Bürogebäude Suurstoffi 22, Risch-Rotkreuz/CH
Als 2015 die neuen schweizerischen Brandschutzvorschriften in Kraft traten, veränderten sie das Bauen mit Holz grundlegend: Holzbauten durften nun auch Hochhaushöhen erreichen. Bereits 2018 wurde das erste Hochhaus in Holz-Hybridbauweise fertiggestellt. Das Bürogebäude von Burkard Meyer Architekten in der Ortschaft Rotkreuz im Kanton Zug ist in Sockel und Erschließungskern aus Beton gestaltet, ansonsten ist es aus Holzbalken und -stützen, gekapselten Holzfassadenelementen und vorgefertigten
multifunktionalen Holz-Beton-Verbund-Decken-
elementen (HBV-) konstruiert.
Die beiden sieben- und zehngeschossigen Gebäudevolumen des Suurstoffi 22 genannten Baus verschränken sich, der Turm erreicht eine Höhe von 36 m. Im Erdgeschoss des ab dem ersten Obergeschoss mit dunklen Aluverbundplatten überzogenen Gebäudes befinden sich mehrere separate Zugänge und Empfangsbereiche, damit die Vermietung sowohl an einige kleine als auch an einen großen Mieter gut möglich ist. Auch die weiten und offenen Bürogeschosse in den oberen Etagen können flexibel getrennt, bespielt und eingerichtet werden.
Bewährte Zusammenarbeit
Das Bürohochhaus war ein inhaltlich dichtes Projekt, da hier die Themen Holzhochhaus, BIM, Elementbauweise und eine zwingend kurze Bauzeit aufeinandertrafen. Von Vorteil war, dass Architektur und Holzbau bereits miteinander starteten, denn das grundlegende Holzbausystem hatten Burkard Meyer Architekten und ERNE bereits für einen anderen Wettbewerb gemeinsam entwickelt. Als die ArchitektInnen beim Wettbewerb zur Suurstoffi 22 antraten, überzeugten sie die Bauherrschaft nicht nur von ihrem Entwurf, sondern auch vom Holzbausystem. „Das ist definitiv die beste Variante für eine Zusammenarbeit, denn vieles muss nicht mehr geklärt werden,“ erklärt Andreas Koger, der damals das Projekt seitens des Holzbauers begleitete. Mit den hausinternen Brandschutzexperten überprüfte ERNE die Leistungsfähigkeit der an das Projekt angepassten Deckenelemente, zusätzlich galt es, Haustechnik- und Elektroplanung sowie den Brandschutzingenieur des Planungsteams unter der Leitung von Burkard Meyer einzubeziehen. Die frühzeitige Abstimmung aller Gewerke war für den Holzbauer unabdingbar, um die Fassaden- und Deckenelemente passgenau und für alle Gewerke optimiert herzustellen. Während in herkömmlichen Beton-Mauerwerk-Projekten etagenweise geplant werden kann, mussten die ArchitektInnen hier zeitgleich zur Bearbeitung des zu betonierenden Unter- und Erdgeschosses alle Stockwerke verbindlich planen. Dafür brauchte man ein sehr leistungsfähiges Team, das gut zusammenspielen konnte.
Physische und digitale Modellierung
Zunächst entwarfen die ArchitektInnen das Strukturmodell entsprechend den konstruktiven Angaben der Holzbauer. ERNE modellierte die Elemente in 3D und verteilte das Grundmodell an alle FachplanerInnen. Sobald diese ihre Bedürfnisse hinsichtlich Aussparungen und Schnittstellen rückgemeldet hatten, überprüften ERNE und Burkard Meyer die Machbarkeit im Modell. Dabei sollte das digitale Modell nicht unnötig groß werden, so Andreas Koger: „Je weniger Daten man verursacht, umso besser ist es für alle.“ Für die Architekten spielte aber auch das traditionelle, physische Modell eine große Rolle. „Am Kartonmodell mit verschiedenen Schichten entwickelten und überprüften wir Staffelung und Ornamentik der konventionell geplanten Fassade“, erinnert sich der projektleitende Architekt Thomas Wernli. „Dieses Modell war schon sehr realistisch und führte uns zum Mock-up.“ Technisch sei es sinnvoll gewesen, besonders hinsichtlich der Haustechnik, viel im digitalen 3D-Modell zu arbeiten. Viele Knotenpunkte konnten so besser verstanden werden. „Wir haben einer besonders schwierigen Ecke viel Zeit gewidmet, zusammen mit den beteiligten FachplanerInnen. Damit hatten wir in der dritten Dimension die Konstruktion im Griff und konnten auch alle anderen Bereiche lösen“, so Wernli. Für das Gelingen des Projekts war es wichtig, ein Fassadenelement und die Fassadenverkleidung mit Sonnenschutz anschließend einmal real zu bauen. An der Musterzelle im Maßstab 1 : 1 ließen sich nicht nur Dimension, Konstruktion und Details überprüfen, sondern auch Sonderbauteile der Haustechnik einpassen. „Das war für die ArchitektInnen und uns interessant zu sehen. Noch wichtiger war es jedoch für die Bauherrschaft, um sich ein besseres Bild des Projekts machen zu können,“ erinnert sich der Holzbauer. Die Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft habe gut funktioniert, lediglich bei der dunklen und zurückhaltenden Gestaltung der Fassade sei man sich erst spät einig geworden. Schließlich konnten sich Burkard Meyer mit ihrem ruhigen Schlußstein im „optisch laut“ gestalteten Areal durchsetzen.
Holz-Hybridbauweise
Damit auch die Fassade des Hochhauses aus Holz gebaut werden konnte, musste der Kapselung der Außenwände besonderes Augenmerk geschenkt werden. Allseitig doppelt beplankt mit Gips durften die Fugen zwischen den Gipsplatten nicht breiter als 1 mm ausfallen. Dem Gebäude konnte man beim Aufstellen der Elemente ansehen, dass die Architekten schon sehr früh „in Holz gedacht“ hatten. In die 5,7 m breiten und raumhohen Außenwand-Elemente waren ab Werk bereits je zwei Fenster eingelassen, die tragenden Stützen seitlich befestigt. Die Schlichtheit der Details und die klaren Kanten brachten schon eine Eleganz mit sich, die den Rohbau fast fertig aussehen ließen.
Den Büroneubau mit alternierend innen und außen gesetzten Fens-tern tragen nebst dem betonierten Erschließungskern Balken und Außenstützen aus Fichtenholz. „Natürlich wäre es auch möglich, das komplette Gebäude aus Holz zu fertigen,“ erklärt Andreas Koger. „Je höher man aber kommt, desto aufwendiger ist so ein Gebäude.“ Thomas Wernli sieht das auch skeptisch: „Mischkonstruktionen sind sehr vernünftig und wirtschaftlich und besonders der Brandschutz im Treppenkern wäre sehr aufwendig ohne Beton.“
Die Innenstützen und die inneren Unterzüge sind aus Baubuche gefertigt. Während die Fassadenelemente vollständig sechsseitig mit Gips brandsicher gekapselt sind, bleibt das Holz der Außenstützen sichtbar – die Sprinkleranlage im Haus und die Dimensionierung der Stützen auf Abbrand machen dies möglich.
Bauzeitfaktor Elementbau
Zwischen Außenstützen und Betonkern lagern auf den inneren Stützen und Unterzügen aus Baubuche die Elemente der Holz-Beton-Verbund-Decke. Sie haben Spannweiten zwischen 5,6 m und 8,4 m und einer Breite von 2,7 m. Das sei die DNA vom Zimmermann, so Koger: Elemente vorfertigen, auf die Baustelle bringen, montieren. „Je mehr vorgefertigt werden kann, desto schneller und trockener kann aufgestellt werden und desto kürzer ist die Bauzeit.“ Die im Werk vorgefertigten HBV-Deckenelemente enthielten bereits Unterkonstruktion und Leitungsverteilung der HLK-Komponenten, auf der Baustelle mussten nur noch die Deckenplatten eingehängt und mit Schraubverbindungen die Leitungen verbunden werden. Die multifunktionalen Deckenelemente enthalten Heizung und Lüftung, dienen aber auch der Kühlung und arbeiten als Akustik-
decke. Eine besondere Herausforderung beim Holzbau bleibt aber der Umgang der NutzerInnen mit dem Gebäude – während bei Beton- und Mauerwerk gespachtelt und ausgebessert werden kann, ist das bei Holz schwieriger. Dank der vollständigen Systemtrennung, bei der NutzerInnen auch das Licht frei planen können, muss der Edelrohbau nicht verändert werden. Laut den ArchitektInnen ist der Mieterausbau sehr unterschiedlich ausgefallen und gut gelungen. Jeder der MieterInnen belegt die Grundstruktur anders, selten gibt es Trennwände, häufiger Großraumbüros.
Das Suurstoffi-Gebäude konnte nach seiner Fertigstellung im Sommer 2018 für eine kurze Zeit den Höhenrekord halten, bald kam auf einem anderen Baufeld auf dem Areal ein weiteres und höheres Holz-Hybrid-Hochhaus hinzu. Das Wohn-, Arbeits- und Freizeitquartier in Rotkreuz ist damit nicht allein: Das Thema Holz-Elementbauweise gewinnt aktuell – sei es im aktuellen Wettbewerbsbeitrag vom Osloer Büro Mad Arkitekter für Berlin-Kreuzberg oder im bereits fertiggestellten Heilbronner Skaio von Kaden + Lager. „Uns war es damals nicht wichtig, ob wir das erste Holzhochhaus bauen oder andere. Uns reizte vor allem die Bauaufgabe“, erinnert sich Thomas Wernli. Das Projekt hat in der Schweiz in den letzten Jahren einige Nachahmer gefunden, bei denen andere Architekturbüros das Konzept weiterentwickelt haben. Der Schweizer Pionierbau war sicherlich ein Meilenstein und überzeugt bis heute hinsichtlich Gestaltung und Nutzungsmöglichkeiten.
Katinka Corts, Zürich/CH
Baudaten
Objekt: Suurstoffi 22
Standort: Suurstoffi 22, 6343 Risch-Rotkreuz/CH
Typologie: Bürogebäude
Bauherr: Zug Estates AG, Zug/CH
Architektur und Generalplanung: Burkard Meyer Architekten BSA AG, Baden/CH, www.burkardmeyer.ch
Projektteam Studienauftrag: Oliver Dufner, Daniel Krieg, Adrian Meyer, Andreas Signer mit Tobias Burger, Fabian Obrist
Projektteam Planung: Daniel Krieg, Thomas Wernli (Gesamtprojektleitung) mit Markus Tschannen, Franziska Hellstern, Cyril Kunz
Örtliche Bauleitung: ERNE AG Holzbau, Stein/CH, www.erne.net
Bauzeit: November 2016 bis Februar 2018 (Rohbau), Februar bis Juli 2017 (Vorfertigung Holzbau), Mai bis September 2017 (Montage Holzbau), März bis Juli 2018 (Ausbau und Bezug Ankermieter)
Fachplaner
Bauingenieur: MWV Bauingenieure AG, Baden/CH, www.mwv.ch
HLKS-Planer: Kalt+Halbeisen Ingenieurbüro AG, Zürich/CH,
www.kalthalbeisen.ch
Elektroplaner: enerpeak ag, Dübendorf/CH, www.enerpeak.ch
Bauphysik: BAKUS Bauphysik und Akustik GmbH, Zürich/CH,
www.bakus.ch
RDA-Planer: Gruner Roschi AG, Köniz/CH
Brandschutzingenieur: Makiol Wiederkehr AG – Ingenieure Holzbau, Brandschutz, Beinwil am See/CH, www.holzbauing.ch
Holzbauingenieur, Systementwicklung und Unternehmer: ERNE AG Holzbau, Stein/CH, www.erne.net
Projektdaten
Hauptnutzfläche SIA 416: 10 725 m²
Geschossfläche SIA 416: 17 900 m²
Gebäudevolumen SIA 416: 70 000 m³
Materialien: Brettschichtholz 1 300 m³, Furnierschichtholz in Buche 200 m³, Gipsfaserplatten 17 500 m²; Systemdecken 10 000 m², Außenwände mit Fenstern 7 500 m²
Baukosten
BKP 1–9: ca. 39,8 Mio. €
BKP 2: ca. 38,05 Mio. €
Kubikmeterpreis nach SIA 416
(BKP 2): ca. 544 €
Hersteller
Holz-Beton-Verbund-Deckenelement SupraFloor: ERNE AG, Laufenburg/CH, www.erne.net
Fassadenverkleidung Alucobond: 3A Composites, Singen,
www.alucobond.com
Ein herrlich selbstbewusstes Haus, es folgt der Logik des Modularen, des Elementbaus, konsequent. Feine Struktur und poetische Selbstverständlichkeit. Hohe Schule der Detail-ausführung, ohne penibel zu sein. Materialgerechte Unterscheidung Innenausbau und Gebäudehülle.«
⇥DBZ Heftpartner Christian Olaf Schmidt und
⇥Markus Plöcker, Schmidtploecker Architekten