Freiform-Fassaden
Individualität systematisiert

Architektur ist das gebaute Selbstverständnis einer Gesellschaft. Transparenz, Nachhaltigkeit, Multifunktionalität, vor allem aber Individualität und freie Gestaltung sind entsprechend Anforderungen, die aktuell an Fassaden gestellt werden. Mit dem „Parametric System“ hat Schüco vor diesem Hintergrund die bekannten Systemfassaden des Herstellers um die Freiheit erweitert, selbst hochgradig komplexe, funktional zusätzlich aufgeladene Elemente im individuellen Fassadendesign über alle Stufen der Wertschöpfungskette hinweg prozesssicher und wirtschaftlich realisieren zu können.

Fassaden sind der auffälligste Ausdruck der Individualisierung in der Architektur. Die konstante Weiterentwicklung digitaler Werkzeuge und neuer Planungsmethoden ermöglicht dabei weltweit Fassaden von zunehmender formalgestalterischer und technologischer Komplexität. Die generierten Freiformen sind dabei oftmals kein reiner Selbstzweck, sondern Resultat von integralen Entwurfsprozessen, die erst durch vernetzte Softwareprozesse möglich werden. Fassaden-Ästhetik ist daher heute mehr als Repräsentation und schöner Schein. Kein anderer Bereich in der Architektur hat sich in den vergangenen Jahren so stark weiterentwickelt wie die Gebäudehülle: Sie drängt sich im architekturtheoretischen Diskurs nach vorn. Wesentlicher noch aber sind die steigen­den funktionellen, ökologischen und letztlich auch ökonomischen Anforderungen, die die Fassade immer genauer zu erfüllen hat. Wärmedämmung, Tageslichtnutzung, die Integration von Verschattung, Blickführung, Blendminimierung sowie zunehmend die Gewinnung solarer Ener­gie seien hier exemplarisch genannt. Am Bild­schirm entwickelte dynamische und integrative Geometrien, die auf diese Anforderungen reagieren, scheitern schließlich oft an der Umsetzbarkeit durch den Fachplaner und ­Metallbauer.

Mit standardisierten Fassadensystemen herkömmlicher Bauweise lässt sich diese Komplexität technisch oder wirtschaftlich kaum mehr erfüllen. Zur Lösung notwendig sind vielmehr in ihrer konzeptionellen Grundanlage zwar offene, über die Prozesskette vom Entwurf bis zur maschinellen Fertigung hinweg dennoch abgestimmte, parametrisierbare Freiform-Fassadensysteme, die letztlich die Brücke schlagen können zwischen dem Wunsch nach Individualität auf der einen Seite und der Notwendigkeit wirtschaftlicher Systematik auf der anderen. Wie sich diese eigentlich diametral gegenläufigen Zielvorgaben praxisgerecht bedienen lassen, zeigt exemplarisch das „Parametric System“ mit dem Prinzip des Mass Customization.

Der Ansatz

Zentraler Ansatzpunkt des Systems ist dabei die konsequente Digitalisierung der gesam­ten Prozesskette, ausgehend von einer Bibliothek mit „intelligenten“, höchst flexibel einsetzbaren Fassadenmodulen. Diese Module können einzeln gestaltet, variiert, konfektioniert und frei miteinander kombiniert werden. Schon in der Entwurfsphase des Projektes werden durch die integrierte Plausibilitätsprüfung dabei gleichzeitig die bauseitige ­Zulässigkeit des Fassadenelements (z. B. die sta­tische Vordimensionierung) wie auch die generelle technische Realisierbarkeit des Elements (z. B. Winkelprüfungen der geplanten Geometrie) für die spätere Fertigung verifiziert.

Dies ist umso wichtiger, als zur Variabilität des Systems auch die Option gehört, die Fassadenelemente über die Form hinaus durch unterschiedlichste Funktionen weiter aufzuladen. Klare oder opake Verglasungen zur Blicklenkung wie zur Verhinderung ungewollter Wärmeeinträge unter Beibehaltung von Transparenz sind dafür exemplarisch, die Integra­tion von Photovoltaik-Modulen zur Verbesserung der Energiebilanz des Objektes ebenso.

Dem praxistypischen Ablauf vieler Planungsprozesse folgend lassen sich die Geometrie und die „funktionalen Aufladungen“ auch weiterhin noch einfach ändern und an nutzerbezogene Anforderungen anpassen.

Die Umsetzung

Heute, im ersten großen Schritt auf dem Weg zur wirtschaftlich realisierten Freiform-Fassade, profitieren in der Wertschöpfungskette die Architekten, Planer oder Designer von der Möglichkeit, die Fassadenelemente aus der digitalen Bibliothek über entsprechende CAD Plug-ins für Autodesk Revit und Rhino/Grass­hopper nahezu beliebig im 3D-Modell auszubilden; mit nur wenigen Mausklicks, ungeachtet aller Komplexität. Durch die Möglichkeit der Vernetzung ausgewählter oder sämtlicher Elemente können dabei Veränderungen oder Anpassungen über ganze Fassaden hinweg übertragen und gleichzeitig lokal nuanciert werden, was eine weitreichende und präzise Optimierung der Fassade bereits im frühen Rahmen des Entwurfsprozesses am Rechner möglich macht.

Diese Effizienz setzt sich in der „3. Dimension“, über alle anschließenden Planungs- und Realisierungsstufen fort: Sowohl die automatisiert aus dem Entwurf generierte Feinplanung als auch die gesamte Kalkulation profitieren von einem optimierten Datenexport, der trotz der Größe des individuellen Entwurfs durchgängig die jeweils notwendige Tiefe bis zur Übergabe der Daten an den Metallbauer und letztlich im Maschinencode für den Zuschnitt an dem 5-Achs CNC-Bearbeitungszentrum behält. Das Projekt wird also in einer Präzision weitergereicht (und weiter bearbeitet), die mit herkömmlichen, „analogen“ Methoden nicht zu erreichen ist.

Das zahlt sich in doppelter Hinsicht aus: Zum einen gibt es zwischen den Beteiligten innerhalb der digitalen Kette keine Schnittstellenprobleme oder Interpretationsfragen mehr. Zum anderen gewinnt jeder der Beteiligten – Architekt, Fachplaner und Verarbeiter –  zusätzlich an Sicherheit, da das Risiko möglicher Interpretationsfehler ausgeräumt wird. Der Realisierungsprozess wird also deutlich effizienter und robuster, als das bei der konventionellen Bearbeitung einer Freiform-Fassade bisher der Fall ist. Und zwar bis in die Fertigung hinein, dem finalisieren­den Prozessschritt beim Metallbauer: Auf­bauend auf den digitalen Informationen des Fachplaners ermittelt der Metallbauer die notwendigen Angaben aus den Katalogen der Software für Kalkulation und Arbeits­vorbereitung, bevor dann die Daten der ­finalisierten Einzelkomponenten zur Profil­bear­beitung und Fertigung an die CNC-Bearbeitungsmaschine für den Zuschnitt und die weitere Bearbeitung bis hin zum montagefertigen Profil genutzt werden. Einzelne Komponenten werden nach der individuellen Planung als Systembauteile gefertigt und dem Verarbeiter bereits konfektioniert geliefert. Die Frage der späteren Zuordnung aller Komponenten und ihre einfache und systemati­sche Fügung sind bereits detailliert berücksichtigt und als entsprechende Codierung auf den Bauteilen, sowie in individuellen Elementplänen markiert.

Diese bewusst hintereinander gestellte Aufzählung verdeutlicht am ehesten die Durchgängigkeit des gesamten Prozesses mit all seinen Daten als auch die Präzision, mit der die Weiterleitung und automatisierte, prozess­­optimierte Detaillierung eben dieser Daten zwischen allen Beteiligten erfolgt.

Für Projektentwickler und Investoren bietet sich dadurch der entscheidende Vorteil einer durchgängigen Kostenkontrolle:

Die Gestaltungs- und Realisierungsva­ria­blen der Freiform-Fassade sind bereits in der Entwurfsphase auch unter Kostengesichtspunkten über die gesamte Prozesskette hinweg gesichert. Damit besteht eine Kostentransparenz.

Die projektierte Freiform-Fassade ist in der definierten Ausführung sowohl unter statischen wie unter technischen Gesichtspunkten systemsicher realisierbar; bisher oftmals notwendige, teure Iterationsprozesse und Über­planungen entfallen. Eventuell doch noch notwendige Änderungswünsche im Detail können über die Vernetzung der Komponenten schnell und vollumfänglich auch auf der Kostenseite bilanziert werden; die speziell bei Großprojekten häufig beträchtliche Zahl an Nachträgen wird verringert.

Das Fazit

Mehr denn je bestimmen Freiform-Fassaden mit ihrer Individualität und Transparenz die Architektur unserer Zeit. Diese Entwicklung dürfte sich in den kommenden Jahren mit zunehmender Dynamik fortsetzen. Denn durch die konsequente Digitalisierung des gesamten Entwurfs- und Planungsprozesses bis hin zur vollautomatisch gesteuerten Maschinenfertigung wird über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg eine von Variabilität, Effizienz und Durchgängigkeit gekennzeichnete Realisierungssicherheit erreicht, die der Kreativität der Designer und Architekten bislang ungeahnte Möglichkeiten eröffnet – weil vom ersten Schritt an sowohl die technologische wie die ökonomische Umsetzbarkeit gewährleistet werden kann.

Voraussetzung dafür: zum einen „intelligente Elemente“, in der diese Bandbreite des architektonisch wie funktional Machbaren bereits im Detail angelegt ist. Zum anderen muss im Verarbeitungsprozess selbst eine Standardisierung in der Datenüber- und -weitergabe erreicht werden, die ohne Verlust an Präzision die Komplexität des Datenbestandes beherrschbar hält. Das „Parametric System“ geht daher bei den aus der „intelligenten Elemente“-Bibliothek generierten Planungsdaten auch von einer rollenbezogenen Stufigkeit aus, durch die die Datenvolumina auf den verschiedenen Bearbeitungsstufen beherrschbar bleiben und zudem die Implementierung des Umsetzungsprozesses auch mit einem vergleichsweise überschaubaren Investitionsaufwand möglich ist.

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