Massanzug in Trockenbau

Beisheim Stiftung und Holding, Baar/CH

Die Büros der Beisheim Holding im Kanton Zug waren in die Jahre gekommen und konnten sowohl optisch wie auch funktional den heutigen Anforderungen nicht mehr gerecht werden. Das Architektur- und De-
signbüro RAMSEIER & ASSOCIATES aus Zürich hat den Räumlichkeiten ein neues Gesicht gegeben: elegant, ohne protzig zu wirken und mit einem Hauch von Luxus, der auf der Präzision von Gestaltung und Ausführung in Trockenbau fußt.

Gemeinnützige Stiftungen sind in der Regel ebenso gut dotiert wie diskret – zumindest jene, die sich im Schweizer Kanton Zug angesiedelt haben. Dies dürfte auch für die Otto Beisheim Stiftung gelten, deren gleichnamiger Gründer als Mitgesellschafter und Geschäftsführer der deutschen Großhandelsgruppe Metro Anfang der 1980er-Jahre von Deutschland nach Baar übersiedelte und sich dort neben dem Beruf seinem philan­thropischen Werk widmete.

Die Stiftung und die gleichnamige Holding, die das Ver­mögen der Stiftung verwaltet, haben ihren Hauptsitz im ­Attikageschoss eines vierstöckigen Bürogebäudes im Gewerbegebiet von Baar, der Nachbargemeinde der Kantonshauptstadt Zug. Der Bau stammt aus den 1980er-Jahren und bis zum aktuellen Umbau befanden sich die Büros in Sachen Innenarchitektur weitgehend noch auf dem Stand der damaligen Zeit. Der Auftrag an die Innenarchitekt:innen lautete bei der geplanten Revitalisierung also: Die Räume sollten funktional, aber auch ästhetisch aufgefrischt werden, die Ausstattung sich der DNS der Holding entsprechend hochwertig und elegant präsentieren und – nicht zu unterschätzen – die Dimensionen der Räumlichkeiten mit Fluren von immerhin 120 m Länge und einer Fläche von 1 600 m2 mit gestalterischen Mitteln visuell in kleinere Einheiten aufgebrochen werden.

Ein Kleid aus Holz

Die übergeordnete Lösung für diese Herausforderung lautete: Spezialanfertigung. Ein Großteil der Elemente – Decken, Teppichböden, Wandverkleidungen, Möbel – sind von RAMSEIER & ASSOCIATES eigens für die Räumlichkeiten entwickelte Objekte oder Ausführungen. In der heutigen Bauwelt ist diese Herangehensweise die Ausnahme, entsprach aber den hohen Ansprüchen der Bauherrschaft. Innenarchitektin und Geschäftspartnerin Zoé Alexa Ramseier betont denn auch: „Die Architektin/der Architekt ist schlussendlich nur so gut wie die Bauherrschaft, wie auch dieses Projekt zeigt.“

Die Entscheidung für individuelle und gegen standardisierte Lösungen hat auch mit der besonderen räumlichen Disposi­tion der Büros zu tun: Der Grundriss besteht aus zwei lang gezogenen Rechtecken von 14 m Breite, die an einem ihrer kurzen Enden leicht ineinandergeschoben sind. Im dadurch entstehenden Zentrum ist die Erschließung via Lift und Treppenhaus untergebracht. Ein maßgefertigter Empfangstresen aus weißem Corian heißt Besucher:innen willkommen.

Vom zentralen Empfang aus führt jeweils ein innenliegender Flur gen Osten bzw. Westen. Die 20 Büros, vorwiegend Einzelbüros, sowie vier Konferenzräume sind fassadenseitig angeordnet. Transparente Glaswände trennen sie vom Flur und leiten Tageslicht ins Innere. Unterbrochen werden diese Einheiten immer wieder durch geschwungene Nischen mit unterschiedlichen Funktionen, wie z. B. Kaffeeküchen inklusive Sitzgelegenheiten oder Serviceinseln mit Druckern und Postfächern.↓

Das dominierende Gestaltungselement des Innenausbaus ist die vorgeständerte Wandverkleidung aus 20 mm dicken, furnierten MDF-Platten. Wo sie in die Nischen übergeht, ist sie abgerundet ausgeführt, was über die beeindruckende Länge der Flure einen fließenden Raumeindruck schafft. Als Oberfläche wählten die Planerinnen und Planer finnische Eisbirke, deren Furnier sich durch eine flammen- oder eisblumenartige Maserung auszeichnet. Das Muster schimmert im Gegenlicht fast samtig und verleitet dazu, es anfassen zu wollen. Diese schimmernde Oberfläche zieht sich über einen Großteil der Wandflächen inklusive der Türen, zum „signature piece“ aber machen es erst die eingefrästen asymmetrischen Ellipsen, ein Leitmotiv des Entwurfs, das sich auch auf dem eigens angefertigten Teppich in den Büros wiederfindet. Die ca. 10 mm breiten Einfräsungen brachten die Schreiner im Werk mittels CNC-Maschine auf den Platten an, bevor diese mit hoher Präzision vor Ort montiert und wie Puzzleteile zu einem mehrere Meter großen Bild gefügt wurden. Roger Stucki von RAMSEIER & ASSOCIATES betont: „Es gibt nicht viele Handwerker, die eine solch hohe Qualität in einem so großen Maßstab umsetzen können. Die langjährige Zusammenarbeit mit der Schreinerei Röthlisberger hat uns diese Art von Entwurf erst möglich gemacht.“

Fließendes Licht

Dass die Wahl der Innenarchitekt:innen auf die Materialien Teppich und Holz fiel, hat neben der Optik auch schallschutztechnische Gründe. Ein weiteres wichtiges Thema war die Beleuchtung und damit verbunden die Deckenverkleidung. Sie ist als abgehängte Decke mit Gipskartonplatten ausgeführt, die speziell für dieses Projekt entwickelten Leuchten als indirekte Beleuchtung darin flächenbündig integriert.

In den Fluren und Nischen sorgt eine Grundbeleuchtung für ausreichend Helligkeit. Sie ist in Deckenvouten, also einer Aussparung der Deckenplatte, am Übergang zu den furnierten Wandflächen eingebaut. Zusätzlich befindet sich über vier der Nischen jeweils ein 3,20 x 3,40 m großer, so genannte „Lichtdome“, ein leicht asymmetrisches Lichtfeld mit abgerundetem Ecken und Kanten – letztere ein Muss, damit das Licht weich darüber fließt und nicht etwa ein harter Kontrast mit Schlagschatten entsteht. Ein Variante davon sind die kleinen Lichtfelder in den anderen Nischen mit jeweils sechs Leuchtkörpern gleicher Machart, aber kleinerer Dimensionen. Bestückt sind die Leuchten mit LEDs, die Farbtemperatur lässt sich analog zum Tageslicht steuern.

Die Rundung als Motiv findet sich auch bei der Beleuchtung in den vier Konferenzräumen. Hier besteht der obere Raumabschluss aus abgehängten Kühldecken mit mikroperforierten Stahlblechpaneelen. Die langen, eher schmalen Öffnungen sind quer über den eigens angefertigten Tischen aneinandergereiht, auch hier taucht die abgerundete Kante als prägendes Detail wieder auf.

Anschluss gefunden

Besucht man die Büros der Holding, fällt auf, wie klar und, im übertragenen Sinn, aufgeräumt sich die Räumlichkeiten präsentieren. Drei Jahre nach der Fertigstellung wirkt das Geschoss wie eben frisch bezogen. Neben der Reduktion der Materialien und einem zurückhaltenden Farbkonzept liegt dies auch an der versteckten Leitungsführung. Die Planerinnen und Planer entschieden sich, das bestehende Heizungssystem als Leitungsträger zu nutzen und aufzurüsten: Die Versorgungsleitungen wurden als „Datenautobahnen“ über die bestehenden Konvektoren gelegt, und das Ganze mit einer Verkleidung aus spritzlackiertem MDF vor einer Stahlunterkonstruktion abgeschirmt. Dafür brauchte es neben rund 400 lfm an neuer Heizkörperverkleidung auch präzise Detaillösungen bei den Anschlüssen, etwa an die runden Stützen des Bestands. Sie wurden millimetergenau ausgefräst.

Ein weiterer Anschluss betraf die Trennwände zwischen den einzelnen Raumeinheiten. Um die Privatsphäre in den Büros zu gewährleisten, sollte ausreichender Schallschutz bestehen. Gleichzeitig erlaubte der reguläre Anschluss an die vollverglaste Bestandsfassade nur eine beschränkte Materialdicke. 5 cm breite Fassadenschwerter in Trockenbauweise bilden nun die Verbindung zum Bestand, die Trennwände sind mit jeweils zwei beschichteten GFK-Schallschutzplatten mit Mineralwollefüllung ausgeführt

Qualität, die besteht

Die Fertigstellung erfolgte 2019. Der für die Ausführungsplanung zuständige Partner Prof. Andreas Betz vermutet: „Bei der aktuellen Materialknappheit wäre ein solch hohes Ausbauniveau wohl mit erheblich höherem Aufwand verbunden.“

⇥Tina Cieslik, Bern/CH

Innenausbau at its best: Hochwertigster Schreinerausbau trifft auf bauphysikalisch leistungsfähigen Trockenbau. Das Objekt steht für eine perfekt gelungene Symbiose aus edlen Holzoberflächen, technisch und geometrisch anspruchsvollem Trockenbau und individuellen Beleuchtungslösungen – alles auf höchstem Niveau. Die Detailtiefe ist bemerkenswert.«

DBZ Heftpartner Prof. Andreas Betz, Prof. Jochen Pfau, Prof. Jochen Stopper, TH Rosenheim

Projektdaten

Objekt: Beisheim Holding

Standort: Baar/CH

Typologie: Bürogebäude

Bauherr:in: Beisheim Holding

Nutzer:in: Beisheim Holding

Architektur/Innenarchitektur:

RAMSEIER & ASSOCIATES LTD., Zürich/CH, www.ramseier-assoc.com

Team: Andreas Ramseier, Zoé Alexa Ramseier, Prof. Andreas Betz, Roger Stucki

Bauleitung: Naumann und Partner AG, Baar/CH,

www.naumann-partner.ch

Bauzeit: 01/2018 bis 08/2019

Nutzfläche gesamt: 1 600 m²

 

Fachplaner:innen

Schreinerarbeiten: Röthlisberger Innenausbau, Gümligen

Lichtplanung: Reflexion AG, Zürich/CH, www.reflexion.ch

 

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