Bauen mit Holz – alles ist möglich
zum Thema „Holz“
In den letzten Jahren hat sich der Holzbau in Europa rasant entwickelt. Weitgespannte Tragwerke, großvolumige mehrgeschossige Bauten oder das Bauen im Bestand mit Erweiterungen, Aufstockungen und konfektionierten Fassadenmodernisierungen werden auch im städtischen Kontext in Holzbauweise realisiert. Ein hoher Vorfertigungsgrad führt dabei zu Vorteilen hinsichtlich Qualität, Geschwindigkeit, Baustellenlogistik, Kosten- und Terminsicherheit.
Holz ist der einzige Konstruktionswerkstoff für Tragwerke, der bei uns regional nachwächst. Das Bauen mit regenerativen Rohstoffen ist eine der Säulen des ökologischen Umgangs mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen. Die Verwendung des Rohstoffes Holz in einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft ermöglicht die Aktivierung eines lang anhaltenden Kohlenstoffspeichers, da das im Holz gebundene Kohlendioxid zur Dekarbonisierung und damit zum Klimaschutz beiträgt. Die nachhaltige Waldwirtschaft als Teil unserer Kulturlandschaft ist daher ein essenzieller gesellschaftlicher Wert.
Die Entwicklung innovativer Holzwerkstoffe der vergangenen vier Jahrzehnte ist einer der Haupttreiber für den heutigen Stand des Holzbaus. Brettsperrholz, Holz-Beton-Verbunddecken oder noch druckfestere Furnierschichthölzer ermöglichen leistungsfähige Lösungen für weitgespannte Tragwerke und mehrgeschossige Gebäude. Dabei spielt der disziplinierte Entwurf einer klaren Struktur der Räume, des Tragwerks und der Haustechnik eine wesentliche Rolle.
Die vollständige Ausführungsplanung der Architekten und Ingenieure sowie die Werkstattplanung der Holzbaubetriebe bilden die Grundlage für einen reibungslosen Produktionsprozess. Digital unterstützte Planungsprozesse sowie moderne Produktionstechniken erlauben die Herstellung von Bauelementen mit maximalem Vorfertigungsgrad. Lediglich die Transportmaße limitieren die Elementgröße. Dabei wird jedes Stück Holz eines Bauelementes dreidimensional parametrisch geplant und über Abbundanlagen millimetergenau zugeschnitten. Die Einzelteile werden dann in der Werkhalle zu Wand- oder Deckenteilen gefügt, die neben der tragenden Struktur auch die Wärmedämmung, Fenster und die Bekleidung enthalten.
Idealerweise entsteht der Holzbau in einem interdisziplinären Miteinander von Architekten, Ingenieuren und Holzbaupraktikern. Der erhöhte Koordinations- und Planungsaufwand der integralen Holzbauplanung lohnt sich am Ende des Tages allemal. Jeder, der die Errichtung eines trockenen Holzbauwerks mit hoher Präzision und handwerklicher Qualität in schneller Bauzeit erlebt hat, wird die
Faszination der Vorfertigung teilen.
Geht auf dem Weg vom baustellenmäßigen handwerklichen Fügen einzelner Teile hin zu einer von maximaler Vorfertigung und industriell geprägten Prozessen in einem kontrollierbaren Umfeld einer Werkstatt die gestalterische Freiheit verloren? Mitnichten!
Der Holzbau bietet ein großes ästhetisches Potential. Die Oberflächenbeschaffenheit durch Hobeln, Spalten oder Sägen, Anstrich, Licht und Schatten, durch das Format oder die Verlegerichtung der Fassadenteile bestimmen die Tektonik und den Charakter des Bauwerks. Einem Bauwerk muss man aber nicht zwangsläufig seine Bauweise ablesen. Insbesondere innerstädtisch gibt es Lösungen für Fassadenmaterialien, die dem Holzbau seine eigene Erscheinung verleihen. Das können Putzsysteme, vorgehängte Panel- und Glasfassaden oder auch farbig gestrichene Materialien sein.
Holz, ein anisotroper Werkstoff, möchte jedoch mit Sachverstand behandelt werden. Kenntnisse in Bauphysik und Werkstoffeigenschaften sind notwendig, um dauerhafte Durchfeuchtung, die schnell zur Schädigung der Holzstruktur führt, zu vermeiden. Holz mag keine nassen Füße und keinen nassen Kopf. Ein dauerhafter konstruktiver Holzschutz ist daher eine notwendige Prämisse!
Der Architekt
Frank Lattke wurde 1968 in Tübingen geboren und studierte nach einer Tischlerlehre Architektur an der Technischen Universität München und in Madrid. Er arbeitete bei DonovanHill Architects in Brisbane/Australien und gründete 2003 sein eigenes Büro in Augsburg. An der TUM war Lattke von 2002 bis 2014 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Holzbau bei Prof. Hermann Kaufmann in der Fakultät für Architektur in Forschung und Lehre tätig. Sein Hauptinteresse gilt der Verbindung von Design und nachhaltigem Handeln. Frank Lattke ist Mitglied des BDA und Vorsitzender des Treffpunkt Architektur Schwaben der Bayerischen Architektenkammer. Er ist tätig als Preisrichter in öffentlichen Wettbewerben.
www.lattkearchitekten.de