Energieeffizient durch FaltungEnergy Base, Wien/A
Passivhäuser sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Doch damit ein Bürogebäude mit 7 500 m² Nutzfläche einen rechnerischen Heizenergiebedarf von nur ca.
13 kWh/(m²a) erreicht, bedarf es vor allem Kreativität, Forschergeist und einen mutigen Bauherren.
Geplant war das Ganze eigentlich nicht. Geplant war ein Bürogebäude, energieeffizient, aber gleich in dem Ausmaß? Das ist der Überzeugungskraft von Pos Architekten zu verdanken. „Ein Niedrigenergiehaus ist nicht wirklich etwas, das einen aus den Socken hebt“, so Ursula Schneider, die Architektin. Wenn man in zehn Jahren noch auf der Höhe der Zeit sein will, muss man ihr heute weit voraus sein. Das Projekt Energy Base befindet sich auf dem Gelände des Techbase Vienna, ein neues Technologie- und Gründerzentrum in Wien-Floridsdorf. Nicht unbedingt ein gut funktionierender Bürostandort. Das liegt nicht an fehlender Infrastruktur, denn auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man gut hin, sondern ist eher der Wiener Tradition geschuldet. Der Wiener an sich braucht eine Weile, bis er sich an neue Standorte herantraut. Sagt die Wienerin. Dementsprechend sind viele Büroeinheiten in Energy Base momentan noch unvermietet. Die Fachhochschule für Erneuerbare Urbane Energiesysteme ist z. B. in den Räumen untergebracht, passender geht es kaum – Lernen direkt am Objekt sozusagen.
Gebäudekonzept: „form follows energy“
Ziel der Planung war die Reduktion des Energiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Beleuchtung und alle Hilfssysteme um 80 %, ver-glichen mit einem Standard-Bürogebäude gleicher Größe, sowie eine CO2-Emissionsverringerung von 200 t pro Jahr. Dafür braucht es mehr als ein paar Solarzellen.
Das Gebäude besteht aus einem 100 m langen, kompakten Riegel in Ost-West-Richtung, das heißt, die eine Längseite richtet sich nach Norden aus, die andere nach Süden. Die Bauhöhe ist in diesem Gebiet begrenzt auf 21 m. Eine sechste Etage ließ sich damit nicht realisieren, allerdings konnte das Erdgeschoss bei fünf Geschossen um ca. 1,40 m angehoben werden, wodurch eine natürliche Belüftung und weit gehend natürliche Belichtung der Tiefgarage im Untergeschoss möglich wurde. Das spart Strom.
Die Büroetagen sind so organisiert, dass variable Grundrisseinteilungen in unterschiedlichen Größen möglich sind. Zwei Erschließungskerne machen bis zu vier Büroeinheiten realisierbar, es können auch zwei oder drei Segmente zusammengeschaltet werden. Auf der Nordseite befinden sich Zellenbüros, die Südseite ist als offener Raum gedacht. Die interne Erschließung ist in den offenen Bereich integriert. Die Gestaltung ist einerseits Arbeitsraumkonzept, andererseits Teil des Licht- und Belüftungskonzeptes.
Das Erdgeschoss ist das Reich der Forschung. Die Fachhochschulnutzung stand zu Zeiten der Planung schon fest, so dass eine optimale Anpassung an das Raumprogramm erreicht werden konnte. Neben Seminarräumen und Vorlesungssälen mussten Laborbereiche, in Teilen zweigeschossig, mit eingeplant werden. Klingt nicht problematisch, aber die Ausstattung mit einem Rolltor für die Anlieferung ist bei einem Passivhaus kompliziert. Schließlich gilt es, den Test zur Luftdichtigkeit zu bestehen. Nach umfangreicher Produktrecherche gelang dies mit einem Tor für den Einsatz in Tiefkühlhäusern.
Außenhaut
Die Nordseite ist eine klassische Lochfassade, größtenteils geschlossen. Wobei das nicht heißt, dass die Fenster klein sind. Der Architektin ist der Bezug zur Umgebung sehr wichtig. Da man heute die meiste Zeit in geschlossenen Räumen verbringt, versucht sie, Natur, Tageszeiten und -licht innen so weit wie möglich erlebbar zu machen. Die Fensterformate reichen daher bis unter die Decke der Nordbüros und fangen ein Maximum an Licht ein. Auch an einem trüben Tag kann weitestgehend ohne Kunstlicht gearbeitet werden.
Die Außenwände sind in Holzleichtbauweise aus Fertigteilelementen konzipiert. So kann mit einer Gesamtwandstärke von nur 31 cm Passivhausstandard erreicht werden. Das ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll, da mit einem minimalen Einsatz an Ressourcen maximale Wärmedämmung und Nutzfläche erzielt werden.
Die Nordfassade ist mit Faserzementplatten verkleidet. Mittels einer durchdachten Einteilung entsprechend des Prinzips der Optimierung des Materialeinsatzes gelang eine Ausnutzung der Plattenformate von 96 %.
Die dreifach verglasten Holzfenster haben auf der Außenseite eine Aluminiumdeckschale. Dass dieses Metall sehr energieintensiv in der Herstellung ist, ist Ursula Schneider wohl bewusst. Aber im Sinne der Materialoptimierung passt es trotzdem. Sie verwendet Aluminium nur dort, wo es Sinn macht. Hier macht es die Rahmen dauerhaft witterungsbeständig und somit wartungsfrei.
Auf der Südseite beginnt ab dem zweiten Obergeschoss die gefaltete Glasfassade. Die spezielle Faltung bildet die Voraussetzung für die optimale Nutzung des solaren Eintrages: im Sommer gelangt, bedingt durch den steilen Einfallswinkel, 100 % der direkten Sonnenstrahlung auf die Oberseite der Facetten. Dort sind Photovoltaik-Module aufgebracht, die die Energie in Form von Solar Cooling (siehe unten) aktiv verwerten. Weiterer Effekt: Die Fassade verschattet sich selbst. Nur der indirekte Strahlungsanteil gelangt ins Innere, ähnlich wie bei einer Nordfassade. Im Winter, wenn die Sonne tief steht, wird hingegen ein Maximum an direktem Licht ins Innere geführt. Eine genaue Luftführung leitet die an der Innenseite der Glasfassade entstehende Wärme bis in die Nordbüros.
Maßnahmen des Energiekonzeptes:
Der Energiebedarf zum Heizen und Kühlen wird ausschließlich aus erneuerbaren Energien gedeckt; und zwar in erster Linie durch Wärme aus dem Erdreich.
Sonnenenergie
Solar Cooling
Der Begriff bezeichnet einen durch Sonnenenergie angetriebenen Kühlprozess. Die Sonne liefert dabei die Energie zur Kühlung. Je stärker sie scheint, desto mehr Leistung bringt die Anlage. Energy Base setzt eine DEC-Anlage (Desiccant and Evaporative Cooling = trocknende und verdunstende Kühlung) für die Frischluftkühlung ein. Dafür ist eine Wärmequelle mit mindestens 70 °C erforderlich, die durch die oben erwähnten thermischen Kollektoren bereitgestellt wird.
Grundwasser wird zur Beheizung des Gebäudes genutzt. Strom aus Wasserkraft soll zur Deckung des verbleibenden Energiebedarfs eingesetzt werden. Die Architektin hätte gern nur kaltes Wasser in den Waschräumen zur Verfügung gestellt, konnte sich hiermit jedoch nicht durchsetzen. Durch eine Begrenzung der Wassertemperatur auf 35 °C wurde der Energiebedarf dennoch um 50 % reduziert.
Für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes spielt der Nutzerkomfort eine große Rolle. Ein Baustein dazu ist die thermische Behaglichkeit. Die dem Grundwasser mittels einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe entzogene Wärme wird in Form von Bauteilaktivierung eingesetzt. Dabei wird die Wärme über in die Stahlbetondecken eingelegte Rohre im Gebäude verteilt. Aufgrund der großen Fläche reicht eine geringe Übertemperatur. Im Sommer wird das gleiche Prinzip zur Kühlung verwendet. So kann ganzjährig mit minimalen Unterschieden in der Deckentemperatur (23 °C im Winter, 18 °C im Sommer) ein behagliches Raumklima geschaffen werden.
Luftraumbefeuchtung durch Pflanzen
Pos Architekten entwickelten ein System zur Befeuchtung und Konditionierung der Raumluft mit Hilfe von Pflanzen. Schon seit Jahren beschäftigt sich Ursula Schneider mit dem Einsatz von Pflanzen als fest in die Gebäudetechnik integriertes System. Bei diesem Projekt war der Bauherr bereit, Pioniergeist zu beweisen und 2 % der Nutzfläche für die Pflanzenpufferräume aufzuwenden. In den viergeschossigen Pufferräumen befeuchten 500 Pflanzen der Sorte Cyperus Alterniforius, ein Zyperngras, im Winter die Luft, die im gesamten Gebäude für behagliche 50 % Luftfeuchtigkeit sorgt. Die Pflanzenräume sind als abgeschlossene Feuchtgeneratoren auf der Südseite an den Ecken und in der Mitte der Geschosse angeordnet. So erhalten sie genügend Licht, nehmen den Arbeitsräumen aber nur ein Minimum an Fensterfläche weg. Durch die Abgeschlossenheit wird die Einspeisung der Feuchte in das Belüftungssystem präzise steuerbar und zu einer berechenbaren Größe im haustechnischen System.
Mit Hilfe von thermischen Simulationen und Berechnungen wurden die zu erwartenden Werte in Bereichen wie Oberflächentemperatur, Temperaturverteilung, Strömungsgeschwindigkeit, Luftaustauschrate und CO2-Verteilung vorab ermittelt. Vor dem Entwurf wurden natürlich Studien zum Sonnenstand, zur Lichtverteilung und zum Wärmebedarf gemacht, um sich optimal den Gegebenheiten anzupassen.
Doch die Geschichte geht weiter: Um die „geplante“ hohe Energieeffizienz noch zu steigern, wird Energy Base während der Nutzungsphase von Arsenal Research gemeinsam mit Siemens durch ein Monitoringprogramm evaluiert. 300 in die Architektur integrierte Sensoren zeichnen komplexe Parameter auf. Sämtliche messbaren Daten des Gebäudebetriebes stehen zur Verfügung und sollen dazu führen, Defizite aufzuzeigen. Die Technologien können dem praktischen Betrieb kontinuierlich angepasst werden und weitere Einsparpotentiale eröffnen. Die erste Bewährungsprobe ist dieser Winter. Aber bisher erlangte Ergebnisse beweisen schon jetzt die Funktionalität einzelner Maßnahmen.
Ein mutiger Schritt, sowohl vom Bauherren, der sich auf das ganze Paket eingelassen hat, als auch von den Architekten, die sich der Verantwortung, auch während der Nutzungsphase, nicht entziehen wollen. Da kommt erneut der Forscherdrang bei Ursula Schneider durch. Für sie ist es wichtig, prüfen zu können, ob die angestrebten Ziele erreicht werden. Und wenn nicht, wo, wann und warum nicht und was kann dagegen getan werden? Die Verantwortung wird jedoch zusätzlich in die Hände der Nutzer gelegt. Ein Monitor im Foyer soll praktische, ta-gesaktuelle Hinweise an die Hand geben. Denn oft entsteht falsches Verhalten schlicht aus Unwissenheit.
Bleibt noch zu erwähnen, dass das Projekt nicht nur aus einem Energiekonzept besteht. Obendrein handelt es sich um gute Architektur. Die Räume haben eine große Qualität. Den Architekten ist es gelungen, die hochtechnischen Anforderungen in angenehme Atmosphären zu integrieren. Im Detail drückt sich das in Raumhöhen von drei Metern, in Holztüren und -fenstern, in Sichtbetonelementen, Edelstahlgeländern und vor allem im allgegenwärtigen Tageslicht aus.
Für die Architektin ist eine Symbiose aus Effizienz und Ästhetik kein Widerspruch. Dafür ist es allerdings unabdingbar, dass der Architekt etwas von den physikalischen Phänomenen versteht. Für sie ist der Weg zu einem gelungen Projekt klar: „In der Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren muss jeder schauen, was sind die eigenen Kompetenzen, die muss er dann stark vertreten. Jeder muss mit seinem Hausverstand herangehen, aber auch auf die anderen hören. Und in der Summe müssen alle von der anderen Seite ein bisserl was wissen. Das ist wie in der Kammermusik. Da muss man zusammenarbeiten.“ SG
Ein Passivhaus ist ein Gebäude, in dem eine behagliche Temperatur sowohl im Winter als auch im Sommer ohne separates Heiz- bzw. Klimatisierungssystem zu erreichen ist. Im Vergleich zu einem Niedrigenergiehaus benötigt es 80 % weniger Heizenergie, im Vergleich zu einem konventionellen Gebäude über 90 %. Umgerechnet in Heizöl verbraucht ein Passivhaus im Jahr weniger als 1,5 l pro m².
– guter Wärmeschutz und kompakte Gebäudeform
Nicht lichtdurchlässige Bauteile der Außenhülle müssen einen Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) ≤ 0,15 W/(m²K) haben, d. h. pro Grad Temperaturunterschied und Quadratmeter Außen-
– Südorientierung und Verschattungsfreiheit
Optimierung des Solarenergiegewinns als entscheidender
– Fenster
Die Fenster (Verglasung einschließlich Rahmen) dürfen einen U-Wert von 0,8 W/(m²K) nicht überschreiten, der g-Wert (Gesamt energiedurchlassgrad, der Anteil der für den Raum verfügbaren Solarenergie) soll bei mindestens 50 % liegen
– Luftdichtigkeit
Beim Blower-Door-Test mit einem Unter-/Überdruck von 50 Pascal muss die Leckage durch unkontrollierte Fugen kleiner als 0,6 Hausvolumen pro Stunde sein.
– Wärmerückgewinnung
Der Wärmebereitstellungsgrad der Lüftungsanlage, d. h. wie viel Wärme von der Abluft für die Frischluft zurückgewonnen wird, soll mindestens 75 % betragen
– Haushaltsgeräte
Kühlschrank, Herd, Tiefkühltruhe, Lampen und Waschmaschine