Heftpaten Ralf Hartmann-Linden und
Stephan Adelberg von Kempen Krause Hartmann, Düsseldorf

Den Herausforderungen an das Tragwerk mit Ingenieurverstand begegnen

Manchmal vergisst man das beinahe selbst: Dass Bauingenieure an der Planung und Ausführung der unterschiedlichsten Bauwerke beteiligt sind – von Brücken über Kläranlagen, Krankenhäuser, Tunnel, Bürogebäude bis hin zu Wohngebäuden. Zudem arbeiten wir als Tragwerksplaner, Brandschützer, Bauphysiker, Bauleiter, und das Ganze auf Seite des Bauherrn oder als Planer oder als Ausführender. Ein solch weites Tätigkeitsspektrum gibt es selten und gerade die Vielfalt der Aufgaben macht den Beruf sehr reizvoll.

Ein wichtiger Baustein bei der Planung von Bauwerken ist die Tragwerksplanung, oft landläufig als „Statik“ bezeichnet. Einige Bauherren und Architekten sehen die Aufgabe des Tragwerksplaners lediglich in der Umsetzung des fast fertigen Architekturentwurfs. Und die technische Gebäudeausrüstung wird dann später vom ausführenden Unternehmen geplant. Für einfache Wohngebäude mag das ja noch funktionieren, aber bei komplexeren Bauwerken führt diese Vorgehensweise zum Desaster. Hier ist es erforderlich, bereits zu Beginn der Planung gemeinsam mit Architektur, technischer Gebäudeausrüstung und Brandschutzplanung unter Beachtung der Funktionalität, des Designs und der Wirtschaftlichkeit das für das Bauwerk optimale Tragwerk zu entwerfen.

Die häufig bemühten Begriffe Planung 4.0 und BIM helfen hierbei, das Miteinander der Planer zu intensivieren. Allerdings ist der Weg in Deutschland noch weit, bis BIM zu einem ausgereiften Planungstool wird, welches fachübergreifend und von allen Planern eingesetzt wird. Hier ist ein wichtiger Schritt die Vorgabe des Bundesbauminis­teriums vom Januar 2017, bei allen zivilen Neu-, Um- und Erweiterungsbauvorhaben mit Baukosten ab 5 Mio. € die Anwendung der BIM-Methode zu prüfen mit dem erklärten Ziel, Innovationen voranzutreiben und nicht zuletzt bei der Planung, beim Bauen und Betreiben größerer Bauvorhaben erhebliche Einsparpotentiale zu erzielen.

Aber: Alle Planungstools und frühzeitige Planung helfen nicht, wenn z. B. Planungsleistungen nicht in der nötigen Planungstiefe abgerufen werden oder gravierende Planungsänderung nicht mit einer Anpassung der Terminplanung einhergeht. Das führt dann zwangsläufig zu hohem Termindruck und steigenden Kosten bei der Ausführung und der Planung. Natürlich gibt es Projektbeispiele, wo baubegleitende Planung funktioniert, wenn das gesamte Planungsteam personell und der Bauherr fin­an­ziell entsprechend aufgestellt sind.

Glücklicherweise sind aber auch und gerade bei der Tragwerks­planung die Idee und die Erfahrung des Ingenieurs entscheidend, die besten Planungstools können Erfahrung und Kreativität des Tragwerksplaners nicht ersetzen. Dieses „ingenium“ (lat. u.a. kluger Einfall, geistreiche Erfindung, Scharfsinn) macht unseren Beruf so spannend. Natürlich gibt es in jedem größeren Projekt schwierige Phasen, aber es ist doch wunderschön, durch eine Stadt zu fahren und sagen zu können, dieses habe ich mitgeplant und bei jenem die besonderen Herausforderungen auch einmal ganz anders als sonst üblich gelöst.

Und so ist es überaus reizvoll, ingenieurmäßig zu arbeiten. Dabei helfen die vielen Vorschriften und Regelungen auch einmal, manchmal blockieren oder behindern sie aber Planung und Ausführung. Auf keinen Fall darf man sich hinter den Vorschriften verstecken, sondern der Ingenieurverstand muss immer den Sinn der Vorschrift erfassen und auf dieser Basis handeln. Dass dabei nicht alle Vorschriften das Leben erleichtern, ist altbekannt. Hier ist es die Aufgabe unseres Berufsstandes, zusammen mit der Politik, gegenzusteuern – sei es bei der Flut von teilweise unvollständigen aber sogenannten harmonisierten europäischen Normen, dem Bauproduktenrecht oder den tausenden Seiten Eurocodes, die manchmal wenig praxistauglich erscheinen. Aber es wäre ja auch schade, wenn alles perfekt wäre und für uns gestaltende Ingenieure nichts mehr zu tun übrigbliebe.

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