Geht immer: BaukulturEin Gespräch mit Prof. Michael Braum, Bundesstiftung Baukultur, Potsdam
Baukultur geht alle an. Das ist leicht dahingeschrieben, stimmen tut es dennoch. Baukultur geht Sie an, weil Sie wie ich verantwortlich für das sind, was Sie und ich jeden Tag erleiden; wenn wir es noch wahrnehmen, das Unverantwortliche. Um Verantwortung geht es auch auf dem Konvent zur Baukultur, der am 16. und 17. April in Essen stattfindet. Der Einlader, die Bundesstiftung Baukultur, in Persona der Vorstandsvorsitzende Prof. Michael Braum, erwartet von diesem Konvent vor allem das eine: Die gewählten Teilnehmer – allesamt Experten auf ihrem (Bau)Gebiet – sollen in die Baukulturpflicht genommen werden. Über alle noch so eloquent geschriebenen und lebendig bebilderten Bestandsaufnahmen hinaus (3 Bände zur Baukultur, bei Birkhäuser; der vierte, die Konventergebnisse zusammenfassende, erscheint im Herbst) soll jeder Einzelne an seinem Platz die Baukultur predigen; und vorleben.
Was aber genau ist denn nun Baukultur? Wir sind nach Potsdam gefahren und haben Michael Braum dazu befragt. Am Schluss des Gesprächs war der Vorstandsvorsitzende leicht zerknirscht, schon wieder in der Toskana Urlaub gemacht zu haben und nicht in Rotterdam oder Milano oder Barcelona, den angesagten Stätten internationaler Baukultur.
Herr Prof. Braum, „Baukultur ist ...“ in einen Satz gefasst?
Baukultur ist das Austarieren der unterschiedlichen Anforderungen an ein Bauwerk oder den Freiraum.
Sie haben noch einen zweiten …
Baukultur ist mehr als atemberaubend schöne Architektur, Baukultur ist das Zusammenspiel zwischen Gebäuden, die bezüglich ihrer Materialität derart gebaut sind, dass sie auch ohne Schaden für die Umwelt wieder abgebaut werden können; und die darüber hinaus eine Gestaltqualität haben, die einfängt und sich durch hohe Nutzerakzeptanz auszeichnet.
Was muss derjenige mitbringen, der Baukultur voran bringen will?
Zunächst Verantwortungsbewusstsein für die gestaltete Umwelt, natürlich auch Erfahrung, sich mit der gestalteten Umwelt auseinanderzusetzen. Und die Fähigkeit, zuzuhören.
Muss man die Diskussion um Baukultur nicht auch als etwas Elitäres betrachten?
Nein, elitär ist der falsche Begriff. Wenn Baukultur alle angeht, kann sie nicht elitär sein. Nur sollte jeder wissen, wo die Grenzen der eigenen Fähigkeiten liegen. Das ist aber alles andere als elitär, sondern zeugt von einem Verantwortungsbewusstsein für die eigene Kompetenz.
Wie wollen Sie Baukultur unters Volk bringen?
Klar, wir müssen mit der Baukultur auch in die Massenmedien kommen. Raus aus der Bauwelt, dem Baumeister, der akademischen Arch+, der DBZ … Ich bin zufrieden wenn wir in die Feuilletons Eingang finden, und ich bin erst richtig zufrieden, wenn wir das Thema in den Lokal-Teilen unserer Zeitungen lesen können.
Was erhoffen Sie sich vom anstehenden Konvent der Baukultur in Essen?
Erstens, dass wir die Diskussion über die drei Themenfelder Bildung, Verkehr, Freiräume, die wir aufgezogen haben, auf einem durch die Teilnehmer qualifizierten Niveau fortführen werden. Zweitens, dass die öffentliche Hand ihre Verantwortung bezüglich einer angemessenen Gestaltung von Gebäuden auch unter einer zunehmend restriktiveren Haushaltsführung ernst nimmt und mit jedem ihrer Gebäude beispielhaft agiert. Und drittens, dass wir erreichen, dass wirklich jeder stärker in die Verantwortung genommen wird.
Das baukulturell „wertvolle“ Haus muss nicht mehr kosten als eins „von der Stange“?
Ach! Woher?! Gehen Sie mal in eine Einfamilienhaussiedlung in Skandinavien, da haben Sie relativ einfache Holzhäuser, die sich alle so ein bisschen unterscheiden, und jedes Haus sagt „Ich bin ein Einfamilienhaus aus Skandinavien, mit einem wunderschönen Garten und Kiefern und Birken drumherum“. Gehen wir in ein Einfamilienhausgebiet im Umland von Brandenburg oder sonstwo in Deutschland, dann sagt auf einmal jedes Haus „Ich habe zu wenig Geld gehabt, aber ich möchte aussehen wie eine Villa und deswegen sehe ich jetzt so komisch aus!“ Also lasst uns angemessen bauen, dann stimmt auch die Baukultur. Nein, Baukultur ist per se nicht teurer.
Wer sind die Verhinderer von Baukultur?
Die Verhinderer von Baukultur sind alle die Menschen, die nicht vor Leidenschaft brennen, dass ihre gebaute Umwelt die Qualität erhält, die zumindest zur Diskussion anregt, sondern die das Gebaute zuvorderst verwalten.
Wohin sind Sie zuletzt gereist, um sich Architektur anzugucken?
Oh, das ist eine unglückliche Frage. Den letzten Urlaub habe ich in der Toskana verbracht in einem kleinen wunderbaren Bergort mit lauter alten Häusern, die vor 100 Jahren gebaut worden sind. Und dort stand ich mit meinen Kindern im Garten des gemieteten Hauses. „Warum ist es hier eigentlich so schön, Papa?“ „Weil jeder hier baut wo er lebt, und weil alle Häuser nur mit drei, vier vielleicht fünf Materialien gebaut sind, die alle vor der Haustür herumliegen.“ Und wenn sie sich ein bisschen in der Nuance der Farbe unterscheiden, und wenn alle Häuser sozusagen Teil eines dann harmonischen Ganzen sind, dann entsteht da eine fast schon magische Qualität.
Das ist doch eine wunderbare Antwort auf eine vielleicht unglückliche Frage …
Unglückliche Frage deshalb, weil es ein Klischee ist, dass der Vorsitzende der Bundesstiftung Baukultur natürlich in der Toskana Urlaub macht. Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte jetzt sagen können, ich bin nach Rotterdam gefahren oder an einen anderen Ort und habe mir da die aktuelle internationale Architektur angeschaut.
Be. K.
Hier das komplette Interview (700 KB) sowie die Verlagsübersicht zu Publikationen zum Thema, herausgegeben von der Bundesstiftung Baukultur u. a.