Sinnvoll in den Erhalt von Kirchen investieren

Team der TU Berlin schafft Datenbasis für Instandhaltungs- und Sanierungsplanung von Sakralbauten

„Instandhaltungsplanung für Kirchengebäude“ – so lautete das Forschungsprojekt, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Studierende unter Leitung von Prof. Dr. Kristin Wellner gemeinsam mit dem Erzbistum Berlin anhand von 38 ausgewählten Kirchengebäuden eine Datenbank entwickelt haben. Diese soll künftig dabei unterstützen, Entscheidungen über Instandhaltungs- oder Sanierungsarbeiten an den sakralen Gebäuden so zu treffen, dass finanzielle Mittel effizient und mit dem größtmöglichen Effekt eingesetzt werden können. Das teilt die TU Berlin jetzt mit.

„Gesellschaftliche Veränderungen wie eine sich ändernde Bedeutung der christlichen Kirchen, Kirchenaustritte und demografischer Wandel verursachen monetäre Zwänge, die eine Restrukturierung und Professionalisierung der kirchlichen Immobilienverwaltung erfordern oder anders ausgedrückt: Die monetären Zwänge stellen die Kirchengemeinden vor die Frage, wie das weniger werdende Geld für den Erhalt der Kirchengebäude am sinnvollsten investiert werden kann“, sagt Prof. Dr. Kristin Wellner, Leiterin des Fachgebiets Planungs- und Bauökonomie/ Immobilienwirtschaft.

St. Hedwig, Berlin: Rückbau auf einen irgendwie gearteten Originalzustand
Foto: Benedikt Kraft

St. Hedwig, Berlin: Rückbau auf einen irgendwie gearteten Originalzustand
Foto: Benedikt Kraft

 
Cluster nach Lage, Baujahr, Größe, Stil

 
Die 208 Kirchen im Erzbistum Berlin clusterte das Team um Wellner nach Komplexität des Baukörpers, Lage, Baujahr, Baustil, Größe, Anbindung des Turms sowie nach Unikaten hinsichtlich Größe, Baustil oder Alter. Diese Clusterung führte zu 38 Kirchengebäuden – 18 in Ost-, 20 in West-Berlin –, die während der Projektlaufzeit im Detail analysiert und für die alle vorliegenden Kosten aufgelistet wurden, die für Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen in den jeweiligen Kirchengebäuden angefallen waren. „Bei den 38 Kirchenbauten lagen insbesondere für die letzten 30 Jahre die meisten Rechnungen vor, sodass wir uns auf den Zeitraum von 1990 bis 2020 fokussierten. Es zeigte sich aber auch, dass die Qualität der Dokumentation sehr unterschiedlich war“, sagt Johanna Sadiki, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt. Auch sei nicht jede bauliche Maßnahme mit einer Rechnung belegt, da zum einen kleinere Arbeiten von der Gemeinde selbst erledigt wurden und zum anderen eine datenbankgestützte Erfassung und Dokumentation der Rechnungen für Instandsetzungsmaßnahmen der Pfarreien erst seit 2016 im Erzbistum zentral erfolge.
 
3D-Modelle von 38 Bauten
 
Bei der Analyse wurden Rechnungen zu den baulichen Maßnahmen an Außenwand, Innenwand, Dach, Fußboden und Decke betrachtet – und diese Ausgaben gesondert nach Instandhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen ausgewiesen. „Außerdem wurden für die einzelnen Bauteile die wichtigsten Charakteristiken erfasst, wie zum Beispiel für die Außenwand das Außenwandmaterial, die Konstruktionsart der Außenwand (Mauerwerk oder Stahlbeton) und ihre Formenkomplexität, das meint, ob sie eine klare geometrische Form aufweist oder Nischen, Vorsprünge und Verzierungen hat, sowie die Höhe und Form des Turmes beziehungsweise seine Integration ins Kirchengebäude oder Außenwand oder ob er als Campanile separat steht“, erläutert Johanna Sadiki.


 
Die Wissenschaftlerinnen und Studierenden erstellten von jedem der 38 Kirchengebäude ein 3D-Modell. Die aus den 3D-Modellen ermittelten Massen, zum Beispiel Quadratmeterzahlen für Außenwand, Innenwand, Dach, Fußboden und Decke sowie Kubikmeter-Angaben für das Innenraumvolumen, dienten dazu, die Kosten durch Euro-pro-Quadratmeter- oder Euro-pro-Kubikmeter-Angaben vergleichbar zu machen.
 
Die Datenbank gibt nun Auskunft darüber, wie viele Kosten pro Bauteil und Quadratmeter seit Rechnungsaufnahme anhand der dokumentierten Rechnungen jeweils für die 38 Kirchenbauten angefallen sind. Eine wichtige Schlussfolgerung aus dem Projekt ist, dass je lückenloser und detaillierter alle Baumaßnahmen von den Kirchengemeinden dokumentiert werden, desto aussagekräftiger kann das Tool werden.
 
Grundlage für überregionales Baukostenkataster?
 
„Unser Anliegen war es, eine strukturierte, erweiterungsfähige Datenbasis zu schaffen. Sie kann dazu beitragen, bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen die noch im Kirchenbudget verfügbaren Mittel in bauliche Maßnahmen so zu investieren, dass so viele Kirchen wie möglich im Erzbistum Berlin davon profitieren, aber auch Entscheidungen zu begründen, auf welche Kirchengebäude Mittel konzentriert werden sollten. Aber letztendlich ist es die Entscheidung des Erzbistums, wie es diese Datenbank als Management-Tool nutzt und einsetzt. Wir würden uns freuen, wenn dies die Grundlage für eine Datenbank zu Instandhaltungs- und Baukosten auch anderer Bistümer und Kirchenverbände werden würde, also für ein überregionales oder gar deutschlandweites Baukostenkataster für Kirchengebäude. Dafür braucht es aber noch viele Daten. Das Projekt ist erst ein Anfang“, sagt Prof. Dr. Kristin Wellner.

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