Arbeitsbuch und mehr
Wer schon einmal – oder mehrfach, weil sonst kaum verständlich – auf den Querschnitt eines modernen Fensterrahmenprofils geschaut hat, versteht zweierlei: Einmal den schier endlosen Prozess der Entwicklung eines Bauteils, das immer mehr zu leisten hat, zum anderen die sich daraus ergebene Beschleunigung weiterer Optimierungen, die das Komplexe immer komplizierter machen. Das wiederum führt zu immer höheren Norm-, aber auch Fertigungsanforderungen, die zum einen den Fensterbaumarkt monopolisieren, zum anderen das Instandhalten oder gar das Reparieren erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen. Und: Wer heute auf eigene Faust, aber handwerklich regelrecht Fenster bauen will, der ist eigentlich verloren. Denn wenn jedes Bauprodukt um das Fenster herum zertifiziert sein kann, bleibt die Frage, wie sich das Nichtzertifizierte auf erlaubte, also bauphysikalisch passende Weise einfügt? Wärme- oder Schallschutz, Luftdurchlässigkeit, Feuchteschutz, alles das ist bei Industriefenstern in Labortests geprüft, ist über hohe Stückzahlen leistbar gemacht. Bei Holzfenstern – und nun sind wir auch beim hier diskutierten Material – , die maßgenau gefertigt werden, weil entweder der Bestand ein anderes als das Normmaß fordert oder der Neubau andere Maße als wesentlicher ansieht, als die der genormten Fensteröffnung, bei solchen Fenstern ist man auf Versuchssituationen angewiesen (so beispielsweise auf die auch hier im Buch gezeigten Forschungshäuser in Bad Aiblingen) oder die Arbeit im Denkmal; oder man setzt die Industrienorm mit großem Erfindungsreichtum einfacher und individuell gestaltet, dann aber auch mit größerem Kosten-/Zeitaufwand um, und benötigt in jedem Fall eine erfahrene Werkstatt.
Dass aus einer solchen, im traditionellen Handwerk verhafteten Haltung moderne Lösungen entstehen können, die vielleicht nicht zu Höchstleistungen in der Lage sind, die aber auch nicht immer das physikalisch Beste liefern müssen/dürfen, weil der Rest auch nicht Höchstleistung ist, das zeigt die Autorin sehr anschaulich. Sie selbst ist idealerweise Schreinerin und Architektin mit Hochschulanschluss. Zehn unterschiedliche, realisierte Bauprojekte, deren Relevanz zum massenhaft Gebauten nicht unbedingt gegeben ist, zeigen zwar individuelle Fensterlösungen, die aber Hinweise liefern auf Möglichkeiten, das einfache (Fenster-)Bauen besser gestaltet, haltbarer und mit umfänglichem Leistungsspektrum in die Baupraxis zu bringen. Dabei zeigen die Beispiele Lösungen für den (denkmalgerechten) Ersatz, für das kostengünstig Einfache (aber Gestaltete) und zeigen einfache, aber effektive Lösungen für Schallschutz oder Lufttausch, für Variables und das Bewegliche. In Detail-Schnitten mit Maßstäben von 1 : 10 bis 1 : 2. Dass die Autorin auch auf das Thema Taupunkte oder vergleichbare Problematiken eingeht, macht die übersichtlich gestaltete Publikation mit professioneller Fotografie zum Arbeitsbuch. Und führt uns vielleicht dazu, jetzt mit Schrecken die Querschnitte durch gängige Fensterprofile zu bestaunen. Be. K.