„Architektonische“ Modeentwürfe
Sibylle Klose

Von Ende Januar bis Anfang März war wieder der mondiale Laufsteg-Marathon aktiv:

NY – London – Milano – Paris: Gezeigt wurden die Kollektionen für Herbst/Winter 2009-10. Eines überraschte und fiel ins Auge: Hussein Chalayan – in London arbeitend, aber in Paris präsentierend – ließ sich in seiner Kollektion „Earth-bound“ von der Urbanität
Londons inspirieren, von Straßen und ihren Spuren, ihrer Zerschlissenheit, von Asphalt und von abgenutzten Betonflächen. Er ist bekannt für seine Innovationsfreude in Sachen Material und Technologie und so überrascht es nicht, dass er einen neu entwickelten Acetat-Schaum zu Mänteln, Tops und Kleidern formen ließ, mit zum Teil reliefartigen Spuren des urbanen Lebens. Die Kollektion aus dem Haus Jil Sander präsentiert eine puristische und sehr klare Formensprache. Die Materialien wirken wie glatte Formflächen, fast faltenlos. Die Formen scheinen eher auf den Körper zu wirken als der sich bewegende Körper auf die Formen. Und was sagt die internationale Presse? Suzy Menkes, Moderedakteurin der „International Herald Tribune“ prognostiziert, dass eine Ära angesetzt hat, in der eher die Architekten und weniger die Dekorateure der Mode gefragt sind.


„Architektur ist in Mode in der Mode“

Können wir jetzt davon ausgehen, dass die Architektur bei der „Mode“ bzw. Bekleidung in Mode gekommen ist? Und das zu einer Zeit, wo wiederum über die Architekturbiennale
in Venedig geschrieben wurde, dass sich die Form verflüchtig, auflöst und die Projektion
wichtiger zu sein scheint. Oder ist in einer Zeit der schwindenden, sich auflösenden Formen – oder der Formen im Übergang – wieder eine „klare Linie“, oder lesbare, verständliche Rich-
­tungen gefragt, um das überanstrengte Auge zu entlasten? Bevor ich auf die Inspirations-Vielfältigkeit der Architektur auf die Bekleidung – und dann auch hoffentlich auf die Mode komme – möch­te ich gerne mit Ihnen die Randbereiche anschauen.


Wir sprechen heute von Architektur und Mode – wo hört das eine auf und wo fängt das andere an?
Felipe Oliveira Baptista, ein anerkannter „créateur“ in der internationalen Modeszene, präsentierte vor etwa einem Jahr auf dem Festival des Jeunes Createurs in Hyères/F einen „shaded dress“, ein Kleid, gefertigt aus den Materialien Metall und Plexiglas. Der eingangs erwähnte Hussein Chalayan kre-ierte in 2007 zwei Kleider, die auf der gesam-ten Formoberfläche Videosequenzen visua-lisieren können, also einen geschlossenen Bildschirmcharakter haben. Die Bekleidungsstücke sind eine komplexe, technische Kon-struktion mit 15 000 LEDs – trägt der Mensch da noch ein Kleid an seinem Körper oder eher eine technische Maschine? Wird der menschliche Körper zum „Kleiderständer der Technologie“? Oder ist es nur eine Frage der Zeit, der Gewöhnung, dass wir Maschinen bzw. Technologie wie selbstver-ständlich tragen bzw. darin wohnen? Wie weit wollen wir gehen mit „Smart Textiles“ und „Smart Houses“?

Hussein Chalayan beantwortete in einem Interview im März diesen Jahres für sich selbst die Diskussion mit dem Statement: „I call my dresses monuments“. Wie weit kann also Innovation und Inspiration führen und wo liegen unsere Schmerz- oder Wohlfühlgrenzen? Wie ist jetzt das Verhältnis von Architektur und Mode bzw. von Mode und Architektur?

Ich denke, die beiden Disziplinen sind sich so nah gerückt wie nie zu vor. Aber sie wer-den sich nicht mehr allein zur Inspiration- und Innovationsfindung genügen: Die Wissenschaft (und damit auch die Technologie) wird neuer Co-Player werden. Sowohl die Mode als auch die Architektur wird sich der Wissenschaft bedienen und umgekehrt. Es wird ein spannendes Aufeinanderzugehen werden, das nicht nur auf Wissensaustausch basiert, sondern auch auf ein gegenseitiges nicht nur ZUSEHEN, sondern auch ZUHÖREN.

Just keep your mind elastic...

[Vortrag in gekürzter Fassung]


„Architektonische Modeentwürfe“

Im Rahmen dieser Symposiumsplanung hat der Studiengang Mode der Hochschule Pforz­heim mit dem 4. Semester an diesem Thema gearbeitet. Die Studenten recherchierten
die architektonischen Stilelemente bzw. die „Marken-Zeichen“ einzelner Architekten und entwickelten einen abstrahierten, interpretierten Designtransfer in die Stil-Sprache und Design-Grammatik der Mode- und Kollek-
tionsgestaltung.


Auf den folgenden Seiten zeigen wir vier Arbeiten mit architektonischer Inspiration...


Mehr Informationen dazu unter: www.gestaltung.hs-pforzheim.de

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