Ich bin ein Berliner!
Ein Baustellenbesuch mit Barbara Hendricks, Wilhelm von Boddien und Franco Stella 22.01.2018Die Meldungen aus Bau-Berlin sind – leider nur bezogen auf das Stadtschloss – durchgehend positiv. Fast alle sind sich einig: Das Schloss in Berlin wird. Und zwar im Kostenrahmen, im Zeitrahmen und im Rahmen eines Konsensus, der als demokratisch legitimiert apostrophiert ist. Zwar in Gänze aus Steuergeldern errichtet – direkt oder indirekt – wird der Wiederaufbau von Vergangenheit mitten in einer der kleineren wie zugleich der vielleicht wichtigsten Metropole Europas zusätzlich durch eine Spendenkampagne über den Bundestagsbeschluss hinaus legitimiert. Gesammelt werden 80 Mio. € für die den Stahlbetonbau einhüllende Sandsteinschicht. Die besteht aus dem gleichen Stein wie dem des Vorgängerbaus, aber nicht aus dem Selben.
Die dünne Haut, die, so die Schlossbauer, mehr sei als nur eine Tapete, wird zur Zeit in vielen Werkstätten per Hand oder doch zumindest per handgeführtem Werkzeug nachgehauen. Schmuckstein für Schmuckstein. Geschätzte 80 Mio. € teuer das Ganze. Davon sind 30 Mio. € eingesammelt, einiges ist schon ausgegeben, das Meiste für eben die Steine: abflugbereite Adler, Kapitelle aller Sorten, Gesimse, Metope, Inschriften, Simae mit Löwenköpfen, Baluster, Festons, Nabelsteine, Wappenschilde, Bukranione, Tropfensteine und jede Menge Skulpturen, kleine und große. Das gerade letztere, von denen ein paar Originale in der großen Schlüterschau im letzten Jahr auf der Museumsinsel zu sehen waren, das gerade diese in ihrer unverletzten Reinheit nicht bloß eigenartig wirken werden auf einer Schlossfassade, die ja gerade die gute alte Zeit repräsentieren soll, sondern auch fehl am Platz, wird aber nur der sehen, der das Alte gesehen hat. Im Museum allerdings. Die von der Zeit bearbeiteten Figuren sind in ihrer abstrahierenden Zerstörung von derart zeitgenössischer Kraft, dass man sich nur wünschen wollte, die Zeit würde schneller vergehen für ein paar Jahrhunderte.
Aber das ist ebenso Schwärmerei. 2019 soll das Humboldt-Forum, das eine Schlosswiedergeburt ist, eröffnen, bis heute ist nicht klar, wer die Aktionen, wer das ganze Auftreten der Forums kuratieren soll. Diejenigen von der Museumsinsel, die einem hier in den Sinn kommen, halten sich sehr zurück. Dabei wäre das doch etwas: ein Forum mitten in Berlin. Das Bürgerforum ein paar hundert Meter weiter, zentraler Bestandteil des von Axel Schultes und Charlotte Frank erdachten Band des Bundes wird ja wohl nichts. Dem Kanzleramt gegenüber ... zu nah am Zentrum der lästige Bürger.
Den schickt man demnächst also ins Schloss. Wenn es denn rechtzeitig eröffnet. Das Spendenaufkommen macht leichte Sorgen, es gibt allerdings eine unausgesprochene (niedergeschriebene?) Zusage des Bundes, hier einzugreifen. Auch schon, um das Handwerk zu fördern. Vor allem aber, weil man sich das nicht zutraut, das Unfertige, wie Kuehn Malvezzi es in ihrem pragmatisch genialen Wettbewerbsbeitrag vorgeschlagen haben: Haus mit Hülle, soweit Geld für letztere da ist. Weiterbauen, wie man es bei den Kathedralen und ja, auch bei den Schlössern einmal machte.
Das geht aber heute nicht, man zeigt sich lieber vor dem Fertigen. Auch wenn es nicht echt ist. Die Bundesbauministerin Barbara Hendricks(SPD), der Architekt des Schlossneubaus, Franco Stella, der Spiritus Rektor der Schlossresurrektion und Chef des Förderverein Berliner Schloss e. V., Wilhelm von Boddien (der Verein fördert den Schlosswiederaufbau, nicht das Humboldt-Forum) und weitere luden zu einem Presserundgang am 1. April 2015, 12 Uhr mittags. Was nichts heißen sollte. Es kamen – außer Fotografen, Journalisten und ein paar Fach-Redakteuren – auch ein Lkw und einige Handwerker aus Bamberg, wo unter anderem die Fassadenelemente aus Sandstein gefertigt werden, die auf dem Lkw nun als erste angeliefert wurden.
Und dann sprach die Ministerin. Vom Sandstein, der wie beim Vorbild aus dem Elbsandsteingebirge in Sachsen und aus Schlesien komme. Die Ministerin zeigte sich betont zufrieden, dass die Baustelle im Plan sei. Was angesichts anderer Berliner Großprojekte wie Flughafen oder Opernsanierung tatsächlich überrascht. Und bezogen auf den Spendenstand – bisher seien mehr als 30 Mio. € gespendet worden, davon 18,4 Mio. € für die auf insgesamt 80 Mio. € geschätzten Kosten für den Fassadennachbau – verbreitete die Ministerin professionell wirkende Zuversicht. Offensichtlich gewinnt sie Überschwang aus anderen Projekten in ihrem Haus. „Wir wissen von der Frauenkirche in Dresden“, so sprach sie mit den Worten des Fördervereins Schloss e. V., „dass die Spenden deutlich mehr fließen, wenn die Leute sehen, wie schön es mal wird.“
Im Anschluss an den recht knapp gehaltenen Foto- und Sedationstermin ergab sich ein langes Gespräch mit Franco Stella im Baucontainer nebenan. Es ging um das Schloss, den Status eines Schloss-Architekten, die Arbeiten neben der Schlossarbeit in Vicenza und Potsdam, es ging um seine Wahlheimat Berlin („Ich bin ein Berliner“) und natürlich ums Schloss. Er wisse nicht, warum man „an dieser Stelle“ etwas anderes bauen sollte, als ein, als das Schloss. Von hier aus fokussierte sich das Gespräch auf die Rolle des alten Schlosses als der wesentliche Knotenpunkt in der Platzlandschaft Berlins, ein Knotenpunkt, den der Schlossnachbau demnächst wieder übernehmen werde; wenn die Plätze wieder würden.
Und die Plätze sollen werden, hier setzt Franco Stella zentral auf die Neuplanung der Breite Straße, die von Südenosten auf das Schloss zuläuft. Und natürlich auf einen Schlossplatz, auf dem der Neptunbrunnen wieder steht, derzeit weilt der noch vor dem Roten Rathaus. Durchgängigkeit. Öffentlicher Ort. Die von den Portalen geöffnete Masse Schloss als wortwörtlich transitorischer Ort, Beschleuniger,Verlangsamer. Sein Wettbewerbsvorschlag, der wie kein anderer Entwurf die Auskleidung der Portale bis in die Höfe hinein vorgesehen habe, werde sich in Zukunft als perfekte Lösung für eine Reurbanisierung der Mitte Berlins herausstellen. Die offenen Portale – nur das Westportal III werde durch Glastüren geschlossen, winddicht gemacht – solle man als Stadttore begreifen.
Als wir schließlich den Container verlassen mussten, weil eine Baubesprechung anstand, kam es auf dem Weg über die Baustelle zum Ausgang noch zu einem wunderbar heftigen Wortwechsel. Rekonstruktion ja oder nein, die Frage nach dem Original, was ein Original ist und was eine Replik, das Thema des Weiterbauens, der Historizität, Patina als Geschichts- und Geschichtenträger etc. etc. Am Ende ein kurzer Abschied und die Zusicherung gegenseitiger Hochachtung mit dem Versprechen, hier noch einmal anzuknüpfen. Wenn die Baustelle mehr zeigt, Fassadenelemente aufgehängt und Loggien begehbar sind, wenn erste Touristen ihre ersten echten Schlossfotos in die ganze Welt versenden. Vielleicht dann in Italien auf der Piazza di S. Marco in Venedig, wo ein Campanile einst einstürzte und gleich darauf wiederaufgebaut wurde. Entgegen der Versuche von Modernisten in seiner alten Erscheinung, jetzt mit Fahrstuhl. Die Modernisten wollten einen Turm in zeitgenössischer Art realisieren, vielleicht als einen Tour Eiffel oder gar Blackpool Tower. Unvorstellbar. Tatsächlich? Wir bleiben dran. Be. K.
Ab sofort bis Ende Oktober 2015 gibt es Baustellen-Führungen, So 11 und 13 Uhr (18 €/12 €). Anmeldungen in der Humboldt-Box oder unter www.mus-ticket.de.