Generationenwechsel
Candy-Bar im Besprechungsraum, Kids-Corner im Vertrieb, 90-Jahre-Lounge in der Chef-etage – wer die KEIL Befestigungstechnik in Bergischen Land besucht, wird überrascht sein. Seit Gerda Söhngen und ihr Geschäftspartner Christian Schmidt 2019 die Führung übernommen haben, hat der buchstäblich frische Wind das Unternehmen ganz schön aufgewirbelt. Anfang November haben wir sie im neuen Firmengebäude in Engelskirchen zu einem zwanglosen Gespräch über den Generationenwechsel, das neue Miteinander und die Ideen für die kommenden Jahre getroffen.
Der Nährboden für den Umschwung ist günstig, denn seit der Erfindung des Hinterschnittankers in den 1980er-Jahren, der dazugehörigen Werkzeugtechnik sowie weltweiter Zertifikate und bauaufsichtlicher Zulassungen hat sich das Unternehmen Keil Befestigungstechnik einen komfortablen Nischenplatz in der Branche gesichert. Hieran möchte das Führungsteam anknüpfen, aber mit gänzlich neuen Vorstellungen in der Unternehmensführung. Zeitgemäßer, persönlicher und kommunikativer soll alles werden.
Gerda Söhngen erzählt: „In der Vergangenheit war alles bis ins Detail durchorganisiert. Es gab eine starke Kostenkontrolle, auf den Vertrieb und den Austausch untereinander wurde wenig Aufmerksamkeit gelegt.“ „Die Ausrichtung war ganz klar produktgetrieben und auf eine Optimierung der Produktion ausgerichtet“, ergänzt Christian Schmidt. „Wir glauben jedoch fest daran, unser Geschäft von dieser Basis aus, vor allem durch Kommunikation, voran zu bringen. Das Netzwerk unserer Kunden soll wachsen. Da wir das aber nicht allein bewerkstelligen können, war es uns wichtig, zunächst die interne Kommunikation zu stärken, um dann allseits nach außen tragen zu können, was uns ausmacht.“
Kein Ziel, dass von heute auf morgen gelingt, denn Entscheidungen selbst zu treffen und dann auch eigenverantwortlich zu handeln, war vielen der MitarbeiterInnen zunächst fremd und bedurfte mehrfacher Aufforderungen und einem ordentlichen Vertrauensvorschuss durch das neue Führungsteam. „Das war für uns alle ein Lernprozess.Und dass die von uns offerierten Freiheiten auch nicht durchweg als positiv empfunden wurden, liegt auf der Hand und führte zuweilen zu Orientierungslosigkeit und auch zur Trennung von langjährigen Mitarbeitern. Aber sie bot eben auch die Chance für Neueinstellungen und die Formierung eines Teams, das Lust darauf hat, den nun eingeschlagenen Weg mitzugehen. Christian Schmidt konkretisiert: „Die Grundvoraussetzung für den Wandel ist ja, dass man bereit ist, das Risiko einzugehen. Gerdas Eltern haben das Unternehmen über 20 Jahre sehr erfolgreich geführt und sich dann entschieden, loszulassen. Die Unternehmensberatung, die diesen Prozess begleitete, machte mehr als deutlich: Wenn ihr das Unternehmen den beiden in die Hand gebt, erkennt ihr es in einem halben Jahr nicht wieder.“ Das muss man wollen, zumal ein erster Versuch, die Tochter sanft ins Unternehmen zu holen, gescheitert war – zu unterschiedlich die Vorstellungen und die Bereitschaft sich anzupassen. Gerda Söhngen erinnert sich: „Ich wusste eigentlich schon nach einem Jahr, dass wir nicht gut zusammenarbeiten und es war sehr schwer, mich durchzuringen, dies meinen Eltern gegenüber auch zu äußern. Ich habe mich dann erstmal selbstständig gemacht und eine Familie gegründet. In der Zwischenzeit hatten meine Eltern unser zweites Unternehmen, die Werkzeugfabrik, verkauft und standen jetzt vor der Entscheidung, auch die Befestigungstechnik zu verkaufen. Dabei tauchte die Frage auf, ob ich es mir vielleicht nicht doch vorstellen könnte, das Unternehmen zu übernehmen? Das war schon ein starker Vertrauensbeweis. Gemeinsam haben wir dann ein Konzept erarbeitet, wie es gehen könnte. Und so sind wir hier.“
Wir fragen nach. Woran erkennt ihr, dass sich der von euch gewollte Wandel auch tatsächlich vollzieht? Christian Schmidt sagt: „Wir sind deutlich präsenter am Markt, werden einfach viel stärker wahrgenommen und bekommen hierzu auch entsprechende Resonanz. Gerade für die Größe unseres Unternehmens sind wir sehr aktiv, sind weltweit unterwegs und vernetzen die Leute miteinander – das fällt auf.“ Gerda Söhngen richtet den Blick nochmal nach innen: „Zudem haben wir eine deutliche Verjüngung in der Mitarbeiterstruktur erfahren, die sich auch positive auf MitarbeiterInnen ausgewirkt hat, die schon länger im Unternehmen sind – vieles ist beweglicher und auch persönlicher geworden. Zum Beispiel hatte ein Mitarbeiter während des ersten Lockdowns einen runden Geburtstag, da haben wir eine spontane Videopräsentation mit allen gemacht, wo KollegInnen und KundInnen Glückwünsche und Grüße aufgenommen haben und die wir uns dann zusammen angeschaut haben. Auch mal gemeinsam Grillen oder ein Bier trinken gehören inzwischen zur Unternehmenskultur.“ Und auch im Umgang mit den Kunden werden die Veränderungen spürbar. „In der eher konservativen Baubranche fallen wir schon mit Kleinigkeiten auf. Wenn statt Cola und Orangensaft mal Red Bull auf dem Besprechungstisch steht und statt der klassischen Keksmischung eine Candy-Bar aufgebaut wird, sorgt das schon für Gesprächsstoff“, freut sie sich. „Wir überlegen einfach, wo wir selbst Lust drauf haben – so einfach ist das.“
Dennoch wissen die beiden, es ist eine Gratwanderung. Um nicht den Stempel „Auffallen um jeden Preis“ aufgedrückt zu bekommen, müssen sie inhaltlich überzeugen und die Ernsthaftigkeit ihrer Arbeit nach wie vor unter Beweis stellen. Gerda resümiert: „Das war schon ein langsames Herantasten an das, was geht. Das fing zunächst mal mit einem lockeren Kleidungsstil an, dann haben wir von der Sie- auf die Du-Kultur gewechselt, haben versucht persönliche Beziehungen zu unseren Mitarbeitern und Kunden aufzubauen. So wurde es allmählich immer mehr und unsere Zahlen zeigen, dass auch was dabei rumkommt. Dadurch, dass die Produkte am Markt immer vergleichbarer geworden sind, möchten wir unserem technischen Know-how einfach noch etwas hinzugeben und freuen uns, dass das auch so wahrgenommen wird. Wir können gut feiern, aber eben auch gut arbeiten“, grinst sie.
So setzen die beiden trotz aller Lockerheit auf eine hohe Leistungsbereitschaft ihrer MitarbeiterInnen und nehmen sich die Zeit für entsprechende Beurteilungen. Dabei merkten sie auch, dass das Team Zeit braucht, den vielen Input, den sie in den letzten Monaten ins Unternehmen gegeben haben, zu verarbeiten. Ideen müssen reifen können, um zu einer erfolgreichen Umsetzung zu führen und die Motivationskurve nicht abflachen zu lassen. Christian Schmidt ist sich sicher: Uns allen hat es gut getan, als Gerda als Außenstehende hinzukam und einfach viele Fragen gestellt hat – quasi mit kindlicher Unbefangenheit – diese Neugier möchten wir uns unbedingt erhalten, denn sie wird uns helfen, nach vorne zu denken und unser Geschäft auszubauen. Insgesamt sind wir einfach dankbar für die tolle Ausgangsbasis und wir sind stolz darauf, dass KEIL gerade erst von der ZEIT-Verlagsgruppe in die Reihe der Marken des Jahrhunderts aufgenommen wurde.“