Dem Zweck die Mittel

meck architekten überzeugen mit zwei Kirchenneubauten

meck architekten haben mit den beiden Bauten Kirche St. Nikolaus und Dominikuszentrum unterschiedliche Räume geschaffen. Einen zur Kontemplation und einen weltlichen.

Es ist natürlich Quatsch, zu behaupten, diese oder jene Kirche sei nun wirklich einer der letzten Kirchenneubau-ten. Der Blick auf vermehrte Kirchenaustritte, Kirchenabrisse oder Kirchenumbauten will solches dem suggerieren, dem der Kirchenbau eine seit ewig abgeschlossene und nur noch in wenigen Fortsetzungen weitergeschriebene Geschichte ist. Doch ganz im Gegenteil und sinngemäß der Feststellung folgend, dass Todgesagte länger leben, haben wir gerade in den letzten Jahren die Weihung wunderbarer und die Liturgie neuinterpretierender Kirchenbauten erleben dürfen. Und nicht nur in Deutschland, hier aber auch.

Kirche St. Nikolaus und Dominikuszentrum von meck architekten
Zwei solcher vorgenannter Sakralbauten kommen aktuell aus dem Münchener Büro meck architekten. Der eine, die am 19. Oktober geweihte Kirche St. Nikolaus, wurde am 19. Oktober 2008 durch Erzbischof Reinhard Marx im 30 km entfernten Neuried geweiht. Der andere ist eine bereits im Juli fertiggestellte Kapelle, integraler Teil des Dominikuszentrums im Norden Münchens, in der Neubausiedlung Nordheide. Das städtebauliche Konzept dieses Stadtteils mit langgestreckter Reihenbebauung stammt von den Architekten Engel und Jötten sowie dem Landschaftsarchitekturbüro Fink und Prechter. Das Dominikuszentrum am Hildegard-von-Bingen-Anger stellt dort gewissermaßen den Abschluss der Siedlungsrealisierung dar: Als Fluchtpunkt einer Gründiagonale markiert es trotz aller Randlage zum Neubauviertel den zentralen Gelenkpunkt.

Auf den ersten Blick scheinen sich beide zu gleichen: Das Pfarrzentrum in Neuried wirkt ebenso wie das geistliche Zentrum in Nordheide wie aus einem Block geschnitten. Höhlungen, Durchbrüche, Volumenversprünge erinnern an das plastische Arbeiten der großen deutschen Architektenfamilie Böhm, die – wie Meck es auch tat – ihre Suche nach der hochverdichteten Form schließlich in Bronze gossen. Doch auch wenn hier aus einer Grundhaltung und einer gemeinsamen Entwicklungszeit (2003) heraus zwei Raumskulpturen geschaffen wurden, sind sie in ihrer Weiterentwicklung gänzlich verschiedene Bauten geworden, ein genauerer Blick auf Umstände und Anforderungen, auf Implementierung und Funktion zeigt das.

Die St. Nikolaus Kirche
Das Pfarrzentrum in Neuried, eine Direktvergabe, konnte beinahe autonom auf der grünen Wiese entwickelt werden. Als klassische Kirchbauaufgabe interpretiert, formten die Architekten Pfarrsaal, Kirchenraum und Nebenräume so, dass sie einen Hof zwischen sich nehmen, in welchem zwei kleine Bäume die konzentrierte Stimmung kaum stören. In den Hof, von welchem aus die Kirche beispielsweise zu betreten ist, gelangt man lediglich durch einen Durchgang.

Das Dominikuszentrum
Ganz anders das Dominikuszentrum. Ergebnis eines geladenen Wettbewerbs, artikuliert es ebenfalls Dichte, Geschlossenheit und Konzentration, doch der Bauherr, die Katholische Kirchenstiftung St. Gertrud, wollte etwas gänzlich anderes als ein Pfarrzentrum. Das so genannte „Subzentrum mit Diözesanjugendstelle und Caritaszentrum“ sollte im nächsten Umfeld der problematischen 1960er-Jahre-Großsiedlung Hasenbergl eher allgemeinere soziale, vielleicht seelsorgerische Funktion haben. Sollte so etwas wie ein Fixpunkt werden im haltlos erscheinenden Mulitkulti des lebendigen Mit- und Durcheinanders hier oben im Norden. Entsprechend formten die Architekten Offenheit trotz klarer baulicher Grenzen und Durchlässigkeit im geschützten öffentlichen (Hof)Raum. Dabei haben sie nicht aus den Augen verloren, dass ihr Auftraggeber die katholische Kirche ist, also wurden Zeichen gesetzt. Und dürfen auch weit hinaus leuchten wie das ganzfens­trige „credo in unum deum“ auf dem Kapellenoberlicht von Andreas Horlitz, München.

Oder die 300 Bronzekreuze, die in Dreiergruppen in die Ziegelfassade der Kapelle innen und außen eingemauert wurden und nur bei bestimmten Ansichten als Kreuze sichtbar werden. Einen in die Höhe strebenden Kirchturm sucht man hier, wie allerdings auch in Neuried, vergeblich.

Weltlicher vs. kontemplativer Raum
Kann man, darf man die beiden Architekturen vergleichen? Das, was sich aufdrängt, die Großform, das skulpturale Arbeiten, verlangt danach. Das Torfbrandklinkerkleid, in welches sich beide hüllen und durch welches beide sich als etwas Singuläres dem Umfeld gegenüber geben, spricht für die Berechtigung einer Frage nach einem gemeinsamen Ursprung, die Ambiguität der archaischen Form, aber auch die Behandlung des Andachts- beziehungsweise des Kirchenraums wollen den Vergleich; nicht den subtrahierenden, den der Überlappung, nicht den, der nach Schnittmengendifferenz strebt. Denn gerade in der Nebeneinander- wie Gegenüberstellung der beiden sakralen Räume – hier die Kirche, dort der Andachtsraum – schlüsselt sich der Kern des jeweiligen Entwurfs auf: Beide haben – unterschiedlich große – Räume, die vom Licht leben, vom uralten transzendenten Stoff. An sich geschlossen, also ohne Ausblick außer dem in den Himmel, saugen beide das gewordene und immer wieder werdende Licht von eben dorther: aus dem Himmel. In der Kirche St. Nikolaus in Neuried wurde dem Licht die natürliche Farbe und all seine mögliche Weichheit gelassen. In der Kapelle des Dominikuszen­trums muss es sich auf der blau lasierten Ziegelwand härten lassen (die kräftige Raumfassung „raumikone 2“ stammt von der Künstlerin Anna Leonie, München). So wird das seelsorgerische Zentrum im Norden der Stadt weltlicher als die Kirchenanlage vor den Stadttoren im Westen. In Neuried ist der nach goldenem Schnitt entwickelte Andachtsraum für eine mittelgroße Gemeinde die Kirche, zu welcher sich ein imaginärer, in Teilen verglaster Kreuzgang gesellt. Im Dominikuszentrum ist der ebenfalls nach goldenem Schnitt konzipierte Raum mit leichten Achsverschiebungen dagegen ein höchst kontemplativer Ort inmitten suburbaner Geschäftigkeit und kinderstimmenlauter, internationaler Hofmusik. Dass beide einem sakralen Pathos allein über die hinzugezogenen Künstler und ihre Arbeiten in großzügiger Haltung die Hand reichen, unterstreicht die Selbstbewusstheit der Architekten, die ihren Bauten das Raumpotential mit auf den Weg gaben, welches sie zur überalltäglichen Architektur macht. Und damit ist es vielleicht doch nicht Quatsch, das eingangs Bezweifelte zu behaupten. Be. K.

Weitere Informationen auf der Bauherrenseite  unter www.erzbistum-muenchen.de, „Bilder“, oder www.meck-architekten.de

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