Der weiße Pfeil
Erweiterung Messeeingang in Nürnberg
Ein dynamisch wachsender Messestandort erfreut Wirtschaftförderung und Messegesellschaft, ist aber nicht immer zum Wohle des Erscheinungsbildes: In der steten Folge von Umbauten und Erweiterungen ging bei vielen Messestandorten im Laufe der Jahre jedwede städtebauliche Kontur verloren. So auch hier bei der NürnbergMesse. Hier war besonders der Haupteingang nach zahlreichen Umbauten nicht mehr zu erkennen und führte zudem in ein unübersichtliches Entrée.
KadaWittfeld Architekten aus Aachen gewannen den 2007 von der Messegesellschaft ausgelobten Wettbewerb zur Neugestaltung der Eingangszone, die 2010 abgeschlossen wurde. Außerdem entstanden ein Konferenzsaal für 1 000 Personen, ein neues Foyer und die den Eingang flankierenden Gebäude erhielten neue Fassaden. Jedoch erkannten die Architekten, dass die Neuordnung des Messeeingangs nicht durch weitere additive Bausteine und punktuelle
Eingriffe zu leisten ist. Notwendig war ein Element, das unabhängig von allen schon bestehenden Gebäuden ist und diese zugleich verbindet. Also entwickelten sie ein 250 m langes und 57 m breites Lamellendach, das in 18 m Höhe über dem Hauptfoyer und den zentralen Einrichtungen der Messe Nürnberg schwebt.
Der 1 500 t schwere Baldachin aus weißen Aluminiumschwertern hat die Form eines gestreckten Rechtecks, das sich jedoch zum Messevorplatz einseitig zum Keil verjüngt und in einer scharfkantigen Spitze endet. Dieses „Superzeichen“, wie es die Architekten nennen, erfüllt mehrere Funktionen: Es bindet die verschiedenen Bauten der Messe in eine zentrale Achse ein, markiert wirkungsvoll den Haupteingang, verbindet Innen- und Außenräume und definiert dabei am zentralsten Punkt ein „urbanes Foyer“ durch das die Besucher vom Vorplatz in die angrenzenden Hallen geleitet werden. Die Messe erhielt ein neues Rückgrat, ein leichtfüßiges Bauwerk, das den Vorplatz mit dem im Zentrum des Geländes gelegenen Messepark verbindet.
Konstruktiv gedacht
Doch ging es den Architekten nicht nur um größtmögliche räumliche Präsenz, und so besitzt das Lamellendach konstruktive Raffinesse: Während die 2,5 m hohen Lamellen dem geschlossenen Hauptfoyer und dem Eingang senkrecht stehen, kippen sie auf halber Strecke, ab der 47. Lamelle, nach vorne – um 4 Grad je Lamelle, so dass die letzte Lamelle vollständig in die Waagerechte gelegt ist. 12 Schleuderbetonstützen tragen die Konstruktion – angeordnet in zwei Achsen, aber nicht als parallele Paare. Trotz eines Durchmessers von 1,70 m am Fußpunkt und 1,10 am oberen Ende wirken die Stützen zu massiv. Ein Hohlraum in ihrem Kern nimmt Elektrik, Wasserablauf und Luftdruckleitungen auf. Auf ihren Köpfen ruhen zwei 3 m hohe Stahl-Fachwerkträger mit Hohlkastenprofilen. Sie tragen die 65 Aluminium-Schwerter, in deren Zwischenräumen vier Meter breite EFTE-Luftkissen aus lichtdurchlässiger Folie eingefügt wurden – sie bilden das Dach. Ein doppelt abgesichertes Druckluftsystem stellt sicher, dass in den zweilagigen, UV-beständigen Kissen gleich bleibender Luftdruck herrscht. Im Bereich des Hauptfoyers sind die Anschlüsse zwischen Luftkissen und Konstruktion wärmegedämmt ausgefüh zudem ist die Kissenoberseite mit einem Punktraster bedruckt, das als Sonnenschutz dient. Bei der Planung der tragenden Hohlkastenprofile war die Last- und temperaturbedingte Verformung innerhalb der gesamten Konstruktion zu berücksichtigen. Daher führte man einige Verbindungen zwischen den Trägerabschnitten als „gleitende Anschlüsse“ aus- sie sind mit einer Bewegungstoleranz von bis zu 10 cm ineinander geschoben. An diesen „ Schiebepunkten“ minimieren Keramikauflager den Materialverschleiß. Am stumpfen Ende des Dachs, wo das Foyer an den Messepark grenzt, schließt eine Lamelle direkt an die Glasfassade der Halle an. Diese Fassade war an Fußpunkt und Oberkante so zu konstruieren, dass sie sich mit der Dachkonstruktion bis zu 10 cm verschieben kann. Die Architekten entwickelten dafür eine gleitende Konstruktion, die allen Anforderungen hinsichtlich Dichtigkeit und Stabilität genügt. Frank Peter Jäger, Berlin