BDB feiert Wiedersehen auf dem Werkstatt-Dialog in Wuppertal

Nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie und der Verschiebung aller Veranstaltungen in den digitalen Raum kann man sich fragen: Sind Präsenz-Formate für Berufsverbände wie den BDB noch zeitgemäß? Werden sie von den Mitgliedern und Gästen angenommen und kann vor Ort so etwas wie eine neue Aufbruchsstimmung entstehen? Für den BDB-Dialog, der diesjährigen zentralen Jahresveranstaltung des Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure für Berufspolitik und Austausch, heißt die Antwort auf beide Fragen: Ja!

Am 24. und 25. Juni trafen sich knapp 100 BDB-Mitglieder sowie Vertreter:innen des BDB-Präsidiums und der Bundesgeschäftsstelle in Wuppertal zum BDB-Werkstatt-Dialog 2022. Nur wenige hundert Meter entfernt fand parallel dazu das
Finale des Solar Decathlon Europe 2022 statt. Das Tagesprogramm war eng an diesen internationalen Studierenden-Wettbewerb angelehnt.

Es gab viel zu besprechen. Primär die Bauwende und das nachhaltige Planen und Bauen. Hier wurde das aktuelle Jahresleitthema des BDB weitergedacht: „Umdenken – Umplanen – Umsetzen“. Dass der so gewählte programmatische Zuschnitt des BDB-Dialog 2022 seitens der Gäste auf großes Interesse stoßen würde, verdeutlichte im Vorfeld das Ergebnis einer Umfrage unter BDB-Mitgliedern. Mehr als 90 % der befragten Planer:innen gaben an, dass Nachhaltigkeit bei ihrer Arbeit eine immer größere Rolle spiele. Damit einher geht aber auch ein gesteigertes Bedürfnis nach spezifischem Fachwissen und Unterstützung bei der Kommunikation mit Bauherren und Bauherrinnen. Für die Befriedigung dieser Bedürfnisse sollten in Wuppertal konkrete Impulse gesetzt werden.

An beiden Tagen fand eine Reihe von Fachvorträgen und Fachdiskussionen statt. Den Auftakt machte die Architektin und Professorin an der Bergischen Universität Wuppertal, Annette Hillebrandt, die auch Mitglied des High-level Workshops im Neuen Europäischen Bauhaus ist. Ihr Vortrag „Was wäre, wenn wir von jetzt auf gleich nachhaltig bauen würden?“ gab die inhaltliche Richtung vor für das, was noch folgen sollte. Jeden Konjunktiv vermeidend, stellte sie ihre Thesen vor, aus denen deutlich hervorgeht, warum gerade im Baubereich ein Umdenken dringend erforderlich ist. Denn 40 % der Treibhausgase und 50 % des Abfallaufkommens sind dem Bausektor zuzuordnen. Dem stellte sie gegenüber, welchen Gewinn an Lebensqualität und Klimaschutz eine Bauwende bringt.

Den Thesen folgten konkrete, direkt an die anwesenden Planer:innen gerichtete Plädoyers für die stärkere (Um-)Nutzung von Bestandsbauten, für eine nationale Flächen- und Wohnungstauschbörse, für die Hinterlegung einer Kaution bei ­Bauantragstellung für den zu entsorgenden, nicht wiederverwertbaren Abfallanteil und für die Bezuschlagung umweltschädlicher Baumaterialien mit den realistischen Umweltkosten. Schließlich regte sie die Ergänzung der Landesbauordnungen um Vorschriften an, die diese und weitere Punkte des klimafreundlichen Bauens zur Voraussetzung des Baurechts macht. Ihr Vortrag glich streckenweise mehr einem Manifest mit einem Stakkato an Forderungen, die sich vielfach auch in dem vor einem Jahr veröffentlichten BDB-KlimaBauplan finden, was vom Publikum begeistert aufgenommen wurde.

Verschiedene BDB-Mitglieder schlossen sich mit ihren Impulsen rund um die digitale und nachhaltige Zukunft der Planungs- und Baupraxis an. Mit Arno Mirnas war auch der Dezernent der Stadt Wuppertal für Wirtschaft, Stadtentwicklung, Klimaschutz, Bauen und Recht auf dem Podium vertreten. Am Abend stand ein Besuch auf dem Solar-Decathlon-Gelände an, wo sich die Gäste ausführlich mit der Arbeit und den fertigen Bauten der studentischen Teams vertraut machen konnten und die ausgelassene Stimmung des Abschlussfests genossen.

Der zweite Tag stand ganz im Zeichen von vier verschiedenen Arbeitsgruppen, in denen nicht nur verbandsinterne Fragen diskutiert, sondern auch konkrete Handlungsimpulse für Planer:innen in Bezug auf das klimagerechte Planen und Bauen erarbeitet wurden. Davor betraten jedoch ­einige Mitglieder des Solar-Decathlon-Teams „Deeply High“ die Bühne und stellten die Arbeit an ihrem Projekt vor. Das Team trat als Gemeinschaftsprojekt der TH Lübeck (unter der Leitung von BDB-Mitglied Prof. Heiner Lippe) und der TU Istanbul an und entwickelte eine umweltfreundliche Gebäudeaufstockung am Beispiel klassischer Sozialbauten der 1950er bis 1990er-Jahre in Kiel.

Unabhängig davon, dass es für die Teilnehmenden des BDB-Dialogs schön war, sich endlich wieder abseits von Videokonferenzen vor Ort zu treffen und auszutauschen, konnten einige Erkenntnisse aus der digitalen Kommunikation der letzten Monate auch vor Ort umgesetzt werden. Die strukturierte und konzentrierte Arbeitsweise, ohne die ­Videokonferenzen schnell langatmig und ineffektiv werden, setzte sich beim BDB-Dialog fort und fand im „Werkstatt-Charakter“ ihren Ausdruck. Klar abgesteckte Aufgaben und Ziele flankierten die Agenda. Anstatt sich in „Breakout-Rooms“ zu separieren, gruppierten sich die Gäste in thematisch unterschiedlichen Arbeitsgruppen, um in einer vorge­gebenen Zeit die ihnen gestellten Aufgaben zu bearbeiten und die erzielten Ergebnisse anschließend vor dem Plenum zu präsentieren.

Der Austausch konnte auch nach dem offiziellen Teil fortgeführt werden, ohne dass man wie im Digitalen nach dem „Log-Out“ plötzlich vor einem dunklen Bildschirm saß. Die Aufbruchsstimmung und Motivation, das teils kontrovers Diskutierte und (Wieder-)Erlernte auch umzusetzen, war unter den Teilnehmenden spürbar wahrzunehmen. Nun, im Anschluss an die Veranstaltung, geht es darum, dies auch in der Praxis mit Leben zu füllen. Der BDB-Dialog 2022 hat dafür ganz sicher die richtigen Impulse gesetzt.

www.baumeister-online.de
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