Informationsmanagement

DIN EN ISO 19650: Was verändert sich für Architekten?

Wenn Sie mit BIM arbeiten, wissen Sie, dass die Informationsweitergabe innerhalb eines Projekts ausschlaggebend ist für dessen Erfolg. Die ISO 19650 benennt das Informationsmanagement über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, um eine gemeinsame Sprache zu etablieren, die das Bauwesen effizienter machen soll.

Seit Jahrzehnten leidet unsere Baubranche an einer im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen erstaunlich geringen Produktivität. Insbesondere unsere Baustellen sind weltweit wahre Geldvernichtungsmaschinen. Wir verdanken der Regierung von Margaret
Thatcher, im damals von der Rezession gebeutelten Vereinigten Königreich, zwei inzwischen ikonische Untersuchungsberichte zum Dilemma auf dem Bau. Sowohl der „Latham-Report“ als auch der „Egan-Report“ kommen zu dem gleichen Ergebnis: Nicht schlechte Ausbildung, schlechtes Material oder schlechte Werkzeuge sind ursächlich für fast die Hälfte des Verlusts des eingesetzten Kapitals. Nein – es ist fast ausschließlich mangelhaftes oder gar fehlendes Informationsmanagement! „White Hall“ zog die Konsequenz und hat seit 2007 die inzwischen berühmt-berüchtigte Richtlinien-Reihe der PAS 1192 zum Information Management über den Lebens­zyklus baulicher Vermögenswerte aufgelegt. Jene öffentlich frei verfügbaren Spezifikationen inklusive ihrer darin als Anmerkungen notierten „Gebrauchsanweisungen“ ist die Mutter der ISO 19650-Reihe. Inzwischen sind ISO 19650 Teil 1 und 2 von der Workgroup 13 des „Home of BIM“ bei der ISO fertiggestellt. Der Autor war von Anfang an dabei und hat die deutschen Interessen im internationalen Umfeld vertreten. Dass das nicht immer leicht war, kann man sich denken. Die Kompromisse waren schmerzhaft, wenn man denn eine gemeinsame Basis finden wollte für zukünftige effizientere Prozesse im Bauwesen, zumindest für den gemeinsamen Markt der EU.

Leider ist es nicht möglich, die ISO19650­­-Reihe, so wie ihr englischer Vorgänger PAS 1192 als „Public Available Specification“, dem Markt zur Verfügung zu stellen. ISO, CEN und DIN kennen erst seit kurzem dieses Marktwerkzeug der „Open Source“ Normen (siehe hierzu z.B. im Web unter DIN SPEC PAS 91391 „CDE“). Auch nachteilig bei der Transformation der PAS 1192 Dokumente in ISO Normen war der Wegfall der als „Gebrauchsanweisungen“ doch sehr hilfreichen „Notes“ der englischen Urform. Weniger schmerzhaft war es dann allerdings, dass der dadurch nicht mehr notwendige Abstimmungsprozess der untereinander doch recht unterschiedlichen Interpretationsvorstellungen der europäischen Kollegen wegfiel. Das wird zurzeit auf CEN-Ebene nachgeholt. In der Workgroup 3 des CEN TC 442 „Home of BIM“ gibt es seit kurzem die Aufgabenstellung „Guideline to ISO 19650“.

Was ist die ISO 19650?

Inhaltlich umfasst die ISO 19650 das gesamte Informationsmanagement über den Lebenszyklus eines baulichen Vermögenswertes. Planen, Bauen und Betreiben ist als Gesamtaufgabe zu sehen. Begrifflichkeiten sind übergreifend zu verstehen. Es kann nicht genug betont werden,– dass sich die ISO 19650 nur auf Informationen und Informationsmanagement bezieht. In der deutschen Übersetzung wird das durch Hinzufügen des Worts „Information“ mehrfach deutlich.

Das tägliche Geschäft des Planers wird sich – falls nach ISO 19650 beauftragt – um das Informationsmanagement erweitern. Diese Funktion muss nicht zwangsläufig BIM-Manager genannt werden oder gar nur einer einzelnen Person verantwortlich übertragen werden. Die Funktion eines BIM-Managers gibt es in der ISO 19650 nicht. Das Ziel muss vielmehr sein, dass das Informationsmanagement das komplette Vorhaben durchdringt – über den ganzen Lebenszyklus, nicht nur während der Projektierungs- und Planungsphase. Konkret ergibt sich daraus zum Beispiel die Forderung nach besserer Informationsübergabe vom Bau zum Betrieb. Wie wäre es, wenn das demnächst schon in der Planungsarbeit des Architekten Eingang findet? Wer den Betrieb nicht plant, kann auch kein funktionierendes Gebäude planen. Es ist sicher richtig – nicht nur bei der Vielzahl der Um- statt Neubauten – mit Überlegungen und Informationen zum zukünftigen Betrieb des Gebäudes anzufangen. Schließlich ist der Lebenszyklus ein Kreis, der an jeder Stelle betreten werden kann. Es werden wohl neue Funktionen, Aufgaben und Berufsbilder entstehen – wie das immer zwangsläufig ist bei einem Paradigmenwechsel.

Um Informationsmanagement vom gängigen Projektmanagement abzugrenzen, hilft es, zunächst nur Informationen und damit verbundene Prozesse als solche zu betrachten. So sagt die ISO 19650 ganz deutlich, dass eine Vereinbarung, Information auszutauschen, auch ohne Vertragsformalität getroffen werden kann. Wichtig ist allerdings, dass die Beteiligten, der Informationsanforderer und der Informationslieferant, sich an grundlegende Regeln halten. Überhaupt sollten einem Informationsaustausch immer eine Anforderung und eine dazu entsprechende Lieferleistung zu Grunde liegen. Werden diese einfachen Regeln weiter „gesponnen“, führen sie zu einem strukturierten Informationsmanagement.

Definition der Management-Ebene

In Teil 1 der ISO 19650 werden auf verschiedenen Management-Ebenen Begriffe wie Informations-Model, Informations-Anforderung und Informations-Leistung definiert. Allein schon um demnächst eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Eine stringente Begriffs- und Prozesstreue zeigt schnell wohltuende Wirkung. Die ISO 19650 Teil 1 definiert und erläutert die neuen Begrifflichkeiten. Informationsaustauschanforderung (in der PAS 1192 noch „Employers Information Requirement“ – EIR genannt) und der BIM Execution Plan (BEP) werden hier erstmals eingeführt. Diese Werkzeuge sind als „living documents“ zu verstehen, unterliegen also im Fortgang des Lebenszyklus ständiger Anpassungsarbeit. Informationsaustausch muss planmäßig erfolgen, ergo sind Pläne, die konkret aussagen, wie, wodurch, womit und wann Information bereitgestellt wird unerlässlich – sowohl im Groben wie im Detail (im englischen Original genannt „Master“- und „Task-Information-Delivery-Plan“, MIDP/TIDP). Damit die sonst üblichen Medienbrüche vermieden werden, wird eine Gemeinsame Datenumgebung („Common Data Environment“ – CDE) gefordert. Diese wird zuerst und grundlegend eingerichtet.

Definition der Projektphase

Teil 2 der ISO 19650 beschreibt die Prozesse in der Phase des Planens und Bauens, der sogenannten Projektphase. Als „Code of Practice“ hat dieser grundsätzlich empfehlenden Charakter. Das war insbesondere Deutschland, Österreich und der Schweiz wichtig und wird ausdrücklich anfangs betont. Für kleinere Bauvorhaben und bei flachen Personalstrukturen sind nicht alle aufgezählten Prozessschritte im Detail notwendig, aber eine grundsätzliche Erwägung ist immer angebracht.

Insbesondere der 2. Teil der ISO 19650 hat wegen seines zuerst verbindlichen Ductus Protest im deutschen Lager hervorgerufen. Inzwischen ist diese „Gefahr“ entschärft. Trotzdem bleibt für jeden von uns Beteiligten die Aufgabe bestehen, das Informationsmanagement in seinem Bereich zu verbessern und zu professionalisieren. Die Digitalisierung wird das Bauwesen wesentlich verändern! Doch was ist ein Tun ohne ein gutes Management? Sicherlich kann die ISO 19650 – bei all ihrer Abstraktheit und mit all ihren neuen und ungewohnten Begrifflichkeiten – dazu beitragen, dass das, was wir in Zukunft als Information geben und verlangen, zu einem effizienten Bauwesen beiträgt.

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