Energiemanagement im Gebäude der Zukunft
Smart Grid in Pilotprojekten

Gebäude sind – noch vor Industrie und Verkehr – die weltweit größten Einzel-Energieverbraucher. Entsprechend hoch ist das Einsparpotential. Durch die Einbindung in ein Smart Grid lässt sich die Effizienz von Gebäuden steigern. Gleichzeitig übernehmen Smart Buildings als intelligente und dezentrale Teilnehmer im Netz eine wichtige Ausgleichsfunktion innerhalb des Smart Grid. Für Betreiber und Nutzer entsprechender Gebäude bedeutet das: eine kostengünstige, zuverlässige, umweltfreundliche und zukunftsfähige Energieversorgung. Die Grundlage für ein solches Energiemanagement
im Gebäude der Zukunft bilden moderne
gebäudetechnische Systeme. Der Beitrag stellt aktuelle und mögliche zukünftige ­Lösungen vor.

Gebäude verbrauchen aktuell 41 % der weltweit benötigten Energie – mehr als die Industrie (31 %) und der Verkehr (28 %) [Quelle: Dena Congress, Berlin, 2008]. Bezogen auf das intelligente Stromnetz der Zukunft werden Gebäude als größte Einzel-Energieverbraucher und als dezentrale Energieerzeuger eine wichtige Rolle als intelligente und dezentrale Teilnehmer im Netz spielen. Diese Rolle wird im Netz der Zukunft charakterisiert sein durch dezentrale Anlagen und regenerative Energieträger. Innerhalb dieser Strukturen werden Gebäude als „Prosumers“, als produzierende Consumer, sowohl Energie verbrauchen als auch selbst produzieren.

Zukünftige Lösungen zielen auf eine
Optimierung der gesamten Kette aller energieerzeugenden und -verbrauchenden Komponenten eines intelligenten Gebäudes, angefangen vom Inhouse-Kraftwerk bis hin zur einzelnen Lampe am Arbeitsplatz. Neben der zeitlich flexiblen Nutzung der Energie werden sich neue Speichertechnologien etablieren. Statt der heute oft üblichen Batterien wäre es denkbar, Energie in anderer Form zwischenzuspeichern – etwa indem mit überschüssigem Strom per Wasserelektrolyse Wasserstoff produziert wird.

Die Voraussetzung dafür sind intelligente Gebäude, Smart Buildings. Das heißt, Gebäude, die im Smart Grid eine tragende Rolle übernehmen sollen, müssen mit durchgängigen gebäudetechnischen Lösungen ausgerüstet sein, die miteinander kommunizieren und Informationen austauschen können. Mit Hilfe dieser modernen Gebäudetechnik lassen sich Smart Buildings dann als ausgleichendes Regulativ im komplexen Wechselspiel von Energieerzeugung und
Energiebedarf nutzen. Die steigende Bedeutung eigenerzeugter Energie sowie die
verschiedenen Möglichkeiten der Energie­speicherung im Gebäude eröffnen neue Optimierungsmodelle für die Verbraucher. Vor diesem Hintergrund wird ein systematisches Energiemanagement zur zentralen technischen Herausforderung.

Systematisches Energiemanagement

Im Rahmen eines systematischen Energiemanagements werden verschiedene Arten von Energiequellen identifiziert und auf ihre Nutzbarkeit hin untersucht. Das Ziel besteht immer darin, die für den jeweiligen Anwendungsfall optimale Lösung zu finden. Dabei ist der Effizienzgrad nicht das Maß aller Dinge. Auch die Verfügbarkeit einer Energiequelle kann das entscheidende Kriterium sein. Darüber hinaus fließen Fragen nach der Umweltverträglichkeit der eingesetzten Energiequellen in die Beurteilung ein. Bezogen auf das technische Gebäudemanagement, verfolgt dieser Ansatz folgende drei Ziele:

1. Maximale Wirkung pro ein­­­­gesetzter Kilowattstunde
2. Minimale Kosten pro Zeiteinheit

3. Minimale Emission von Treibhausgasen

Unabhängig von der Energieform müssen bei der Beurteilung eines Systems drei Faktoren betrachtet werden: Energieeffizienz, Energietransparenz und das eigentliche Energiemanagement.

Effizienz: Effizienter Energieeinsatz – kurz: Energieeffizienz – ist das Ziel aller Maßnahmen. Der für ein bestimmtes Produkt oder eine konkrete Dienstleistung erforderliche Energiebedarf soll reduziert werden. Er beschreibt für ein Energiesystem das Verhältnis zwischen einem sinnvollen Output und dem dafür notwendigen Input. Im Lebenszyklus eines Gebäudes betrifft das Thema Effizienz vor allem die Planungsphase.

Transparenz: Ein Energiemonitoring gewährleistet die notwendige Datentransparenz, um weitere Schritte und Maßnahmen zu definieren. Diese Datenbasis lässt sich beispielsweise in Form von Werten, Grafiken, Gleichungen oder Kennzahlen abbilden. Im Lebenszyklus eines Gebäudes zählt Transparenz deshalb vor allem im Betrieb.

Energiemanagement: Eingebunden in die operativen Abläufe des Gebäudebetriebs gewährleistet das Energiemanagement die bedarfsorientierte, organisatorische und systematische Energieversorgung sowie die Bereitstellung, Verteilung und Nutzung der erforderlichen Energie unter Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Aspekte. Konkret erfüllt diese Aufgaben ein Energiemanagementsystem (Building Energy Management System, BEMS), wie es auch die internationale Norm ISO 50001 definiert. Dieser Begriff umfasst zum einen die organisatorischen Strukturen und Services zur Umsetzung eines Energiemanagements und zum anderen die technischen Hardware- und Software­ressourcen.

Energiemanagement in Smart Buildings

Ein Energiemanagementsystem im oben genannten Sinne arbeitet unabhängig von der Energieform. Es lassen sich gleichermaßen Kühlung und Heizung sowie unterschiedliche Energiequellen wie Fernwärme, Strom, fossile Brennstoffe oder Dampf darstellen und verarbeiten. Für Daten zu Verbrauch und ggf. Erzeugung von elektrischer Energie steht innerhalb des BEMS ein spezielles Subsystem zur Verfügung, das so genannte Power Management.

Smart-Grid-Forschungsprojekt EcoGrid

Das derzeit größte Smart-Grid-Forschungsprojekt in Europa ist EcoGrid. Rund 1 900 Haushalte auf der dänischen Insel Bornholm – rund ein Zehntel der Einwohnerschaft – wurden seit Anfang 2013 mit neu entwickelten, intelligenten Home-Automation-Anlagen ausgerüstet, die den Stromverbrauch der Haushalte in Abhängigkeit vom Stromangebot in Echtzeit überwachen und steuern. Die Siemens-Division Building Technologies war und ist maßgeblich an der Umsetzung dieses Modellversuchs beteiligt.

Ziel des von der EU geförderten EcoGrid-Projekts ist es, mit Hilfe von smarten, also technisch intelligent ausgestatteten Häusern, die Balance zwischen Energieangebot und -nachfrage auf Bornholm zu optimieren. Die Insel ist ein Vorreiter in Sachen erneuerbarer Energien. So speisen sich fast 50 % des verbrauchten Stroms aus den Windkraftwerken vor Ort. Bläst der Wind um die Insel stark und ernten die Windräder demzufolge Energie im Überfluss, liefert das Smart-Grid-System den Inselbewohnern Anreize, um energieintensive Prozesse zu starten. Kann die Ernte der Windräder den akuten Energiebedarf der Inselbewohner hingegen nicht decken, fährt das Smart Grid den Verbrauch zurück, und zwar ohne Komforteinbußen. Zudem wird bei Bedarf Strom vom Festland zugekauft.

Der EcoGrid-Pilot läuft noch bis 2015. Seine Ergebnisse und Erkenntnisse zum Thema intelligente, ressourcenschonende und nachhaltige Stromversorgung werden für ganz Europa relevant sein.

Smart-Grid-Modellregion Salzburg

Auch in der Region Salzburg wird seit einiger Zeit erprobt, wie intelligente Strom- und Energienetze in der Praxis funktionieren. Die vom österreichischen Klima- und Energiefonds (KLIEN) zur „1. Smart Grids Modellregion Österreichs“ ernannte Initiative wird vom Energieversorger Salzburg AG, von Siemens und vom Immobilienunternehmen Salzburg Wohnbau getragen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam begleitet die Projekte wissenschaftlich.

Ziel der Modellregion ist es, unterschiedliche Smart-Grid-Anwendungen in einem
integrierten Gesamtsystem zusammenzu­führen. Dazu werden neue Ansätze in For­schungs­­­projekten analysiert und erprobt, um später in konkreten Pilot- und Demonstra­tionskonzepten umgesetzt zu werden. Neben der Entwicklung und Präsentation techni­­scher Lösungen stehen dabei auch die Analyse der Kundenakzeptanz sowie die Nutzerfreundlichkeit im Fokus.

Das Projekt Modellgemeinde Köstendorf widmet sich der Zukunft im Niederspannungsnetz. Hier wird erprobt, wie intelligente Netze auf der Ebene des untersten Verteilnetzes funktionieren. In einem ausgewählten Kern­gebiet von 60 Häusern soll herausgefunden werden, wie das Netz stabil gehalten werden kann, wenn auf jedem zweiten Hausdach eine Photovoltaikanlage in Betrieb ist und die Hälfte der Haushalte auf E-Autos setzt. Denn das würde bedeuten, dass die Photovoltaikanlagen bei Sonnenschein teilweise mehr Energie erzeugen, als von den Haushalten in diesem Gebiet verbraucht wird. Die E-Fahrzeuge sind ein zusätzlicher Stromabnehmer, die gleichzeitig eine interessante Speichermöglichkeit für Energie bieten. In einem zweiten Praxistest wurde ab 2012 in einem Salzburger Stadtteil eine ganze Wohnanlage Smart-Grid-konform ausgestattet: Die Liegenschaft HiT ist so geplant und gebaut, dass sie sich optimal auf die Erfordernisse des Netzes abstimmt und damit ihren Energieverbrauch verbessert. So stehen nun beispielsweise flexible Energiequellen in Form einer Wärmepumpe und eines Block­heizkraftwerks (BHKW) zur Verfügung, die zur Unterstützung der Energiemärkte und des Stromnetzes verwendet werden können.

Forschung mit Echtdaten in Wien-Aspern

Ebenfalls in Österreich, im Norden Wiens, läuft in Aspern auf 240 ha aktuell eines der größten – und innovativsten – europäischen Stadtentwicklungsprojekte. Bis 2028 entstehen dort rund 8 500 Wohnungen und 20 000 Arbeitsplätze. Damit bietet sich auch ein einzigartiger Rahmen zur Entwicklung nachhaltiger und zukunftsweisender Lösungen für Smart Cities. Die eigens dafür gegründete Forschungsgesellschaft Aspern Smart City Research (ASCR), ein Joint Venture zwischen der Stadt Wien, den Versorgungsunternehmen Wien Energie und Wiener Netze sowie von Siemens, nutzt Aspern als Forschungsumgebung unter Realbedingungen.

Ein Fokus liegt dabei auf energieeffizienten Lösungen in den Bereichen smarte Informationstechnologien, Smart Energy und Smart Building. Konkret werden die nachhaltige Energiegewinnung etwa durch Photovoltaik, Solarwärme oder Wärmepumpe und deren Speicherung, das Nutzungsverhalten der Menschen in den Häusern und mögliche Vernetzungen erforscht. Die Erkenntnisse, die Siemens in diesem Forschungsprojekt gewinnt, leisten einen wichtigen Beitrag zum effizienteren und intelligenteren Umgang mit Energie im Alltag. Drei Beispiele illustrieren, worum es dabei geht:

Eigenverbrauchsoptimierung – Eine Praxisstudie untersucht, wie vor Ort produzierte Photovoltaik- und Solarthermie-Energie am besten lokal verbraucht und gespeichert werden kann. Ziel ist eine Optimierung des Eigenverbrauchs der Bewohner, um so die ­Energiekosten niedrig zu halten.

Smart Citizen – Auch der Endverbraucher von Strom und Wärme auf Wohnungsebene wird in das Forschungsprojekt einbezogen. Denn sein Verhalten bzw. die Bereitschaft, dieses zu verändern, entscheidet letztlich über den Erfolg neuer Energiekonzepte. ­Deshalb suchen die Forscher nach Methoden und Maßnahmen zur Steigerung von Aufmerksamkeit und Bewusstsein für das Thema Energie, aber auch für eine erhöhte Akzeptanz von transparenten Verbrauchsdaten.

Teilnahme am Energiemarkt – Ein zentrales Thema bei der Sicherstellung der Energieversorgung ist die Flexibilität des Netzes. Die ASCR-Forscher interessieren sich dabei zum einen für die technische Seite: Welche Flexibilitätspotentiale bieten beispielsweise Österreich und Europa überhaupt? Und welche Infrastrukturen sind dafür notwendig? Zum anderen arbeiten sie an Rollenmodellen zur Sicherstellung der notwendigen Flexibilität.

Auf dem Weg in die Zukunft

Entscheidend für das Smart Grid der Zukunft ist es, die beteiligten Smart Buildings als
autarke, intelligente Subsysteme zu begreifen. Sie übernehmen insbesondere eine wichtige Ausgleichsfunktion innerhalb des Netzes. Informationstechnologie, Kom­mu­nikations­systeme und Gebäudetechnik verschmelzen dabei zunehmend zu durchgängigen Gesamtlösungen. Doch bleiben auf dem Weg zum Energiemanagement der Zukunft gleichwohl noch wesentliche Schritte zu tun. Denn die Probleme sind weltweit bei allen Smart-Grid-, Demand-Response- oder Netzstabilisierungsprogrammen mehr oder weniger identisch – nicht aber die Lösungsansätze für diese Probleme. Somit ist auch die dringend notwendige Standardisierung sehr erschwert, da die pilotierten Methoden recht unterschiedlich sind.

In den weltweiten Pilotprojekten wird relativ viel Geld investiert und es entstehen heterogene Inseln. Die Frage ist, wie man später mit diesen Inseln umgeht: Rückbau, Umbau oder Akzeptanz dieser heterogenen Strukturen? Die Beteiligten sollten möglichst schnell analysieren, wie der zukünftige Weg aussehen sollte, um das mögliche Investment zielgerichtet einsetzen zu können und die Standardisierung voranzutreiben. Ein weiteres Hindernis auf dem Weg zum Smart Grid der Zukunft liegt darin, dass es heute keine flexiblen Strompreise gibt. Damit bietet sich für die Nutzer kein reeller Anreiz, ihr Verbrauchsverhalten zu verändern. Eine Simulation scheint hier nicht auszureichen – trotz viel versprechender Prognosen.

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