Deutscher Nachhaltigkeitspreis 2015
„Man muss sich darum bemühen und kluge Dinge dafür tun.“
Das Plusenergiehaus CUBITY, der Energiebunker in Hamburg-Wilhelmsburg und ein generalsaniertes Wohnhochhaus im Schwarzwald sind nominiert für den DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“. Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis e.V. und die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. vergeben die renommierte Auszeichnung in diesem Jahr zum dritten Mal. Am 27. November findet die Preisverleihung im Rahmen des 8. Deutschen Nachhaltigkeitstages in Düsseldorf statt. Mit den Jurymitgliedern Martin Haas, DGNB Vizepräsident, Geschäftsführer, haas cook zemmrich STUDIO2050, und Amandus Sattler, DGNB Präsidiumsmitglied, Geschäftsführender Gesellschafter bei Allmann Sattler Wappner Architekten, sprachen wir Anfang Oktober in München über Nachhaltigkeit, den Mehrwert Ästhetik und die Projekte zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2015.
Der DGNB Preis „Nachhaltiges Bauen“ zeichnet herausragende und beispielhafte Leistungen der Architektur aus, deren Qualität sich über die Nachhaltigkeit hinaus insbesondere in einem hohen ästhetischen Anspruch sowie in innovativen Lösungsansätzen zeigt. Was war euch bei den 87 eingereichten Projekten zur Bewertung der Nachhaltigkeit wichtig?
Martin Haas: Es ist unser Anspruch, Gebäude zu nominieren und letztlich auch auszuzeichnen, bei denen neben einer sinnvollen energetischen Konzeption auch ein baukultureller Beitrag geleistet wurde. Die Bauaufgabe sollte im Idealfall innovativ sein, neue Wege aufzeigen und Beispiel geben. Was die Nachhaltigkeit angeht, ist es keine Voraussetzung, dass die Gebäude eine DGNB Zertifizierung vorweisen. Aber die Ideen, die hinter dem DGNB System stecken und Nachhaltiges Bauen fassbar machen, müssen in der Gebäudekonzeption und -umsetzung adressiert sein.
Warum spielt die Frage nach der Baukultur eine so große Rolle?
Amandus Sattler: Jedes Gebäude steht in einem städtebaulichen Kontext. In diesem Sinne hat der Bauherr eine große Verantwortung der Gesellschaft gegenüber. Es sollte sein Anspruch sein, immer auch einen baukulturellen Beitrag zu leisten. Man muss sich darum bemühen und kluge Dinge dafür tun. Deshalb ist uns dieser Aspekt bei der Auswahl der Nominierten so wichtig. Es geht darum, für das jeweilige Gebäude innovative Lösungen zu finden, die dem Gebäudekonzept und dem urbanen Kontext angemessen sind.
Was ist ganz grundsätzlich das Wichtigste an diesem Preis?
Martin Haas: Es ist der Deutsche Nachhaltigkeitspreis. Allein schon der Name verleiht dem Preis Gewicht und hebt die große Repräsentationsfunktion des Gewinners hervor. Der Preis ist eingebettet in eine Vielzahl anderer Kategorien, so dass nicht nur ein architekturaffines Publikum davon erfährt, sondern eine viel breitere Öffentlichkeit die ausgezeichneten Projekte sehen wird. Wir wollen mit dem Preis dazu anregen, einerseits mit Mut neue und bisher unbekannte Wege zu probieren und andererseits bei aller technischen Raffinesse nie die architektonische Qualität eines Projektes aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, vorbildhafte bauliche Lösungen für aktuell dringliche Herausforderungen unserer Gesellschaft aufzuzeigen.
In diesem Jahr wurden sehr verschiedene Projekte eingereicht, immerhin doppelt so viele wie im letzten Jahr. Was hat euch bei der Entscheidung, bei der Auswahl der Projekte geleitet?
Martin Haas: Wir haben nicht nur mit Blick auf die Quantität der Einreichungen einen echten Sprung erlebt. Auch qualitativ haben wir im jetzt dritten Jahr einen weiteren großen Schritt nach vorne gemacht, der uns zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Preis bekommt mehr und mehr die Wahrnehmung und Resonanz, die er und vor allem auch die ausgezeichneten Gewinner verdienen. Für uns als Jury hat das die Arbeit natürlich nicht leichter gemacht, auch weil wir eine große Vielfalt an Projekttypologien dabei hatten. Wir konnten daher die Projekte nicht untereinander vergleichen, sondern mussten jede Einreichung individuell bewerten.
Amandus Sattler: Insgesamt hatten viele einen sehr guten Standard. Man muss aber beachten, dass der Deutsche Nachhaltigkeitspreis für viele auch ein erster Versuch ist, einmal ein Projekt einzureichen bei einem Architekturpreis. Bei den Einreichungen sind daher auch einige dabei, die wir aufgrund der hohen Anforderungen und Erwartungen an diesen Preis aussortieren müssen. In diesem wie in den letzten Jahren bleibt aber immer eine gewisse Zahl von Arbeiten übrig, die sinnstiftend sind – Arbeiten, die auch relevante Themen unserer Zeit behandeln. Wie schon gesagt, müssen wir bei der Auswahl immer berücksichtigen, dass wir ja ein Projekt hervorheben, das eine besondere gesellschaftliche und politische Bedeutung darstellen muss. Da haben wir auch eine besondere Verantwortung, hier Beispielhaftes auszuwählen. Das hat sonst keine breite Tragfähigkeit, die es unbedingt braucht. Genau das war der Fall bei den drei Nominierten, die noch im Rennen um den Deutschen Nachhaltigkeitspreis sind: den eindrucksvollen Energiebunker in Hamburg-Wilhelmsburg, das generalsanierte und aufgestockte Wohnhochhaus in Pforzheim und das Studentenwohnprojekt CUBITY, das sich dem Thema temporäres Wohnen auf überzeugende Weise nähert.
Haben die Architekten den Preis auch so verstanden, dass es wichtig ist, dass neben der Nachhaltigkeit und der Innovation auch die Architektur eine besondere Rolle spielt?
Martin Haas: Letztendlich ist es ein Architekturpreis. Die architektonische Qualität ist daher bei der Bewertung ein zentrales Kriterium für uns als Jury. Wir beurteilen die Einbindung in das städtebauliche Umfeld, den Umgang mit Materialien, die Angemessenheit der Bauaufgabe und natürlich auch den Eindruck, den das Gebäude bei dem Betrachter und Besucher erweckt. Wenn ein Gebäude dann noch Innovationen aufzeigt, welche vorbildhaft werden könnten, ist ein großes Ziel erreicht. Dabei kann eine ungewöhnliche Mischung von Funktionen, aus denen Synergien erwachsen, genauso innovativ sein wie die unsichtbare Solarthermie in der Wand.
Wir müssen doch sicher nach wie vor daran arbeiten, dass Nachhaltigkeit sich nicht nur auf Energieeffizienz fokussiert, sondern einen ganzheitlichen Ansatz hat, vor allem aber auch eine gestalterische Qualität erfordert?
Amandus Sattler: Das ist so. Wir haben bei den Einreichungen sogar Fotos von Heizungsanlagen bekommen. Aber ich habe da einen tragfähigen Satz seit der Biennale 2014 in Venedig, den der Dänische Pavillon produziert hat: „Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit muss die Ästhetik der Komplementär zur Technik werden“. Unsere Nachhaltigkeit haben wir in den letzten Jahren sehr stark auf Technik ausgerichtet, weil wir wussten, wie man das verbessern kann, wie man optimierte Werte erzielen kann, das konnte man messen und auch nachweisen. Etwa seit letztem Jahr gibt es den Wendepunkt, das man sagen kann, wir sind schon ziemlich weit gekommen. Wir haben die drei Säulen in der Nachhaltigkeit, Ästhetik muss jetzt die vierte werden. Das muss ernst genommen werden. Nachhaltigkeit braucht eine sinnliche Wahrnehmung. Das ist auch eine tolle Chance, mit neuen Baustoffen und Bautechniken ein nachhaltiges Gebäude zu bauen und damit eine neue Ästhetik zu entwickeln.
Martin Haas: Genau da setzen wir jetzt gezielt mit der DGNB an. Wir haben gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer, unter fachlicher Begleitung des BDA und mit Unterstützung vieler weiterer Experten eine gemeinsame Lösung entwickelt, wie wir die gestalterische und baukulturelle Qualität von Gebäuden bewerten können als Ergänzung zum bestehenden DGNB Zertifizierungssystem, das rein auf quantitativ messbaren Faktoren beruht. Die Pilotphase hierfür läuft gerade. Dabei geht es uns nicht allein um eine zusätzliche Auszeichnung von fertiggestellten Objekten, sondern auch um Impulse zu einer sehr frühen Planungsphase in Form von Handlungsempfehlungen. Unsere wichtigste Botschaft bei all dem ist, dass zu einer ganzheitlichen Nachhaltigkeit immer auch die Gestaltung und Baukultur gehören. So wie es ja auch die Projekte vormachen, die wir beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis prämieren.
Das Gespräch führte Burkhard Fröhlich am 6. Oktober 2015 in München