Adaptive Solarfassade am House of Natural Resources
Gebäudeintegrierte Photovoltaik (GiPV) oder Building Integrated Photovoltaic (BIPV) ist bisweilen statisch. Ein Team aus Wissenschaftlern forscht an der ETH Zürich an beweglichen Dünnschicht-Solarzellen. Am House of Natural Resources, einem Forschungsbau verschiedener Institute der ETH, wird die Idee das erste Mal getestet. Insgesamt 50 Solarmodule sind auf einem Seilnetz montiert, die direkt vor die Holzfassade des Gebäudes
gespannt ist. Die Solarzellen erzeugen nicht nur Strom, sie sorgen auch für einen außenliegenden Sonnenschutz. Die Beweglichkeit der Solarzellen wird über einen „Soft Robotic
Actuator“ gesteuert. Dieses weiche Silikonstück bewegt mittels Luftdruck das Aluminiumblech, auf dem die Dünnschicht-Solarzelle befestigt ist. Das Silikon verformt sich durch das wechselnde Entweichen der Luft und Aufblasen. Es verformt sich und ändert damit die Neigung der Solarzellen. „Die Soft Robotic Actuatoren vereinfachen das System“, sagt Schlüter, da sie günstig hergestellt werden können.
Die Bewegung der Module kann manuell gesteuert werden. Doch ist es ihnen auch möglich, die Sonne zu „tracken“. Ähnlich eines Sonnenblumenkopfs folgen die Module selbstständig dem Sonnenlicht. Dabei können die 40 x 40 cm großen Module einzeln oder in Gruppen bewegt werden.
Im Labor erreichen die CIGS-Dünnschicht-Solarzellen (Kupfer-Indium-Gallium-Diselenid) eine Auslastung von 22 %. Wie viel Energie sie während der Testphase produzieren, bleibt abzuwarten. Arno Schlüter, Professor für Architektur und nachhaltige Gebäudetechniken an der ETH Zürich und Initiator des Forschungsvorhabens, sagt: „Innerhalb von 18 Monaten ist die Graue Emission der Produktion der Fassade ausgeglichen.“ Zurzeit versorgt die adaptive Gebäudefassade einen ca. 15 m² großen Büroraum mit Strom, so dass dieser energieneutral ist. Da das Gebäude erst im Mai dieses Jahres eingeweiht wurde, sind die Ergebnisse bis jetzt noch nicht aussagekräftig genug.
Die Module sind durch ihre Konstruktion besonders leicht. Gerade mal 800 g wiegt ein Modul. Das macht die adaptive Fassade besonders für Sanierungen attraktiv. Denn konventionelle Photovoltaikmodule wiegen oftmals 15 bis 20 kg – etwa 20-mal so viel wie die Neuentwicklung. Manche Dächer oder Fassaden können diese Lasten nicht tragen. Weswegen Arno Schlüter gemeinsam mit
Industriepartnern innerhalb der nächsten
24 Monaten die jetzige Version zu einem marktfähigen Prototypen weiterentwickeln möchte. „Gutes Feedback gibt es bereits“, sagt Schlüter. Das System ist in sich variabel. Es kann in Raster, Größe, Form, Farbe, Abstand und Neigung variieren. Arno Schlüter sieht Bürogebäude als einen möglichen Anwendungsbereich. Windlasten von bis zu 90 km/h hält die flexible Seilnetzkonstruktion stand. Arno Schlüter und sein Team wollen nun auch die Anwendung bei Hochhäusern erforschen, um die Solarfassade auch auf Bürotürmen zu applizieren.
Weitere Projekte mit der adaptiven Fassade sind bereits angedacht. So soll ein Gebäude in der Schweiz mit dem Fassadenmodul ausgestattet werden. Hier wollen Arno Schlüter und sein Team gemeinsam mit einem
Fassadenhersteller die spezifischen Eigenschaften einer konventionellen Fassade ausarbeiten, die die adaptive Fassade trägt. Das Ziel der Wissenschaftler ist ein marktfähiges Produkt, das die CO2-Produktion reduziert. Gleichzeitig werden sie die Ästhetik der Architektur verändern, denn durch die Beweg-
lichkeit der Solarpaneele wird die Gebäudehülle zu jeder Zeit ihr Erscheinungsbild verändern. S.C.