Parametrisches Schatzkästchen
Foyer und Umbauten an der Bauakademie Lehrbauhof Salzburg/A
Ziel des Entwurfes von soma architecture war es, eine neue repräsentative Eingangssituation mit eigenständiger Atmosphäre zu schaffen. Das Foyer ist Empfangs-und Pausenbereich für das Ausbildungszentrum und wird in Kombination mit der neu gestalteten Multifunktionshalle zum vielseitigen Veranstaltungszentrum.
Zwei gute Nachrichten: Parametrizmus als Stil gibt es nicht! Und alle Architekten müssen auch nicht zu Parametrikern werden! Seitdem Patrick Schumacher, sich dazu verstieg, Parametrizimus als Stil verstanden zu sehen, ist die Debatte unübersichtlich und wird polarisiert geführt. Die Zeit der heftigen Gegenattacken von Wutarchitekten und -historikern ist jetzt vorbei, manche sprechen beim Parametrizismus bereits in der Vergangenheitsform, andere nutzen differenziert die Möglichkeiten und ihre Bauten werden zu Case Study Houses. Je überschaubarer dabei die Form, desto größer der Lerneffekt – wie bei der Architektengruppe soma (griech. = Körper) aus Wien und Salzburg.
Die gesamte Anlage wird zusätzlich als Probe- und Performance-Standort für die Salzburger Festspiele genutzt und so treffen manchmal kantige Maurerlehrlinge auf filigrane Schauspieler, was die Einzigartigkeit der Bauaufgabe erklärt. „Wir lieben das Experiment!,“ sagt Martin Oberascher, „deswegen arbeiten wir gern parametrisch.“ Der Hausherr und Geschäftsführer der Schule, Ronald Setznagel, antwortet auf die Frage nach der Zufriedenheit mit dem Bau mit einem deutlichen Ja: „Es erzeugt Reibung und stärkt die Diskussion übers Bauen!“ Das Ergebnis ist trotz kleiner Größe imposant. Was außen ein klarer Glascontainer im Mies´schen Minimalismus ist, wird innen von einem dramatischen Fluss aus Betonästen getragen. Die rauen Oberflächen des Betons generieren ein lebendiges Spiel aus Licht und Schatten, das sich im Laufe eines Tages ständig verändert. „Die Umsetzung der triangulierten Betonoberfläche war eine große Herausforderung im Bereich des Formenbaus und wurde mittels 1:1-Modellen und Testreihen erreicht“ schrieb Oberascher dazu. Solch experimenteller Umgang mit Beton fügt sich mit der Lehrtätigkeit der Bauakademie zusammen, die sich zu einem überwiegenden Teil der Betontechnologie widmet.
Im großen Einmaleins der Parametrie
Das Foyer verbindet nicht nur differenziert die unterschiedlichen Funktionsbereiche von Schule und Veranstaltungshalle, gleichzeitig erzeugt die komplexe Dach-und Deckengeometrie einen fließenden Übergang zwischen außen und innen, denn „das Foyer sollte Tragwerk, Lichtführung, Leitsystem und die Verhandlung mit dem Bestand in einer kontinuierlichen Struktur kombinieren“. Was sich so sperrig liest, wurde zur Initialzündung für die Phantasie des Parametrikers. Der entschied sich für die Philosophie des panta rhei– alles fließt: „Die Geometrie wurde mittels einer virtuellen Flüssigkeitssimulation entwickelt: Drei charakteristische Eigenschaften von Flüssigkeiten– Viskosität, Dichte und Oberflächenspannung – waren für die Generierung des Entwurfs entscheidend“ (Oberascher). Diese Parameter wurden im digitalen Modell abgestimmt, um ein Muster zu erzeugen, das „trotz großem Öffnungsanteil einen hohen Grad an geometrischer Konsistenz aufweist.“ Die komplexe Materie erklärt sich besser, wenn man mittendrin (in der kleinen Cafeteria) sitzt und die individuellen Qualitäten diese Raumlandschaft genießen kann. Die Eleganz der beiden schwingenden Tresen für die Rezeption (an der Schulseite) und der Cafeteria (zu Halle hin) ist ebenfalls dem Fluss der „Attraktoren“, also den parametrischen Manipulatoren, geschuldet, sie sind eine Art Alpha und Omega des eigentlichen „Gratifikationsfeld“, womit die alles verbindende Grundfläche des Foyers umzeichnet ist.
Konstruktive Aspekte – händische und andere Qualitäten
Nach der Überzeugung von Martin Oberascher und seiner Kollegen ist ihre spezifisch präsente Struktur mit dieser Dynamik und Atmosphäre nicht konventionell zu erreichen. Genauso wäre es dann in der Ausführungsphase unmöglich gewesen, die unterschiedlichen Gewerke unabhängig voneinander zu beauftragen, also die logistischen Datenaufbereitung und Montageanleitungen zu trennen. Im weiteren Fertigungsprozess wurden die formgebenden Schalungsblöcke und die den Formen entsprechenden Bewehrungseisen aus einer zentralen Hauptdatei herausgelesen und als Einzelpositionen zur Fertigung geschickt. Es war von großer Bedeutung, dass das Zusammensetzten und Einrichten der äußeren Schalungshaut, der gefrästen Schalungsblöcke und der Bewehrungskörbe vom Geometer eingemessen wurden und in die zentrale 3D-Datei zur Überprüfung rückgeführt wurde. Durch eine direkte Maschinenansteuerung (Bügelbewehrung und Schalungsblöcke) wurde ein erheblicher Teil der Produktion automatisiert. Die Verantwortung für die Genauigkeit wurde damit aber auch dem Planer übertragen: „Kosten prüfen, Naturmaße nehmen, zu dem die ausführenden Firmen normalerweise angehalten werden, war in diesem Fall nicht möglich“. „Präzise Schalungen für solche Strukturen kann man nicht mehr händisch erzeugen“ sagt Oberascher, und wenn Einschaler an wenigen Stellen handwerklich tätig werden müssen, benötigen sie mikroskopische Sicherheit im Vorgehen wie in einem Hochleistungslabor der Medizin.
Kein Stil, keine Weltanschauung, aber neue Chance für alte Aufgaben, soma haben in Korea mit dem EXPO 2012 Themenpavillon „One Ocean“ in einem weit größeren Maßstab parametrisch gearbeitet. Aber auch das kleinere Projekt gibt ihnen die Chance, bei der Übertragung digital generierter Strukturen in den realen Raum Planungssicherheit und Erfahrung zu sammeln. Sie wünschen sich nun auch in Europa eine mindestens viermal so große Bauaufgabe wie dieses Foyer realisieren zu dürfen, denn mit einer parametrischen Bearbeitung würde man mit demselben Planungsaufwand eben solch größere Projekte umsetzen können.
Die neuen Tools bringen konsequente Ergebnisse, sagen soma. Es wurde bei der Formgenerierung der Betonstruktur ein Näherungsprozess durch unterschiedliche Versuchsanordnungen von Strömungssimulationen gewählt. Denn sie wollen den Gedanken zeigen, wie er ursprünglich ins Bewusstsein des Entwerfers kam und dieser sich durch den parametrischen Prozess auch in der Realisierung detailgenau umsetzen lässt. Am Ende werden die Gebäude konventionell wahr- genommen und Formen, Allegorien und Fiktionen zugeordnet. Parametrisches Entwerfen gestattet es, Struktur, Logik und Konstruktion in integraler Vereinigung und Beschleunigung zu entwickeln – aber mit einem Stil im klassischen Sinne hat Parametrizimus nichts zu tun.