paläon – Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere wurde eröffnet
Entwurf von Holzer Kobler Architekturen, Zürich/Berlin 22.01.2018Ob nun 400 oder 500 geladene Gäste: Es war voll im Forschungs- und Erlebniszentrum Schöninger Speere. Die Architektur nach einem Entwurf von Holzer Kobler Architekturen, Zürich/Berlin (in Zusammenarbeit mit pbr AG, Generalplaner, Braunschweig) zog am Eröffnungstag Prominenz und Prominente ins ehemalige Zonenrandgebiet. Und das soll, so der Ministerpräsident des finanzierenden Landes Niedersachsen Stephan Weil, mit dieser 15 Mio.-€-Architektur kulturell und wirtschaftlich weiter belebt werden. Jedenfalls bezeichnete der Ministerpräsident den Bau als „einen wichtigen Baustein im Strukturwandel der Region“.
Und einen solchen kann die Region wirklich brauchen, der benachbarte Braunkohletagebau mit seinem höchst umstrittenen Wärmekraftwerk Buschhaus steht nicht gerade für Zukunftstechnologie oder Landschaftsbewahrung. Immerhin hat der Tagebau und die damit verbundene Prospektion dafür gesorgt, dass Paläontologen auf die Grabungsorte stießen, die die heute – jedenfalls unter Wissenschaftlern – weltbekannten „Schöninger Speere“ enthielten. Diese Speere lagerten nach ihren Funden 1994-98 im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover. 2009 gründete sich ein Verein, der zusammen mit dem Land (und mit Blick auf Gelder aus dem Konjunkturpaket II) das Projekt „paläon“ in Bewegung setzte, zu welchem im November 2011 der Spatenstich erfolgte.
Der kompakte Bau hinter spiegelnden Fassadenelementen, die die umliegende, von Topotek 1, Berlin, nachempfundene Urlandschaft reflektiert oder auch einen dramatisch bewölkten Himmel, bietet auf seinen drei Ebenen Veranstaltungs- und Ausstellungsräume (Ausstellungsgestaltung ebenfalls von Holzer Kobler Architekturen), Besprechungs- und Verwaltungszimmer, ein leider ziemlich zugepacktes Atrium, hier den Empfang mit Garderobe und Shop, Toiletten und Lagerräume, sowie Labore für Besuchergruppen. Das allseits mit Spiegelelementen überzogenen, trotz aller Kompaktheit durchgestaltete Volumen wird von mehreren Fensterschlitzen und offenen wie geschlossenen Galerien so durchbrochen, dass von diesen aus die Besucher innen auf bestimmte Landschaftsbezüge gelenkt werden; auf die Fundstelle beispielsweise, die hier grasenden Urpferde oder auch den mächtigen Tagebau im Osten, der mit dem höchsten Kraftwerksturm in Deutschland immer wieder die Blicke auf sich zieht.
Höhepunkt der Ortbetonarchitektur ist sicherlich die von den Architekten gestaltete Ausstellungsebene unterm Dach, die sowohl für Kinder aber auch Erwachsene die Urzeit näher kommen, vielleicht auch verständlicher werden lässt.
Dass das paläon mit seinem Verweis auf Erdschichtung und seiner extremen Entmaterialisierungsstrategie eine Architektursprache spricht, die man längst hinter sich geglaubt hat, hindert nicht, gerade das Spektakel zu bewundern, dass der Himmel mit allen Farben und Formen auf dem Haus hinterlässt für Augenblicke und wieder Augenblicke und so weiter. Mal ist der Bau sichtbar, dann nicht. Was man nun am meisten schätzt, sollte jedem Besucher selbst überlassen sein. Der Spiritus rector und heutige Geschäftsführer des phaeno in Wolfsburg, Dr. Wolfgang Guthardt, schien jedenfalls vom Konzept beeindruckt. Dass mit den beiden Bauten in Schöningen und Wolfsburg zwei Architekturklassen aufeinanderstoßen, durfte man allerdings aus seiner Miene lesen. Be. K.