Die FroschköniginIrritierendes Spiel mit innen und außen
Ein Kubus in der Landschaft. Wie ein großer Bauklotz steht er als Solitär inmitten steiermärkischen Grüns. Eher wie ein dreidimensionaler Tetris-Stein, denn von weitem erscheint er als gerastertes Graustufenbild. Eine verpixelte Makroaufnahme, bis zu Undefinierbarkeit herangezoomt, die jegliche Aussage in Bezug auf Maßstab, Richtung, geschweige denn Nutzung unmöglich macht – das zieht in den Bann.
Nähert man sich dem Gebäude, löst sich die Rasterung auf. Die grauen Flächen zeigen abstrahierte Zahnräder, die als klassische, fast florale Ornamente die Fassade aus pulverbeschichteten Aluminiumpaneelen schmücken. Eine erste Andeutung aufs Innenleben. Denn hier geht es nicht um eine Kunsthalle, der Würfel ist das Headquarter von Prisma Engineering, hier werden Motoren entwickelt und gestestet.
Schwierige Aufgabe – Einfache Lösung
Der Bauherr hatte eine genaue Vorstellung, wie der neue Firmensitz zu sein hat. Eine klare geometrische Form sollte er haben. Energiesparend sollte er selbstverständlich sein. Eine Prüf- und Messhalle musste untergebracht werden, dazu Computerarbeitsplätze, aber bitte nicht als Großraumbüros. Ach, und um es noch einmal zu erwähnen: energieeffizient, auch langfristig. Das Architektenteam von Splitterwerk entschied sich für einen Kubus mit einer Seitenlänge von 18,125 x 18,125 m und 17 m Höhe. Um die Energieeffizienz zu optimieren, wurde die Wärmedämmung maximiert und die Fensterfläche minimiert.
Problem Industriespionage
Die Prüfhalle wurde im Erdgeschoss untergebracht, das erscheint logisch. Doch in dieser Branche besteht das Problem der Industriespionage, also Prüfhalle unten ja, aber bitte mit der Abgeschiedenheit eines Penthouses. Da ging das Prinzip der Minimierung der Fensterfläche doppelt auf. Türen, Tore und Fenster werden in der Diffusität der Fassade versteckt. Um die Geheimhaltung zu wahren, werden Besucher am Erdgeschoss vorbeigelotst. Hat man es nach der Sicherheitskontrolle auf das Areal geschafft, öffnet sich wie von Zauberhand ein Stück Fassade und führt ihn ohne Umschweife in einen Fahrstuhl. Innen vollständig verspiegelt, verliert man sich hier in einem unendlichen Raum ohne Richtung. Doch es muss kein beklemmendes Gefühl aufkommen: Die Spiegel sind bedruckt mit Bildern von Frauen, Männern und Kindern. Man hört Musik, der Raum bewegt sich. Automatisch gelangt man ins erste Obergeschoss, in das Foyer.
Innenraumkonzeption
Der Empfangsraum ist als dreigeschossiges, geschlossenes Atrium ausgebildet und erhält von oben, durch wenige Einzelglasflächen, Tageslicht. Die Architekten schaffen es, das Atrium nicht als eine Höhle mit Kunstlicht, sondern als taghellen Raum erscheinen zu lassen. Das Rezept dafür: Sämtliche Oberflächen – Boden, Decke, Wände und Brüstungen – sind mit in Epoxidharz eingeblasenen Silberchips und abschließender PUR-Versiegelung1 beschichtet. Trotz energiekonzeptbedingter Minimierung der Belichtungsflächen werden die ankommenden Lichtstrahlen von den Silberchips so geschickt reflektiert, dass der Raum natürlich belichtet wird.
Die Türen, die vom Atrium abgehen, eröffnen neue Mikrosphären. Größer könnte der Kontrast nicht sein. Eben noch in eine homogene, warmweiße Umgebung gehüllt, hat man nun das Gefühl, eine Tür in die freie Natur aufgestoßen zu haben. Ein bisschen wie das Kaninchenloch bei Alice im Wunderland. Jede Tür führt in eine andere Welt. Großformatige Bildinstallationen von Landschaften der Oststeiermark, der Heimat des Firmengründers, schmücken die Außenwände der Räume. Die vollflächige Tapezierung mit Naturmotiven erzeugt Irritation, im positiven Sinne. In diesem Modus werden die Fenster zu Bildern an der Wand. Die reale äußere Umgebung wird in den Fensterausschnitten wie gerahmt abgebildet. Eine zweite Ebene von Landschaft. Erneut das Spiel mit dem Maßstab, die Räume erhalten durch die Fotos eine undefinierbare Tiefe und Größe. Dabei sind die Funktions- und Büroräume in ihrer Nutz- und Fensterfläche auf das Minimum reduziert. Das erforderliche Mindestmaß wurde auf mehrere Einzelöffnungen aufgeteilt, um möglichst viele unterschiedliche Blickrichtungen einzufangen; und zwar im Sitzen und im Stehen.
Die Herangehensweise klingt pragmatisch, form follows function, der oft zitierte Spruch könnte passen, wenn ... ja wenn man nicht das gebaute Ergebnis vor Augen hätte. Die Details machen eben doch den Unterschied. Und man kann daraus lernen, dass nicht nur die Form, sondern auch die Farbe und die Oberfläche den entscheidenden Ausschlag geben können. Man sollte den üblichen Materialkatalog ab und zu mal beiseite lassen und nach Neuem Ausschau halten, denn dann kann Folgendes geschehen: Wände werden Landschaften. Landschaften werden Bilder. Außenräume werden Innenräume und reale Räume werden zu virtuellen. SG
1 Bei einer PUR-Versiegelung handelt es sich um eine hochflexible, wasserfeste Polyurethan-Versiegelung. Es ergeben sich äußerst abriebfeste, elastische und verschleißfeste Beschichtungen mit hoher Licht- und Wetterbeständigkeit
Objekt: Frog Queen
Standort: Graz, Österreich
Architekten: Splitterwerk,
www.splitterwerk.at
Projektteam: Irene Berto, Mark Blaschitz, Erika Brunnermayer, Marius
Ellwanger, Hannes Freiszmuth, Johann Grabner, Edith Hemmrich, Ute Himmelberg, Bernhard Kargl, Benjamin Nejedly, Josef Roschitz, Maik Rost, Ingrid Somitsch
Bauherr: Prisma Engineering GmbH, Dipl.-Ing. Ernst Gschweitl,
www.prismaengineering.com
Fertigstellung: August 2007
Bauleitung: Ingenos Ziviltechniker GmbH, Robert Lichtenegger
Statik: Werkraum Wien, Peter Bauer, David Lemp
Gebäudetechnik: Rudolf Sonnek
Heizung/Lüftung: Guenter Grabner
Bauphysik: Dr. Tomberger ZT GesmbH, Hannes Veitsberger
Elektroplanung: Erich Watzke and
Moskon & Busz GmbH, Rudolf Busz
Möbel: Blaha, www.blaha.co.at
Tapetendruck auf Vlies:
Varistyle, www.varistyle.de
Druck Glastüren/Spiegel:
Iglass, www.glastech.at
Innenbeschichtungen mit Silberchips-Einstreuung: Sikkens,
www.sikkens.de
Alu-Fassadentafeln mit Siebdruck: Hauser, Köflach/A
Nettogrundfläche: 1 060 m²
Brutto-Geschossfläche: 1 400 m²
Brutto-Rauminhalt: 5 535,5 m³