Bauen mit Glas heute und in Zukunft
DBZ-Heftpartner Markus Hammes und Nils Krause, hammeskrause architekten bda, StuttgartWir sind überzeugt, Glas ist und bleibt ein probates Mittel der architektonischen Raumbildung, als Außenhaut ebenso wie als Trennwand innen.
Seine technischen, ökonomischen, ökologischen wie klimatischen Parameter und deren kontinuierliche Innovation durch Hersteller und Forschungseinrichtungen entlang nachhaltiger Kriterien (Technikfolgenabschätzung) werden dabei das Maß seiner künftigen Anwendung bestimmen.
Die technischen Parameter breiter, länger, dicker, dünner, größer, weiter, schneller, chemische Zusammensetzung, physikalische Belastbarkeit, Beschichtung, Befüllung, gewalzt, gegossen, gezogen, gepresst, eingefärbt, bedruckt, beklebt, zusammengeklebt, selbsttragend, gehängt, als Scheibe, Platte, Stein, Profil, Schmuck, im Einsatz vertikal, horizontal, etc. werden sich entlang der energetischen Flüsse für die erstmalige Erstellung und die der Wiederverwendung orientieren müssen. Grundsätzlich ist Glas erfreulicherweise eher nicht kompositär und damit sortenrein aufzubereiten und gut in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Hier muss die Bedeutung von Mehrweganwendung zunehmend den Vorzug vor einer Einweg-Anwendung bekommen. Die ökologische Bewertung folgt hier der von Mehrweg- zu Einweg-Gläsern in der Lebensmittelverpackung.
Eine geschlossene Wand, sei sie aus Holz, Stein, Beton, etc. kann häufig nur eines sein. Sie ist in erster Linie geschlossen. Ganz früh, in den Höhlen, begann man sie zu bemalen, dann erzählten Mosaike (Glas) von der zauberhaften Welt dahinter, später webte man wunderschön zarte Teppiche und hing sie davor, um die Wand zu „öffnen“, die Gotik minimierte die Wand zu Gunsten des Lichts, das Barock malte bildgewaltige Himmel darauf, die Tapete löst sie auf usw.
Ein Glas bleibt ein Glas, auch wenn man es verhängt, beklebt, bemalt etc. Auch wenn der Einzelne sich temporär an der Durchsicht, Einsicht, dem Ausblick stört, so kann seine architektonische Grundeigenschaft immer wieder hergestellt werden. Die Anwendung von Glas erfordert von seinem Benutzer die Befähigung, darin mehr als nur die Deckung des Mindest-Tageslichtbedarfs zu erkennen. Glas scheint flexibler in seiner Anwendung und Nutzungsvielfalt über die Lebensdauer eines Gebäudes.
Unbestritten ist einer der wesentlichen, archaischen, ur-menschlichen Treiber von Glas – neben dem Schmuck – die große Sehnsucht nach Tageslicht und vor allem wärmender Sonne im Innenraum.
Es erscheint bemerkenswert, dass in einigen zentralen europäischen Sprachen das Wort „Licht“ und das Wort „Aufklärung“ den gleichen Wortstamm haben (z. B. the light/the age of enlightning, la lumière/le siècle des lumières). Und hier scheint die gesellschaftlich, menschlich emotionalere Wurzel von Glas in der Neuzeit verankert. Mit dem Material Glas in der Außenwand kommt statt Witterung, Durchsicht, Transparenz, Einsicht, Ausblick (Romantik) ins Haus. Damit einher kommt visuelle, gedankliche Teilhabe, Verständlichkeit, Verständigung, damit steigt die Chance auf individuelle Sicherheit, Mündigkeit, auch soziale Kontrolle.
Kurzum es entsteht eine, wie auch immer zunehmend positiv geartete Kommunikation zwischen Menschen durch eine an sich baulich trennende Schicht.
Genau da ist der Punkt, an dem Glas zum Katalysator wird, dass eine Interaktion der Nutzer innerhalb eines Gebäudes und auch von innen nach außen glückreich gelingen kann. Es entsteht die Chance auf eine „Gleichzeitigkeit des Erlebens“ mit anderen und „die Unausweichlichkeit der Kommunikation“. Das verbindet, schafft Gemeinsames. Hier ist Glas in all seinen technischen und künstlerischen Schattierungen aus Transparenz und Transluzenz für das Bauen für die Menschheit unersetzbar.
Und ganz weit nach vorn geblickt: Wenn uns eine Innovation von Glas unter den Nägeln brennt, dann die, das raumbildende Element Glas unmittelbar in den 3D-Druck von Gebäuden zu integrieren und innerhalb des 3D-BIM-Planungsprozesses architektonisch und materiell zu gestalten und zu managen.