Ein Theater (beinahe) ganz aus Holz
Globe Theater,
Condette/FR

Architekt Andrew Todd hat im Auftrag des Rats des Departements von Pas-de-Calais (Conseil Départemental du Pas-de-Calais) für das alljährlich auf dem Gelände des Château d’Hardelot stattfindende „Midsummer Festival” ein Shakespeare-Theater entworfen, das fast ausschließlich aus Holz gebaut ist und eine innovative Holzbautechnik in sich birgt.

 „The Globe“ ist ein zylinderförmiges Theater. Das erste Mal gebaut 1599 am Südufer der Themse aus überwiegend wiederverwertbarem Massivholz, um Shakespeare-Stücke aufzuführen, stand es Pate für weitere Gebäude in Argentinien, Japan, den Vereinigten Staaten oder auch Deutschland. Seit Mai 2016 hat auch Frankreich ein Globe Theater.

Das Architekturbüro Studio Andrew Todd konnte sich in einem zweistufigen, international ausgeschriebenen Wettbewerb mit seinem Projekt durchsetzen.

Eine Wettbewerbsauflage des Architectes des bâtiments de France (ABF) war eine Fassade aus unbehandeltem Holz. Die ABF ist die oberste französische Aufsichtsinstanz, die bei (Um-)Bauvorhaben von unter Denkmalschutz stehenden Bauwerken hinzugezogen wird. Mit der Vorgabe wollte sie sicherstellen, dass sich das Gebäude durch die natürliche, witterungsbedingte Vergrauung des Holzes an das denkmalgeschützte Schloss Château d’Hardelot visuell anpasst und sich gut in dessen Parkanlage integriert. Hinter der Realisierung des Projekts stand der Wunsch des Bauherrn, dem jährlich stattfindenden Theaterfestival eine bleibende Heimat zu geben.

Idee Holzbau

Das Studio Andrew Todd bewarb sich bereits im Wettbewerb gemeinsam mit dem Tragwerksplaner LM Ingénieur. Das Ingenieurbüro ist neben dem Tragwerk für die Bauphysik, die Haustechnik und für die natürliche Belüftung verantwortlich. Die Zusammenarbeit der beiden Büros begann bereits bei einem unrealisierten, aus Holz gefertigten, runden Theaterprojekt für die Stadt Ris-Orangis/FR. Auf diese Erfahrungen konnten Architekt und Ingenieur in Hardelot zurückgreifen.

Andrew Todd, Gründer des Architekturbüros Studio Andrew Todd, wollte jedoch nicht nur ein Gebäude mit einer Holzfassade bauen, sondern auch die Haupttragstruktur aus Holz realisieren. Zusätzlich wollte er ein Theatergebäude, dessen Grundriss tatsächlich rund ist. Hierfür gebogene Brettsperrholzplatten zu verwenden, war eine Grundentscheidung, die nach Gesprächen mit mehreren Herstellern bereits im Wettbewerb getroffen wurde. Nicht zuletzt wollte er auch erstmals in einem Gebäude dieser Größenordnung eine natürliche Belüftung realisieren.

Kompaktheit des Gebäudes

Die Grundform des Gebäudes entstand durch die Reduzierung der Volumen auf das notwendige Minimum der geforderten und notwendigen Flächen. Im Zentrum des Theaters befinden sich der Zuschauerraum und die Bühne, umfasst von Gängen, Treppenanlagen, dem Backstage und dem Foyer. Um den visuellen Eingriff im bestehenden Park so klein wie möglich zu halten, galt es, ein kompaktes Theater für 400 Zuschauerplätze zu bauen. „Wir haben das Theater wie eine massive Holzskulptur behandelt, die ausgehöhlt, geformt und eingeschnitten wurde“, sagt Andrew Todd.

Die Holzkonstruktion ist mit Elementen aus verzinktem Stahl verbunden. Dadurch konnten die Träger der Balko-ne sowie die konstruktiven Knoten und Anschlusspunkte der Balkongeländer aus Holz klein gehalten werden. Nicht zuletzt konnten dadurch auch die Dachtragkon-struktion sowie alle Brücken und Stege für die Technik im Dachbereich filigran ausgeführt werden. Der Schirm aus selbsttragenden, natürlich gekrümmten Bambusstäben ist filigran, schlank und scheinbar in der Luft schwebend. Der Architekt entschied sich für Bambus, da die Querschnitte der Stäbe in Stahl oder Holz zu groß geworden wären.

Tragstruktur Holz

Dem Planungsteam standen für die Ausarbeitung des Entwurfs, die Detailplanung und die Vorbereitung der Ausschreibung nur vier Monate zur Verfügung. Deswegen konnten trotz vorgefertigter Holzelemente viele Fragen und Details erst vor Ort geklärt werden.

Eine tragwerkstechnische Herausforderung bestand in der gleichmäßigen Verteilung und Abtragung der Lasten vom Oberbau aus Holz ins Untergeschoss aus Stahlbeton und der Anordnung der notwendigen, statischen Wände und Stützen zwischen den verschiedenen Räumen im Untergeschoss.

In dem vollständig unter der Erde liegenden Untergeschoss sind Garderoben, Sanitäranlagen, Lager, sowie mehrere Technikräume untergebracht. Aufgrund der natürlichen Belüftung unter dem untersten Zuschauerrang wurden die tragenden Holzplatten auf einer Stahlstruktur auf der Rohdecke des Untergeschosses montiert.

Zur Berechnung des Tragwerks und der Einflüsse von Vertikal- und Horizontalkräften auf die Gebäudestruktur arbeitete Laurent Mouly mit einem Annäherungsverfahren mittels ebenen Platten, wohlwissend, dass die statischen Eigenschaften und die Formstabilität von gebogenen Platten besser geeignet sind. Denn gebogene Platten sorgen für eine homogene Lastenverteilung. Für die Holztragstruktur wurden dann auch zwei Plattenstärken mit insgesamt sechs verschiedenen Radien zwischen 8,3 und 13,7 m verwendet. Bei den gebogenen und unterschiedlich hohen, 5-schichtigen Brettsperrholzplatten aus überwiegend Fichtenholz wurden 190 mm starke Platten für alle Wände und Böden verwendet, im Bühnenbereich Platten mit einer Stärke von 160 mm.

Natürliche Belüftung

Das Theater ist das erste öffentliche Gebäude Frankreichs dieser Größenordnung mit einer natürlichen Belüftung. Architekt Andrew Todd wollte zeigen, dass es möglich ist, ein Theater natürlich zu belüften und dass die natürliche Belüftung zu einer erheblichen Kosteneinsparung sowohl in der Ausführung als auch im Betrieb führt. Die natürliche Belüftung eines Gebäudes muss von Beginn der Planung an bereits berücksichtigt werden, da sie ein beachtliches Negativvolumen mit sich bringt.

Sie funktioniert grundsätzlich bei Luftdruckdifferenzen von nur wenigen Pascal, weswegen die Bewertung von Über- und Unterdruck an den Lufteinlässen im Sockel des Gebäudes und der Luftauslässe im Dachbereich essentiell ist. Die Luftzufuhr erfolgt durch ein Kanalsystem im Plenum des Zuschauerraums unter dem untersten Zuschauerrang und unter der Bühne, während die Abluft über Öffnungen im Dachbereich geregelt ist.

Um letztere trotz der unregelmäßigen und sich ständig drehenden Winde aus verschiedenen Himmelsrichtungen garantieren zu können, erstellten die Architekten und Ingenieure bereits während der Wettbewerbsphase 3D-Studien, die dann während der Ausarbeitungsphase mittels einer Vielzahl von Modellen im Windkanal verifiziert wurden. Es galt, eine Dach- und Kaminform zu finden, die den notwendigen Unterdruck im Dachbereich erzeugt. Entstanden ist ein halbkreisförmiger, rechteckiger Dachaufbau (der „Kamin“) über dem Techniksteg entlang der Wände des Zuschauerraums mit einem zur Dachmitte hin orientierten, automatisch geregelten Klappensystem. Um eine Nachjustierung der gesamten Anlage zu ermöglichen, wurden an verschiedenen Stellen des Gebäudes Sensoren angebracht, die den Luftdruck der eintretenden und austretenden Luft, die Innen- und Außentemperatur, und den CO2-Gehalt der Innenluft messen.

Brandwiderstand

Selbstverständlich spielte auch der Brandschutz bei der Konzeption der 5-schichtigen Brettsperrholzplatten eine bedeutende Rolle. Die Fassaden bestehen aus unbehandeltem Lärchenholz, während die sichtbaren Innenflächen der vertikalen Holzplatten matt lackiert sind. Die Böden und Holzbalustraden aus Eichenholz wurden geölt. Die Unteransichten der Balkone und Decken sind ebenfalls lackiert, um eine Brandausbreitung zu verzögern. So hat das gesamte Gebäude einen Brandwiderstand von 30 Minuten.Um den Holz-Neubau in dieser Form realisieren zu können, wurde in einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Büro für Brandschutz, Cabinet Casso, und mit der Unterstützung der Feuerwehr nach Lösungen gesucht, um eine Behandlung aller Wände mit bitumenhaltigen Produkten zu vermeiden. Dies gelang schlussendlich durch die Beantragung einer Ausnahmeregelung bezüglich der Brandschutzbestimmungen für die Behandlung der Wände gegen Brand. Um diese Genehmigung zu erhalten, wurde der Zuschauerraum mit einer Entrauchungsanlage versehen. Zusätzlich wurden weitere Notausgänge, ein ausgeweitetes Alarmsystem und Wandhydranten installiert. Das Gebäude ist als eingeschossiges Bauwerk klassifiziert, da es außer im Unter- und Erdgeschoss in den oberen Etagen keine geschlossenen Räume gibt.

Planungs- und Bauprozess

Andrew Todd zeigt sich trotz der Herausforderungen bei der Ausführung mit dem Gebäude äußerst zufrieden. „Die Vorfertigung von Bauteilen, in diesem Fall der tragenden Brettsperrholzplatten, macht nur dann Sinn, wenn die Planung der Gebäudeteile restlos ausgearbeitet ist, alle Gewerke reibungslos zusammenspielen, koordiniert sind und der Bauprozess, die Produktion, die Lieferung und die Montage gut durchgeplant sind“, bestätigt Architekt Todd. Aufgrund des kurzen Planungszeitraums war es für die Architekten und Ingenieure allerdings nicht möglich, alle Details auszuarbeiten, was gerade bei einem derartigen Projekt, laut Todd, notwendig gewesen wäre. Zudem hätten seiner Erfahrung nach die ausführenden Firmen bereits im Planungsstadium bekannt und involviert sein müssen, was aufgrund der vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibung nicht möglich war.

Der Bau dauerte anstatt der vorgesehen zwölf Monate insgesamt zwei Jahre. Resümierend stellt Andrew Todd fest, dass öffentliche Auftraggeber in Frankreich bei Holzbauprojekten dieser Art in der Ausschreibung eine größere Flexibilität haben und den Architekten und Ingenieuren bei der Ausführungsplanung mehr Verantwortung zukommen lassen sollten. Bei Pilotprojekten, wie dem Globe in Frankreich, sei eine enge Zusammenarbeit mit den ausführenden Firmen schon während der Detailplanung unerlässlich, um später eine reibungslose Umsetzung garantieren zu können. Michael Koller, Den Haag

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