Die rohe Eleganz des weißen Steins

Architekt*innen bauen – natürlich. Jedoch selten für sich selbst. Dannien Roller Architekten + Partner stellten sich der Herausforderung mit einer Kombination aus Bestandssanierung und Erweiterungsbau.

Unweit des traditionsreichen Pfleghofs und der Ausgehmeile der Universitätsstadt Tübingen besitzt das spätklassizistische Wohn- und Geschäftshaus eigentlich eine hervorragende Lage. Dass das Ladenlokal im Erdgeschoss sowie das dazugehörige Grundstück trotzdem lange zum Verkauf standen, lag vor allem daran, dass die Eigentümergemeinschaft keine Gastronomie im Gebäude wollte. Für Maren Dannien und ihren Mann Matthias Roller erwies sich dieser Umstand als Glücksfall, denn ihr bisheriges Büro war für inzwischen 22 Mitarbeitende zu klein geworden.

Mit ihren Plänen konnten sie nicht nur die bisherigen Eigentümer*innen, sondern nach einem dreiviertel Jahr auch den Gemeinderat sowie die Denkmalschutzbehörde überzeugen. Im Bestandsbau sind die grundlegenden Strukturen erhalten geblieben und teilweise, wie etwa die offene Glasfassade, liebevoll herausgearbeitet worden. Aufgegriffen und fortgeführt haben die Planer*innen auch die Zweigeschossigkeit, die die Räume prägt. So führt eine restaurierte Treppe nach oben in Büros und Besprechungsräume, die sich zum Eingangsbereich öffnen.

Fließende Übergänge

Nach unten leitet eine weitere Treppe in einen Flur, der an einem Archiv sowie Sanitärräumen entlangführt. Dieser Schlauch weitet sich auf Höhe einer expressiv geformten, limonengrünen Kücheninsel, die den Übergang vom Alt- zum Neubau markiert. Die grundsätzliche Wegführung wird fortgeführt, sodass das Büro als Aneinanderreihung von größeren und kleineren, offenen und eher separierten Räumen beschrieben werden kann. Zusätzliche Treppenstufen sorgen auch im Neubau für Struktur und machen das leicht abfallende Gelände im Inneren nachvollziehbar.

Der Erweiterungsbau besitzt ein tragendes Mauerwerk aus Kalksandstein von KS-Original. Dass die Wahl auf den Baustoff fiel, liegt – neben seiner ressourcenschonenden Herstellung und vollständigen Recyclingfähigkeit – zum einen an seinen hervorragenden Brandschutzeigenschaften. Zum anderen sollte das Gebäude über einen sehr groben Putz mit eingefärbten Kornspitzen mit den angrenzenden Natursteinmauern in Dialog treten.

Nichts zu verbergen

Dass es den Architekt*innen ernst war mit der viel gerühmten „Ehrlichkeit des Materials“, wird im Inneren noch deutlicher: Das KS-Mauerwerk wurde nicht verputzt, sondern weitestgehend im Ausgangszustand belassen. „Der Rohbau wurde aus Feuchte-Gründen abgeflämmt, wodurch eine sehr ruppige Oberfläche mit Farbigkeiten entstand, die fast schon an Marmor erinnern“, erzählt Matthias Roller. Kontrastiert wird diese Erscheinung durch einen optisch ansprechenden Verband und ein Zentimeter dicke, leicht ausgekratzte Lagerfugen in Kombination mit geklebten Stoßfugen. Durch dieses Zusammenspiel entstand ein „Werkstattcharakter“, der sich auch im grauen, lediglich flügelgeglätteten Estrich widerspiegelt.

Alt- und Neubau unterscheiden sich so trotz fließender Raumübergänge deutlich und repräsentieren damit in gewisser Weise die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder derjenigen, die hier arbeiten: Auf der einen Seite dominieren feine Linien, Holz und ein Kronleuchter aus archetypischen „Architektenlampen“. Die rohen Oberflächen lassen Maren Dannien hingegen daran denken, „wenn man mit dreckigen Schuhen von der Baustelle kommt – was ebenso gut zu unserem Beruf passt.“

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