Bundesarchitektenkammer

Wie kann das „Kataster der Potentiale“ im Gebäudebestand für Ihre Mitglieder ein Instrument für nachhaltige Planung von Stadtquartieren sein/werden?

BAK: Unsere gebaute Umwelt ist mehr als die Summe von Städten, Straßen, Grünräumen und Gebäuden. Historisch gewachsener Bestand ist zugleich unsere wichtigste Ressource für die ­bauliche Weiterentwicklung sowohl in Deutschland als auch in Europa. Dem Umbau des Vorhandenen kommt aus dieser Perspektive eine besondere Bedeutung zu. Denn Umbau ist Teil der Nachhaltigkeit. Wer umbaut, führt die in der physischen Substanz gespeicherte Energie neuen Nutzungen zu. Der Bestand muss also ins Zentrum unseres Handelns rücken. Die Lösungen von ges-tern können nicht die Lösungen für morgen sein. Wir brauchen integrative Konzepte, starke Quartiere und Raum für Ideen, um den architektonischen und städtebaulichen Bestand weiterzuentwickeln.

Doch unser Wissen über den Gebäudebestand ist oftmals zu unspezifisch, um ihn strategisch und überregional zu nutzen. Zum Beispiel: 400 000 neue Wohnungen ohne zusätzliche Flächenversiegelung und CO2-Emissionen, das schaffen wir nur mit und nicht gegen den Gebäudebestand und mit der Entwicklung von Freiflächen. Wir müssen gewachsene Siedlungsstrukturen stärken, anstatt weitere Flächen an Ortsrändern zu verbrauchen. Überfällig ist also eine Methodik zur Identifizierung von Flächen als Kataster der Potentiale, eine Umbauordnung und die gezielte Förderung von Bestand in Ortskernen. Ein Katalog mit einem umfassenden Überblick über Bauland, Baulücken, Umnutzungs- und Aufstockungsmöglichkeiten und zu entwickelnde Freiflächen kann eine entscheidende kommunale wie überregionale Grundlage sein, für öffentliche wie private Bauvorhaben, um Projekte und Baumaßnahmen nachhaltig und im Sinne einer vielfältigen, lebendigen Baukultur zu entwickeln und umzusetzen.

Wir gehen davon aus, dass die aktuellen Liegenschaftskataster um die Information „Bauliche Erweiterungsfähigkeit / Verdichtungspotential und Flächenverfügbarkeit und planungsrechtliche Positionierung“ ergänzt werden müssten. Das hieße jedoch, dass zunächst das durch das Bauplanungsrecht eingeräumte Bebauungspotential mit der tatsächlichen Bebauung auf dem Grundstück abgeglichen werden müsste.

Die planenden und analysierenden Institutionen in den Verwaltungen müssten über Informationen verfügen, was auf einer Parzelle an Potentialen und Restriktionen vorhanden ist. Die Einrichtung solcher Kataster kann innerhalb der schon vorhandenen Daten neu zusammengestellt werden und so als eine neue Art „Umbaupotentialkataster“ definiert werden. Weil die gelisteten Flächen in der Regel bereits erschlossen sind und Planungsrecht oder über § 34 eine planungsrechtliche Rahmensetzung erfolgt, entfallen in den meisten Fällen Infrastrukturkosten sowie lange und aufwendige Bebauungsplanverfahren.

Es gibt die systematische Potential-Erfassung noch nicht flächendeckend, aber einzelne Kommunen verfügen über systematische Analysen und Bewertungen. Zwar besteht vor allem in kleinen Orten viel informelles Wissen über den Gebäudebestand, doch systematisch erfasst wird es selten. Um eine qualifizierte Innenentwicklung mittel- bis langfristig planen zu können, aber auch um jederzeit handlungsbereit zu sein, müssen die Gemeinden Kataster einführen, die Potentialflächen mit Handlungsstrategien unterlegen.

Wir müssen uns gemeinsam für eine neue Umbaukultur engagieren. Dazu gehören auch geeignete Verfahren, über die unser Berufsstand transparent, fair und unbürokratisch Gestaltungskompetenz und Expertise einbringen kann. Denn es geht um mehr als die Aufwertung und Optimierung einzelner Objekte. Ressourcen schonen, Energie sparen, Klima und Arten schützen, Wasser sorgfältig nutzen – das ist der große Zusammenhang, in dem wir planen und bauen müssen. Für diese Aufgaben braucht es Kreativität, planerische Kompetenz und Gestaltungswillen, aber auch das Bewusstsein für den bleibenden Wert guter Architektur. Dafür braucht es uns, die ArchitektInnen, InnenarchitektInnen, LandschaftsarchitektInnen und StadtplanerInnen! 

Andrea Gebhard,

⇥Präsidentin Bundesarchitektenkammer,

⇥www.bak.de

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