Alles entspannt? VBI-Konjunkturumfrage
Dass die wirtschaftliche Situation der Ingenieurunternehmen in Deutschland zu Jahresbeginn weiter angespannt sei, wie der Verband Beratender Ingenieure VBI unter Berufung auf seine aktuell veröffentlichte Konjunkturumfrage behauptet, kann man nur in Teilen nachvollziehen, gerade mit Blick auf die eher „Stimmungsblitzlicht“ seiende Umfrage. Ganz offensichtlich resultiert diese eher negative Interpretation aus einer „das Glas ist halb leer“-Sicht, denn tatsächlich überrascht beim Durchblättern der Frage/Antwort-Bögen eine durchaus optimistische Haltung, vor allem mit Blick auf die doch nicht gerade übersichtlichen politischen und damit auch wirtschaftlichen Nahzukunftsszenarien.
Nach Interpretation des VBI sind insbesondere krisenbedingte Störungen der Projektabläufe – wie Materialmangel und Bauzeitverzögerungen – für wirtschaftliche Einbußen und Mehraufwände verantwortlich, dies beklagen 49 % der teilnehmenden 440 Unternehmen. Die Situation, so der VBI, werde „verschärft durch gekündigte oder zurückgestellte Aufträge durch Auftraggeber“ – und nennt 38 % bei öffentlichen Aufträgen und bei privaten Aufträgen sogar 52 %. Das klingt tatsächlich nach viel. Schaut man dann auf die Kategorien, so beziehen sich die Prozente auf „einzelne“ Kündigungen, aber auch Rückstellungen. Eine schwierige Kategorien-Vermengung, denn eine Rückstellung kann durchaus ja eine Beauftragung werden. Und: Wie bei den meisten Antworten in dieser Umfrage wird der Status Quo – in diesem Fragefall das „Nein“, also keine Kündigungen oder Zurückstellungen – in den meisten anderen Fragen das „unverändert“ als deutlich häufigste Antwort gewählt. Heißt: Stagnation. Was, wie anfangs bereits dargestellt, in der aktuellen Situation überraschend positiv zu verbuchen ist; oder besser zu verbuchen wäre, wäre nicht ein Verband, der die Entwicklung sehr absolut interpretiert. So auch mit Blick auf den Auftragsbestand, der sich laut Umfrage um rund einen Monat auf zehn Monate reduziert hat: „Einen weiteren Auftragsrückgang erwarten 35 %, dies ist eine Verdoppelung gegenüber der Lage vor einem Jahr.“ Verschwiegen wird hier, dass die Befragten „geringer Rückgang“ anwählten, 55 % gleichbleibende Auftragsbestände erwarten und immerhin fast 20 % einen Anstieg (im Übrigen keinen „kleinen Anstieg“).
Ja, es gibt den Personalmangel bei den Ingenieur:innen und und Fachkräften mit möglichen negativen Auswirkungen. Dass „ganze 90 % der Unternehmen […] Ingenieurstellen nicht zügig besetzen“ können, ist eine Schätzung, die zudem noch einer Schätzung gegenübersteht, in der die Befragten angeben, dass sie in 2023 mit mehr Einstellungen rechnen als mit Abgängen (rund 8 % der Befragten).
Dass diese Umfrage anders gelesen werden kann, dass der VBI seine Studie naturgemäß zwecks Lobbyarbeit nutzt, liegt in der Natur seiner Sacharbeit. Schöner wäre es vielleicht gewesen, die Situation nicht ganz so grau zu malen, denn dass „Investitionen und Verlässlichkeit“ Kapazitäten erhalten und ausbauen, wird niemand leugnen. Vielleicht aber werden „mehr Wohnungsbau und die Sicherung unserer Infrastruktur“, wie VBI-Präsident Jörg Thiele im Zusammenhang mit der Studie ausführt, die Klima- und Verkehrswende nicht als eine Art Selbstläufer garantieren, hier sind eher unkonventionelle Wege zu beschreiten. Und hier könnte der VBI mit seinen gar nicht so pessimistisch in die Zukunft schauenden Mitgliedern vorangehen. Angespannt? Eher doch gespannt auf das, was noch kommt vom VBI. Studie beim Verband und auf DBZ.de. Be. K.