Blue Office

Mit Umsicht und Aussicht
Blue Office, Bochum

Was macht ein Bürogebäude aus, das nicht nur Ergeb­nis, sondern auch Schauplatz fachübergreifender, ganz­heitlicher Planungsprozesse ist? Ein Weg zur Antwort führt ins Ruhrgebiet. Zu einem Objekt, das für alle Aspekte des Bauens plausible Lösungen formuliert.

Wenn Planer ein Gebäude zur eigenen Nutzung entwickeln, ist das immer interessant. In diesem Fall hat SSP SchürmannSpannel AG, ein interdisziplinär aufgestelltes Planungsbüro mit mehr als 80 Mit­arbeitern aus den Bereichen Architektur, Ingenieurwesen, Projektentwicklung und Wirtschaftswissenschaft, seinen Überzeugungen eine Form gegeben.

Und so weist bereits die Wahl des Standorts auf einen von vielen Seiten beleuchteten, reflektierten Planungsprozess hin: Unweit der Universität Bochum das Ruhrtal überblickend, markiert das neue Haus den Eingang zum Technologiequartier. Eine starke Adresse, nicht zu übersehen, insbesondere für den talseitig ankommenden Besucher. Dazu ist das Grundstück verkehrstechnisch hervorragend angebunden und die Umgebung so grün, wie es im Ruhrgebiet überhaupt nur geht – auffindbar und attraktiv, mit Nähe zur Wissenschaft. Das Gelände des Technologiequartiers, der ehemalige Standort der Zeche Mansfeld, wird sinnvoll nachverdichtet.

Auch das Volumen des Gebäudes leistet seinen Teil zur Adress­bildung. Zur nördlichen Straßenseite vier- und zur Südseite zwei­geschossig wirkt das Gebäude als Torhaus für das gesamte Quartier. Die graue Fassade ist einem geschäftlichen Auftritt angemessen:
auf zurückhaltende Art erfüllt sie die Erwartungen des Besuchers
an zeitgenössische Architektur. Ein filigranes Rahmenwerk strukturiert die Gebäudehülle und gibt Hinweis auf die Tragstruktur. Die
so entstehenden regelmäßigen Rasterfelder sind an den Hauptansichtsseiten zu einem Drittel geschlossen und zu zwei Dritteln transparent, wobei die geschlossenen Elemente ein erst auf den zweiten Blick wahrnehmbares Farbspiel von Grautönen aufweisen. Die Eternitplatten der Fassade und die anthrazitfarbigen Aluminiumober­flächen der Fenster tragen zu dem ruhigen, förmlichen Gesamteindruck bei.

Beim Betreten des Gebäudes wandelt sich das Bild allerdings:
Innen wirkt das Gebäude im Gegensatz zum eher kühlen Äußeren überraschend zugänglich und heiter. Die außen mit Aluminium­oberflächen versehenen Fenster entpuppen sich im Inneren als Holzfenster. Dem Besucher öffnet sich, der Hanglage folgend, eine sich bis in das darunter liegende Geschoss reichende, großzügige Halle mit hölzernen Treppen- und Sitzstufen. Sie bildet den einladenden Mittelpunkt des Gebäudes. Die Wahrnehmung wird hier von den Holz­oberflächen und einem warmen, orangeroten Farbton bestimmt.

Die Organisation integraler Planung – Der Wechsel von Konzentration und Kommunikation

Diese, besonders durch den Kontrast von innen und außen auflockernd wirkenden architektonischen Mittel sind tatsächlich in einem logischen Zusammenhang zu sehen. Denn die Innenraumgestaltung trägt so auf subtile Art und Weise ihren Teil dazu bei, Schwellenängste abzubauen und interdisziplinäre Kommunikation zu fördern.

Die Arbeitsplatzorganisation im gesamten Haus spiegelt, diesem Auftakt folgend, das Credo des Planungs­büros wider: In den beiden die Halle flankierenden, ein- beziehungsweise zweigespannten Riegeln entwickelt sich auf flexiblem Grundriss mit einem Ausbauraster von 1,35 m eine heterogene Bürolandschaft mit gut dimensionierten, offenen Arbeitszonen, die den informellen Austausch der interdisziplinären Planungsteams unterstützen sollen. Konzentrierte Besprechungen, auch mit Bauherren und externen Planungspartnern, finden in den elf über das Haus verteilten Konferenzräumen statt. Durch die offene Konfiguration und den Einsatz von Glaswänden bleiben Mitarbeiter und Prozesse innerhalb des Büros sichtbar.

Die im Untergeschoss angeordnete Cafeteria und die Halle, beide auf den ersten Blick dem Raumprogramm zusätzlich beigefügte Gemeinschaftseinrichtungen, erscheinen vor diesem Hintergrund als integrale Bestandteile eines Gesamtkonzeptes. „Teamgeist“ wird so zwar nicht zwangsläufig herbeigeführt, zumindest aber möglich gemacht. Passend dazu nutzen die Planer ihre zentrale Halle als Forum für den täglichen Austausch von Ideen, für Vorträge und Präsenta­tionen, und eine quartalsweise stattfindende Gemeinschaftsveranstaltung, die alle Mitarbeiter über die laufenden Projekte informiert und so Synergien innerhalb der Gemeinschaft vorbereitet. Investition in die Zukunft: Modularität und Flexibilität.

Nachhaltige Planung

Dem Gebäude „gute Erbanlagen mitzugeben“ wie Thomas Schmidt, verantwortlicher Projektleiter und Mitglied des Vorstands, es formuliert, war ein wichtiger Fokus der Planung. Eine Zielsetzung, die aus den Sanierungsprojekten des Büros rührt: So gibt es der Erfahrung der Planer nach Gebäude mit solider Struktur, deren zeitgemäße Ertüchtigung wegen ihrer robusten Konzeption vergleichsweise leicht fällt. „Und von denen“, sagt Schmidt, „gibt es etwas zu lernen“.

So ist die technische Infrastruktur des Blue Office beispielsweise dezentral organisiert. Jedes Geschoss hat eigene Sanitäranlagen und Serverräume. Das ist zwar zunächst mit Mehraufwand für haustechnische Vorinstallation verbunden, lässt aber im Zusammenspiel mit der geschickten Grundrisskonfiguration eine Vermietung an sechs voneinan­der unabhängigen Mietparteien zu. Vorausschauend geplant ist so sowohl ein Wachstum des Büros bis zu einem Maximum von 120 Mitarbeitern, als auch eine Reduzierung der Arbeitsplätze innerhalb des Objektes möglich. Im südlichen Gebäudeteil machen die Wahl der lichten Geschosshöhe von 3 m und die durch Spannbetonhohldielen erreichte Stützenfreiheit auch die Einrichtung einer Veranstaltungseinheit möglich – Drittverwendung. Man denke an die Nähe zur Universität.

An die weitere Entwicklung des Gebiets ist gedacht: ein übergeordneter Plan für das noch unbebaute angrenzende Gelände sieht eine Erweiterung mit gleichartigen Modulen vor.

Energieeffizienz

Auch am Energiekonzept lässt sich das integrale Zusammenspiel illustrieren: so dient die Halle nicht nur als identitätsstiftender Treffpunkt, sondern verbessert auch maßgeblich das A/V Verhältnis auf den guten Wert von 0,3. Mithilfe der Oberlichter findet hier eine automatisch gesteuerte und durch die Thermik des Raumes gestützte Nachtauskühlung der anliegenden Büroräume statt. In Verbindung mit einer hoch gedämmten, trotz transparenter Anmutung lediglich zu 45 % dreischeibenverglasten Fassade erreicht das Bürogebäude mit + 15 % EnEV Passivhaus-Standard. Die Südfassade des nördlichen Bauteils ist bis auf zwei große Panoramafenster geschlossen. Die Ausführung ohne abgehängte Decke ermöglicht in den Bürobereichen die Bauteilaktivierung der Betondecken. Die zusätzlichen Kühldecken wirken schallabsorbierend und lassen trotz der schallharten Betonoberflächen eine angenehme Raumakustik entstehen. Passend zur Planungsphilosophie des Büros sind die Installationen an der Decke sichtbar geführt, die Abwärme der Serverräume wird zur Wärmerückgewinnung mit einem Wirkungsgrad von mehr als 85 % genutzt. Innenliegende Lamellen, die Durchsicht ermöglichen und das eintreffende Licht blendfrei in die Tiefe des Raums lenken bzw. nach außen reflektieren, maximieren den Tageslichteintrag an der Südfassade. Im gesamten Haus sind LED-Leuchtmittel eingesetzt. Durch die Verwendung zertifizierter Baustoffe erreicht das Gebäude eine positive Ökobilanz.

Fazit

Das Blue Office blendet nicht durch spektakuläre Innovationen. Seine Stärke liegt nicht in der besonderen, nie
da gewesenen Ausformulierung einzelner Aspekte. Was überzeugt ist die sinnvolle Balance, das auf ein indivi­duelles Planungsziel ausgerichtete, funktionierende Zusammenspiel aller Teile. Die Abwesenheit fachlicher Scheuklappen ist spürbar. Spürbar, dass sich alles undogmatisch zusammenfügt. Alexander Arndt, Dortmund

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