Nachhaltiger Glanz HVB Tower, München
Das futuristisch wirkende Hochhaus der HypoVereinsbank hat auch 35 Jahre nach der Einweihung seine Anziehungskraft nicht verloren. Energetisch und im Hinblick auf zeitgemäße Bürokonzepte in die Jahre gekommen, fiel die Entscheidung für die Revitalisierung und damit Zukunftsfähigkeit des Bauwerks, das seit 2006 als eines der jüngsten Baudenkmäler der Stadt unter Denkmalschutz steht.
Der Nachhaltigkeitsbegriff, wie er heutzutage oft u. a.
mit Energieeffizienz besetzt ist, war zu Zeiten des Wettbewerbs für das Hochhaus für die damalige Hypo-Bank als ein Vorgängerinstitut der heutigen HypoVereinsbank im Jahr 1969 noch kein Thema. Und doch haben die Architekten Walther und Bea Betz mit ihrem kühnen Entwurf wichtige, zeitlose Parameter für die zukünftigen
Optimierungen des Gebäudes gesetzt. So einfach die ursprüngliche Aufgabe war – ein zentrales Gebäude für die an verschiedenen Standorten verteilten Mitarbeiter der Bank zu schaffen – so komplex gestaltete sich die Umsetzung des markanten Wahrzeichens, das bis heute das Stadtbild Münchens prägt.
Schon während der Planungsphase stellte die Bank
einen größeren Raumbedarf fest als ursprünglich definiert, dazu kamen genaue Vorstellungen des Bauherrn hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Flexibilität und einer langfristigen Nutzung. „Grundrissform und Silhouette sind nicht aus ästhetischen Gesichtspunkten entstanden, sondern aus den funktionalen Anforderungen“, erklärt Oliver Betz, Geschäftsführer von Betz Architekten und führt weiter aus: „Die Bank wünschte sich reversible Arbeitsplätze mit Sichtverbindung nach draußen und Verlagerung der Erschließungszonen vom Zentrum an den Rand.“ Mit herkömmlichen Grundrissen von Verwaltungsgebäuden waren diese Vorgaben nicht zu erfüllen, so entstand die spezielle Form von drei gleichseitigen Dreiecken, die sich in der Höhe abstufen. Im Sinne der Nachhaltigkeit gedacht, war jede Fensterachse nutzbar, was eine effiziente Umnutzung ohne Flächenverlust durch dunkle Innenzonen ermöglichte.
Konstruktion und Fassade
Was heute noch die skulpturale, extrovertierte Wirkung ausmacht, entstand aus einer technischen und statischen Notwendigkeit heraus: Parallel zum Bau des HVB-Towers wurde direkt unter dem Turm ein Teilstück der Münchner U-Bahn gebaut, wobei beide Fundamente keine Berührungspunkte haben durften. Die Lösung war so einfach wie prägnant: Vier unterschiedlich hohe Pylonen, in denen sich die Erschließungs- und Versorgungseinrichtungen befinden, heben die Baumasse über einem Flachbau in die Höhe und lassen das Bauwerk leicht und durchlässig erscheinen. Das 11. Geschoss ist das Traggeschoss, welches über die umgreifenden Manschetten den Kraftverlauf nach außen abbildet. Die unter dem Traggeschoss befindlichen Ebenen werden abgehängt, die darüber liegenden Bürogeschosse sitzen darauf. Eine homogene Haut aus metallisch wirkendem Sonnenschutzglas und Aluminiumpaneelen reflektiert den Himmel nach Tages- und Jahreszeit und entmaterialisiert das Volumen des Bauwerks.
Auf Spurensuche
2011 wurde das Architekturbüro HENN mit der Sanierung beauftragt – eine Herausforderung für alle Projektbeteiligten. Die Besonderheit bei einem solchen Projekt besteht im Spagat zwischen Bewahren und Weiterbauen, Respekt und Mut zum Experiment. „Der HVB-Tower ist eine Skulptur, ein Unikat mit einer bis heute faszinierenden Konstruktion und Anmutung. Die Sanierung eines solchen Bauwerks ist eine nicht alltägliche architektonische Aufgabe. Neue, energieeffiziente Technologie und ein modernes Bürokonzept in ein mehr als 30 Jahre altes Gebäude zu bringen und die Fassade energetisch zu sanieren, ohne das äußere Erscheinungsbild zu verändern, war eine Herausforderung“, sagt Gunter Henn, CEO bei HENN. Einer archäologischen Spurensuche gleich wurde das Innenleben des Gebäudekomplexes nach erhaltenswerten Bereichen im Sinne der Denkmalpflege untersucht und analysiert. Nach zahlreichen Umbauten waren von den ursprünglichen Materialien nur noch Fragmente vorhanden. Daraus ergaben sich strukturelle Freiräume, die für die zukünftige Innenraumgestaltung notwendig waren. Wohingegen die denkmalpflegerischen Anforderungen an die Fassade von Beginn an eindeutig formuliert wurden: Erhalt der optischen und gestalterischen Merkmale der Fassade.
Fassadensanierung: alt versus neu
Schon frühzeitig war klar, dass die Fassade der Dreh- und Angelpunkt des Sanierungskonzepts sein würde. Die ursprünglichen Fassadenelemente bestanden aus einem einschaligen Element mit Zwei-Scheiben-Isolierverglasung, dessen Beschichtung den silbrigen Spiegeleffekt erzeugte. Für die neue Hülle wurden nun allein 20 Glasscheiben unterschiedlicher Hersteller über mehrere Monate getestet, analysiert und mit der Bestandsfassade verglichen, bis die optimale Zusammensetzung im Sinne des Denkmalschutzes gefunden wurde. Auch für die Konstruktion der vorgefertigten, geschossweise eingehängten Elemente mit den Maßen 1,40 x 4 m wurden verschiedene Varianten in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz untersucht und an Fassaden-Mock-ups unter reellen Bedingungen getestet. In technischer, gestalterischer und denkmalpflegerischer Hinsicht überzeugen konnte hierbei eine zweischalige Elementfassade als Kastenfensterkonstruktion. Die innere Schicht ist mit einer Drei-Scheiben-Isolierverglasung und einem akustisch wirksamen Brüstungspaneel ausgestattet. Die Innovation sitzt in der äußersten Schicht: Durch eine kaum wahrnehmbare Perforation der Außenschale gelangt frische Außenluft in den Zwischenraum der Kastenfenster. Ein mit einem Elektromotor beweg-ter Öffnungsflügel ermöglicht die Frischluftzufuhr in den Büroraum und die individuelle Nutzung von Sonnen- bzw. Blendschutz, der, vor Windlast und Witterungsbedingungen geschützt, im Zwischenraum sitzt. Der Platzverlust durch den zum Innenraum verlegten zweischaligen Aufbau der neuen Fassadenelemente kann durch den Wegfall der Konvektoren kompensiert werden – und dies bei nahezu unverändertem Fassadenbild.
Vollständig bis auf die Grundstruktur des Rohbaus entkernt, konnten die neuen Schächte, Leitungen und Kanäle durch die vorhandenen Öffnungen geführt werden.
Nachhaltigkeitsaspekte
Zur Nachhaltigkeitsstrategie gehört auch die Wiederverwertung von Bauteilen. So konnten die 6 000 Aluminiumpaneele der Bestandsfassade sortenrein getrennt und
gereinigt werden und wieder in die neuen 2 500 Fassadenelemente eingebaut werden. Alte und neue Elemente lassen sich optisch nicht voneinander unterscheiden, notwendige Öffnungsflügel für das neue Brandschutzkonzept sind größtenteils geschickt im Windschatten der Erschließungstürme angeordnet. Mit einer Recyclingquote von 90 % des entstandenen Bauschutts und der Bauabfälle setzt das Bauvorhaben ebenfalls Maßstäbe. Zum nachhaltigen integralen Konzept gehört, neben der energetisch optimierten Fassade mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten von < 1,0 W/m2K, die Klimatisierung über moderne Heiz-/Kühldecken in Verbindung mit einer Lüftungsanlage und der Nutzung von Geothermie bzw. Fernwärmeversorgung. Tageslichtsensoren steuern die Helligkeit im Raum und sorgen für optimale Beleuchtung mit LED.
Mit Denkmalschutz zu Platin
Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Geschäftspolitik der HypoVereinsbank, deshalb wurde die Messlatte mit dem Ziel einer LEED-Zertifizierung hoch gelegt. Dass dieser Prozess nur im engen Dialog mit allen Projektbeteiligten gestemmt werden kann, ist selbstredend. Die erfolgte Zertifizierung mit dem höchsten international etablierten Nachhaltigkeitsstandard „LEED-Platinum“
für eine Sanierung ist der Beweis für eine erfolgreiche Revitalisierung, ohne den identitätsstiftenden Charakter eines Gebäudes zu verlieren – ein Vorbild für nachhaltige Zukunftsvisionen. Eva Maria Herrmann, München