Ur-Typisch Porsche Pavillon Autostadt in Wolfsburg
Elegant und dynamisch legt sich die (Edel-) Stahlkonstruktion des neuen Markenpavillons in der Wolfsburger Autostadt über die künstliche Lagune. 25 m ragt das Dach frei in den Raum und weckt bewusst Assoziationen an die Gestaltung der legendären Sportfahrzeuge.
„Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ Dieses Zitat von Dr. Ing. h.c. Ferry Porsche markiert den Eingang des Pavillons. In nur 10 Monaten Bauzeit ist ein neuer Markenpavillon auf dem Gelände der Wolfsburger Autostadt entstanden.
1948 hatte es allein zwei Monate Handarbeit gebraucht, um die Aluminium-Hülle des Porsche-Ur-Typen über einem Holzmodell zu dengeln. Sie war auf einem Gitterrohrrahmen montiert. Im Frühsommer 1948 erteilten die britischen Militärbehörden dem Versuchswagen 356/1 eine Einzelgenehmigung für Testfahrten. Dann saß Ferry Porsche mit knapp 40 Jahren am Steuer seines ersten Porsches. Der Gitterrohrrahmen sollte sich in der weiteren Entwicklung bis zum Serienwagen als zu kostenaufwendig erweisen. Die in aufwendiger Handarbeit erstellte Aluminiumkarosserie wurde zunächst für die Serienfertigung der ersten Porsche-Fahrzeuge durch eine Stahlkarosse ersetzt.
Heute, 66 Jahre später, steht der neue Pavillon auf dem Ausstellungsgelände der Autostadt und weckt mit seiner eleganten, flach geneigten und gekrümmten Gestalt bewusst Assoziationen an die Formen des Ur-Typen.
Konzept und Entwurf
„Der Zeitdruck war eine große Herausforderung bei diesem Projekt“, betont Architekt Martin Henn. „Vom Auftrag bis zur Fertigstellung hatten wir nur ein Jahr Zeit und das bei laufendem Betrieb.“ So konnte der Bau in den Sommermonaten erst ab 19 Uhr – nach Schließung der Autostadt – Fahrt aufnehmen und lief größtenteils während des Winters 2011/2012, der zudem ziemlich kalt gewesen ist. Heute fügt sich der neue Pavillon wie selbstverständlich in das Gelände der Autostadt. Geschickt gestalteten die Planer das Ufer der künstlichen Lagune neu. Aus einem Betonweg entwickelt sich eine Mauer, an der eine Rampe zum Gebäudeeingang führt. Aus der Rampe werden Sitzstufen, über die sich das Pavillondach wie eine schützende Hand legt. Die Besucher folgen der Rampe und gelangen so auf dem oberen Niveau in das dunkle Innere des Pavillons. Von einer Galerie richtet sich der Blick nach unten auf eine hell erleuchtete schräge Ebene mit einem Schwarm von Porsche-Modellen. Im M1:3 zeigen die Modelle die Entwicklung der Fahrzeuge vom Ur-Typen 356/1 bis heute. Von der Galerie führt der Weg weiter als elliptisch geschwungene Rampe nach unten. Dort stehen – sozusagen als Abschluss des Entwicklungsschwarms – die aktuellen Porsche-Fahrzeuge im M1:1 und laden zum Probesitzen ein. Bis auf die hell erleuchtete Ebene mit dem Schwarm aus Porsche-Modellen ist das Pavilloninnere dunkel und schwarz gehalten. Auf Bänken am Rand der schrägen Ebene können die Besucher Platz nehmen und auf I-Pads fast spielerisch mehr über die Entwicklung und Geschichte der verschiedenen Porsche-Fahrzeuge erfahren. Ein Film über die Unternehmenshistorie und Soundgeschichten über einzelne Modelle runden das Erlebnis innen ab.
Konstruktionsfindung
„Für die Gestaltfindung hatten wir eine sehr intensive Auseinandersetzung über das Produkt zusammen mit den Designern von Porsche. Wir nennen diese Phase Programming. Es galt, für den Mythos Porsche eine erfahrbare Raumsituation zu schaffen, ohne dass das Fahrzeug „sichtbar“ sein muss“, beschreibt der Architekt Martin Henn den Beginn der Formfindung. „Um die Körperhaftigkeit des Porsches in Architektur zu fassen, mussten wir uns von der traditionellen Bauweise von Dach, Boden, Wand lösen.“
Von weitem wirkt der Pavillon, als sei es eine organische Schale aus Beton. „Es hätte auch eine Konstruktion aus Beton werden können“, sagt Bauingenieur Mike Schlaich von schlaich bergermann und partner. „Nur wäre die Schalung dafür sehr aufwendig gewesen und die Betonschale schwer, weil das Gebäude 25 m auskragt.“ Die Ingenieure von schlaich bergermann und partner sind sehr früh über einen Wettbewerb ins Projektteam gekommen. „Die Form stammt ganz klar von den Architekten. Es ging darum, die passende Konstruktion für die Formumsetzung zu finden.“ Die Ingenieure spielten verschiedene Entwurfsvarianten für die Konstruktion durch – von einer ganz leichten Dachschale aus Aluminium und Carbon, die allerdings den deutschen Brandschutzbestimmungen kaum Stand gehalten hätte, bis zu einer Gitterschale mit Dreiecksmaschen aus Stahl. Beim Porsche-Pavillon sollte die Hülle glatt, geschlossen und fugenlos sein. Eine mit geschlossenen Paneelen verkleidete Gitterschale hätte ein starkes Fugenbild aufgewiesen. „Wir haben viele Materialstudien betrieben und sind dann mit dem Team auf die Stahlbauweise mit dem Monocoque gekommen, weil das eine Konstruktion aus dem Schiffsbau ist, mit der die „porsche-affine“ Gestalt gut umgesetzt werden konnte“, erklärt Ingenieur Mike Schlaich. „Nicht zuletzt spielten auch Kosten und die knappe Bauzeit eine große Rolle“.
Monocoque und Vorfertigung
Die Monocoque-Bauweise ist eine Leichtbauweise aus der Luft- und Raumfahrt und auch aus der Autoindustrie und dem Schiffsbau. Bei ihr übernimmt die raumbildende Hülle eine tragende Funktion. Die innenliegenden Spanten und Querschotten geben die Geometrie vor und wirken zusammen mit der Außenhaut wie eine Schale .
„Das Modellieren der Schale erfolgte virtuell. Die Designer von Porsche haben uns dabei beim Be- und Entschleunigen der Kurven ein bisschen zur Seite gestanden“, beschreibt Martin Henn den Formfindungsprozess.
Der Porsche-Pavillon besteht im Prinzip aus drei Bauteilen: dem Untergeschoss aus Stahlbeton, einer Polygonschale aus Stahl direkt über dem Ausstellungsbereich und dem Monocoque, das auf dem Stahlbetonsockel aufliegt und sich über das gesamte Gebäude legt. Das Gebäude hat maximale äußere Abmessungen (mit den beiden Seitenarmen) von rund 75 m x 80 m. Dabei misst das eigentliche auskragende Dach rund 50 m (Länge) x 50 m (Breite zwischen den Seitenarmen) mit einer Höhe von maximal 10 m. Die Außenhülle aus Edelstahl beträgt 2 550 m². Sie besteht aus 620 Edelstahldeckenblechen, die in der Stralsunder Schiffswerft mit den aussteifenden Spanten verschweißt und vorgefertigt wurden. Das Gesamtgewicht liegt bei 425 t.
„Die Zusammenarbeit mit den Schiffsbauern lief sehr professionell. Centralstaal hat bereits einige Erfahrungen mit Architekten und Künstlern. So haben sie z.B. für Anish Kapoor großformatige Stahlskulpturen umgesetzt“, erklärt Architekt Henn. „Gerade in Anbetracht des Zeitdrucks, wo alles parallel laufen musste – Planen, Bemessen, Vorfertigen, Konstruieren – ging alles sehr nahtlos ineinander über. Der Austausch von Daten lief glatt, die Vorfertigung war präzise, sodass das Fügen der Bauteile auf der Baustelle rasant vonstatten gehen konnte.“
Über dem Ausstellungsraum und den beiden Seitenarmen gibt es nur eine Oberschale aus doppelt gekrümmten Edelstahlblechen. Statt einer geschlossenen Unterschale haben die Längs- und Querspanten im Bereich des Ausstellungsraums unten nur einen breiteren Flansch aus Stahl.
Damit sich die monolithische, fugenlose Stahlkonstruktion bei Temperaturschwankungen bewegen kann, ist sie zwängungsarm auf dem Stahlbeton-Untergeschoss aufgelagert. Das einzige feste Auflager befindet sich in der Mitte des Daches am Aufzugskern, damit sich das Monocoque in alle Richtungen gleichmäßig ausdehnen kann. Am hinteren (unteren) Schalenrand treten aufgrund der Auskragung auch Zugkräfte auf. Um diese aufzunehmen, wurden spezielle Lager entwickelt. Das ganze Gebäude ist auf einer 50 cm dicken Bodenplatte gegründet. Wegen der Lage an dem künstlichen Teich (Lagune) besteht das Untergeschoss komplett aus WU-Beton.
Weil der Pavillon von außen eine einheitliche, matte, metallisch glänzende Oberfläche erhalten sollte, die gleichzeitig korrosionsbeständig sein muss, entschied man sich für Edelstahlbleche, die mit Edelstahlgranulat gestrahlt wurden. So konnten auch die Anlauffarben von allen Schweißnähten beseitigt werden. Die gesamte Dachkonstruktion wurde in der Werft aufgeteilt in einzelne Segmente von ca. 14 m Länge und 4,80 m Breite, damit sie auf LKWs verladen und nach Wolfsburg transportiert werden konnten.
Fazit
Zur Eröffnung meinte Otto F. Wachs, Geschäftsführer der Autostadt, „Mit dem Bau des Porsche Pavillons schlagen wir ein neues Kapitel in der Geschichte der Autostadt auf.“ Matthias Müller, Vorstandsvorsitzender der Porsche AG, ergänzte, „Das Gebäude ist ein Unikat mit einer außergewöhnlichen Konstruktion, ein Neubau mit starker sym-bolischer und historischer Dimension.“ Dies trifft bei dem Porsche Pavillon hundertprozentig zu: den Architekten und Ingenieuren ist es gelungen, den Mythos von Porsche in eine beeindruckende, zeitlose Raumskulptur zu übertragen und das mit fast sakralem Charakter.
Susanne Kreykenbohm, Hannover