Schön wäre es ja, wenn
Der Konvent der Baukultur tagte in Hamburg. Es gab Ergebnisse ... jedenfalls überraschende, personelle 22.01.2018Wenn es nicht auch tragisch wäre: Man möchte dem Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur, die folgende Schlagzeile gönnen: "Mensch Michael, bleib doch!" Dann endlich wäre er dort präsent, auf dem Titel gar, auf dem sonst immer nur Ausrufer wie diese liefert: "Lotto-Zahlen immer blöder" oder "Schnee: Müllmann im Stehen erfroren". Denn das war sein (bis heute jedenfalls unerfüllter) Traum: mit seinem Thema, dem der Baukultur, in den Massenmedien landen. Hat nicht geklappt, und wenn man sich anschaut, was die Boulevard-Presse zu diesem Thema schreibt, dann möchte man rufen: Besser ist das, lieber Michael!
Am vergangenen Wochenende tagte er wieder, der Konvent der Baukultur, nach Essen in 2010 jetzt in Hamburg. Thema war: StattVerkehrStadt. Ein schwieriges, ein kaum fassliches Arbeitsgebiet für einen Konvent, der innerhalb eines Tages (mit einem vorgeschalteten Exkursionsangebot am Sonntag durch und zu ausgewählten Problemzonen der Hansestadt) sich zu orientieren und am Ende den (Neun-Punkte)-Hamburger Appell zu verabschieden hatte. Niemand glaubte, im Vorfeld der Veranstaltung, dass hier Revolutionäres zur Diskussion käme, und wirklich waren die Gespräche in den drei Foren unaufgeregt und hatten durchaus Seminarcharakter. Einsteigerseminare in Verkehrsplanung, Bürgerbeteiligung, Verfahrensdurchführungsplanungen, Projektpräsentationen, Politikverfasstheit.
Mit dem Grußwort des Ersten Bürgermeisters und Gastgebers, Olaf Scholz, wurde von vielen im Folgenden das beschrieben, was man einen Kreistanz um den Status Quo nennen muss: Diskussionen gerne, aber bitte immer auf der Grundlage des Bestehenden. Der Infrastruktur, oder größer gesehen: der Ordnung insgesamt.
"Schön wäre es ja, wenn das Auto in Zukunft nicht mehr zum innerstädtischen Arbeitsplatz mitgebracht würde", so der fromme Wunsch eines Stadtoberen, dem demnächst Ungemach aus Brüssel droht, weil er mit der Herstellung von Luftreinheit nicht nachkommt (wer zu Fuß zum "Schuppen 52", gegenüber der Hafencity auf der anderen Seite des zentralen Hafens gelegen, gelaufen war, hier war der Veranstaltungsort des Konvents, litt bereits unter mäßiger aber spürbarer Dieselabgasecontaminierung. Containerlastwagen fahren dort, wie Perlen an einer Schnur und mit erstaunlich hoher Geschwindigkeit zu ihren Bestimmungsorten). Schön wären noch ganz andere Dinge. Zum Beispiel, wenn das Mantra der Politik vom unerlässlichen, ja überlebensnotwendigen Wirtschaftswachstum endlich einmal als Sackgassendenken entlarvt würde. Oder, dass der Widerstand gegen Zwänge und Verordnungen zur Durchsetzung von Entschleunigung / Lärmminderung / Luftrettung (Tempolimit beispielsweise) ein sehr selektionistischer ist, denn mit nichts anderem wird doch der Verkehr zur Zeit in Deutschland reglementiert, mit Zwängen und Verordnungen!
Das häufig zu hörenden Stichwort der Intermodalität, also der (spontan) Verfügbarkeit von unterschiedlichen, aber kompatiblen Verkehrsmitteln, beschränkte sich auf die Darstellung einer das Verkehrsproblem mildernden Strategie. Wie jedoch Intermodalität als Gemeingut in die Städte zu implementieren ist, nämlich als in jeder Hinsicht (auch der monetären) barrierefreies, öffentliches System, dazu kam nichts. Vielleicht auch, weil dieses Verallgemeinern von Besitzständen im Schlagwortkatalog dieser neuen Piraten-Partei ein nicht ganz unwichtiges ist.
Die Schwäche des Konvents brachte der Oberbaudirektor Hamburgs, Jörn Walter, sicherlich unbewusst immer wieder auf den Punkt: Das Wichtigste am Verkehrlichen, so der Planungschef, sei eine einheitliche, hervorragende Gestaltung. Nein, Herr Walter, das Wichtigste ist Rückbau, Verkehrsminderung durch drastische Tempolimits, ein Nach- und Umdenken auf der Grundlage von Bürgerentscheiden, aktiven Bürgerbeteiligungen, der Einbindung von Fußgängern in autoverkehrsplanerische Aktivitäten ganz am Anfang, das Wichtigste ist der Verzicht auf Machterhaltungsdenken und strategischem Lavieren zwischen den Lobbyfronten. Aber das wäre zu viel, auch für die 350 Berufenen, von denen ein nicht geringer Teil mit dem Auto angereist kam.
Dramatisch wurde es gegen 12.00. Hier stieg Michael Braum noch einmal und man kann jetzt sagen, zum letzten Mal in solchem Rahmen in die Bütt: "Verantwortung : Baukultur" klang das auf dem Papier noch ganz unterhaltsam, wurde dann aber zum Aufruf an die Anwesenden, ihre Pflichten ernst zu nehmen und nicht zuletzt zur Abschiedserklärung: Er, Michael Braum, werde mit dem Auslaufen seiner Vorsitzendenperiode, nicht wieder kandidieren, er werde Potsdam verlassen. Der Mann, dem immer gerne (auch auf diesen Seiten) eine allzu mäßigende, ausgleichende Haltung vorgeworfen wurde, ist offenbar unbequem geworden. Das, was er seit bald fünf Jahren mit einem kaum zählbaren Team geleistet hat, fand immer weniger Gnade; irgendwo im Ministerium. Michael Braum geht, der Lotse der Baukultur verlässt das (sein) Schiff. Aber er werde natürlich, so versicherte er im Gespräch, weiterhin für das kämpfen, was ihm immer wichtig war: Baukultur, für alle. Be. K.
Hier weitere Informationen zum Konvent und bald auf das Papier mit dem "Hamburger Appell"