Heftpate Florian Nagler
Vor 30 Jahren habe ich eine Lehre als Zimmerer absolviert. Während der Lehrzeit haben wir in unserer Zimmerei mit 12 Mitarbeitern fast ausschließlich Vollholz verarbeitet – mit seltenen Ausflügen in die Welt des Brettschichtholzes. Das Herstellen und Montieren von Dach- und Hallenkonstruktionen mit überwiegend stabförmigen Bauteilen hat unsere Tätigkeit fast vollständig bestimmt. Auch komplizierte Konstruktionen wurden in unserer Zimmerei noch 1:1 auf dem Reißboden aufgetragen. Die verwendeten Stahlteile waren Sparrennägel, Windrispenbänder und einfache Balkenschuhe.
Vollholz und Windrispenbänder werden auch heute noch eingesetzt, das Spektrum der Möglichkeiten im Holzbau hat sich jedoch in den letzten 30 Jahren radikal erweitert. Das betrifft einerseits die Bauprodukte, die aus Holz hergestellt werden – auch die kleinste Dorfzimmerei arbeitet heute mit Brettsperrholz –, andererseits aber auch die Formgebung und die Planungswerkzeuge. Gerade die Holzbaubetriebe sind Vorreiter in Sachen dreidimensionale Planung (BIM!) und ein Blick ins Netz genügt, um zu erkennen, dass heute fast jede denkbare Form auch in Holz gebaut wird – ob das nun sinnvoll ist oder nicht, sei einmal dahingestellt.
In Gang gesetzt wurde diese sensationelle Entwicklung nicht zuletzt durch Architekten und Handwerker, die sich bewusst waren und bewusst sind, dass die meisten Ressourcen auf unserem Planeten nur endlich zur Verfügung stehen. Und sie verstehen dies als Antrieb, die Verwendung des nachwachsenden Rohstoffs Holz und damit den Holzbau zu forcieren. Obwohl das Holz dabei auch ganz selbstverständlich zurück in die Architektur gekommen und fast auch ein bisschen Mode geworden ist, habe ich dennoch den Eindruck, dass diese Problemstellung noch lange nicht alle erreicht hat. Der Einsatz von Material erfolgt vielfach nur nach ästhetischen und ökonomischen Maßgaben, wobei Gestaltung und Wirtschaftlichkeit wichtige Kategorien sind, die mir durchaus geläufig sind. Aber viele bauen auch heute noch so, als gäbe es kein Morgen!
Dennoch wird die Verwendung von Holz als Baumaterial, vor allem von massiven Plattenmaterialien wie Brettsperrholz, sicher in naher Zukunft noch deutlich zunehmen – allerdings nur, solange der Vorrat reicht, denn Holz ist als Rohstoff nicht nur im Bauwesen begehrt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass aus dem derzeit noch bestehenden Überschuss des jährlichen Zuwachses in unseren Wäldern in wenigen Jahren ein Mangel werden wird, wenn die Steigerungsraten im Verbrauch von Holz sich wie zuletzt weiter entwickeln. Daran wird auch die Tatsache nichts ändern, dass Holz zu den Werkstoffen gehört, die zu nahezu 100 % verwertet werden (können). Es kann also nicht darum gehen, möglichst viel Holz zu verbauen, sondern darum, es so sinnvoll wie möglich zu verwenden, sparsam einzusetzen und dafür zu sorgen, dass der Rohstoff auch weiter zur Verfügung steht.
Holz ist sicher nicht für jede Bauaufgabe und an jedem Ort verwendbar. Aber das Vordringen des Holzbaus in die Stadt und die ersten realisierten Hochhausprojekte zeigen, dass Holz auch in Bereichen eingesetzt werden kann, in denen wir das vor wenigen Jahren noch für unmöglich hielten.
Innovation ist aber nicht alles. Es ist das Schöne am Holz, dass wir es so ungeheuer vielseitig einsetzen können: Vom unbehauenen Stamm bis zum frei im Raum gekrümmten Holzwerkstoff findet das Holz Anwendung in der zeitgenössischen Architektur – und das mit jeweils durchaus gültigen Positionen.