. Tatsächlich haben Graux & Baeyens das Hauptvolumen von innen nach außen generalsaniert und auch die beiden Anbauten rekonstruiert. Als erstes haben die Architekten den Hauseingang an die nordöstliche Giebelseite verlegt und so einen geschützten und von der Straße zurückversetzten Eingangsbereich geschaffen. Im neu aufgeteilten Erdgeschoss gelangt man nun vom zentralen Eingangsbereich in den nach wie vor tiefer liegenden Wohn- und Essbereich, in den Keller oder direkt in den Schlafbereich unter dem Dach.

An der Straßenseite wurde das ehemalige Schlafzimmer zum Arbeitsraum. Die Wandflächen zwischen dem ehemaligen Flur und dem Wohnzimmer wurden auf das konstruktiv notwendige Minimum reduziert. Dadurch schufen die Architekten einen von der Straße bis in den zweiten Anbau durchgehenden, offenen Raum, der sich durch die großformatigen Glasschiebetüren visuell auch ins Freie fortsetzt. Gleichzeitig wird dieser Raum durch die leicht versetzten Anbauten im Garten, die unterschiedlichen Raumhöhen und die vereinzelt gesetzten Stützen und Fenster deutlich in Wohnzimmer, Familienraum, Küche und Esszimmer unterteilt. Durch zwei Schiebetüren kann der Wohn-, Essbereich mit dem höher gelegenen Eingangsbereich und dem Treppenhaus verbunden oder von ihm getrennt werden. Im Dachgeschoss gelang es den Architekten, mit einem effizienten Grundriss und der Ausnutzung des hohen Dachstuhls, das Elternschlafzimmer, zwei Kinderzimmer und ein Badezimmer zu organisieren.

Arbeiten mit Bestand

Um diesen neuen Raumplan realisieren zu können, waren in erster Linie zwei Maßnahmen notwendig: die bestehende Bausubstanz statisch, bauphysikalisch und technisch zu modernisieren und ein Konzept von Wand- und Dachöffnungen zu entwickeln, über das alle Räume ideal belichtet werden können.

Wie Basile Graux betont, wollten die Architekten durch den Erhalt der beiden Anbauten der Banalität einer Hauserweiterung in Form einer orthogonalen Box entkommen. Aufgrund fehlender, stabiler Bodenplatten, nicht ausreichender Fundamente und des maroden Mauerwerks in den Anbauten blieb den Architekten nichts anderes übrig, als die Anbauten abzutragen und völlig neu aufbauen zu lassen. Die Backsteine der Anbauten wurden Stein für Stein abgetragen, gesäubert, auf ihre Qualität untersucht und dann als Fassadenbekleidung des neu gebauten zweischaligen und wärmegedämmten Außenmauerwerks wiederverwendet.

Auf Basis der ursprünglichen, quadratischen Grundrisse der Anbauten ließen die Architekten Fundamente und eine neue, gedämmte Stahlbetonplatte gießen, auf die die neuen zweischaligen Außenmauern aus Ziegel mit der vorgesetzten Backsteinfassade und der dazwischenliegenden Isolierschicht aufgebaut worden sind.

Der Neubau dieser beiden Erweiterungen erlaubte den Architekten vor allem, eine solide Tragkonstruktion mit Ringbalken im oberen Wandbereich zur Aufnahme und Verteilung der Horizontal- und Vertikallasten zu realisieren. Sie tragen unter anderem die neuen Dachstühle. Diese Balken sind im Bereich der Außenmauern unsichtbar in den Wänden verarbeitet, während sie im Übergangsbereich zwischen dem Familienraum zur Küche und von der Küche zum Esszimmer als Holzbalken sichtbar gemacht wurden. Im Familienraum wurde eine exzentrische Stütze gesetzt.

Auch das Hauptvolumen wurde von innen nach außen generalsaniert. Die Außenwände wurden innenseitig nachisoliert, neue isolierte Betonbodenplatten eingezogen und die Fundamente, wo es notwendig war, verstärkt. Der Dachstuhl des Hauptvolumens war nach wie vor in gutem Zustand und tragfähig genug für den neuen Dachaufbau mit einer außenliegenden Isolierschicht und den neuen rhomben-förmigen Schindeln aus Faserzement.

Komplexe Dachgeometrie

Das neue Dach zeichnet sich durch eine komplexe Dachgeometrie aus, die dem Haus eine völlig neue Ausstrahlung verleiht und die man bei Graux & Baeyens architecten auch in vielen anderen Projekten wiederfindet.

Die Versprünge, Gauben und Dachüberstände entstanden laut Basile Graux nicht aus ästhetischen Überlegungen, sondern vielmehr aus räumlich-funktionellen Anforderungen und dem Wunsch, die verschiedenen Räume der beiden Geschosse durch natürliches Tageslicht zu belichten. Die Positionierung der Fens­ter erfolgte gemäß dem Sonnenverlauf. Dass das Haus bereits sehr gut auf dem Grundstück in Nord-Süd-Richtung orientiert war, half bei der Platzierung der Öffnungen zusätzlich.

Im Erdgeschoss fällt vor allem das von oben einfallende Licht in den Anbauten auf, das durch das Ausklappen des Daches entstanden ist. Diese durchaus theatralische Komposition führt dazu, dass die Küche und das Esszimmer tagsüber von Licht unterschiedlicher Intensität und Qualität erhellt sind.

Zusammen mit dem neuen Dachfenster des Badezimmers im Obergeschoss entsteht eine Art Staffelung der Dachflächen, die sehr gut mit den versetzten Grundrissflächen übereinstimmt.

Mit derselben Maßnahme gelingt es den Architekten auch, das nordwestlich gelegene Kinderzimmer gut zu belichten und größer wirken zu lassen. Die anderen Giebelfenster wurden an beiden Seiten des Hauses, sowohl im Erdgeschoss als auch im Dachgeschoss, vergrößert und so die dahinterliegenden Wohn- und Schlafräume wesentlich besser belichtet. Durch die Verwendung der rhombenförmigen Dachschindeln greifen die Architekten nicht nur auf die traditionelle Wandverkleidung von belgischen Einfamilienhäusern zurück, sondern es gelingt ihnen so auch, dass die komplexe Dachgeometrie des Hauses homogen in Erscheinung tritt.

⇥Michael Koller, Den Haag

Der unbefangene Umgang mit dem Bestands-gebäude erfreut. Es zu erhalten und gleichzeitig mit einer neuen Materialität und großzügigen, dreieckigen Fensteröffnungen zu formen, setzt einen stimmigen Kontrast. Ein markantes, aber in der Landschaft inspirierendes Zeichen. Wunderbar.«⇥

⇥DBZ Heftpaten NKBAK

Baudaten

Objekt: House T-S

Standort: Laarne/BE

Typologie: Einfamilienhaus

Bauherr u. Nutzer: privat

Architekt: Graux & Baeyens Architekten, Gent/BE, www.graux-baeyens.be

Bauzeit: Januar 2016 – Dezember 2017

Fachplaner

Tragwerksplaner: LIME – Less Is More Engineering, Gent/BE

Heizungsplaner/Elektrik: II Casale

Innenarchitekten: Graux & Baeyens Architekten, Gent/BE, www.graux-baeyens.be

Projektdaten

Grundstücksgröße: 655 m²

Nutzfläche: 110 m²

Brutto-Grundfläche: 168 m²

Brutto-Rauminhalt: 607 m³

Gebäudehülle

U-Wert Außenwand = 0,18 W/(m²K)

U-Wert Bodenplatte = 0,21 W/(m²K),
(Erweiterung) bis 0,24 W/(m²K) (Bestand)

U-Wert Dach = 0,24 W/(m²K)

Uw-Wert Fenster = 1,58 W/(m²K)

Ug-Wert Verglasung = 1,0 W/(m²K)

Hersteller

Dach: SVK Faserzement, www.svk.be

(Dach-)Fenster: Velux Deutschland GmbH, www.velux.de

Heizung: Itho Daalderop,
www.ithodaalderop.nl

Lüftung: Vent-Axia B.V.
www.vent-axia.com

Sanitär: Duravit AG, www.duravit.de;

Viega Holding GmbH & Co. KG,
www.viega.de; Hansgrohe Deutschland Vertriebs GmbH, www.hansgrohe.de;

Cristina S.r.l. a socio uncio; www.cristinarubinetterie.de; Geberit AG, www.geberit.de; Vasco Group NV, www.vasco.eu

Trockenbau: Saint-Gobain Group,

www.saint-gobain-gyproc.com

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