In Zukunft BIM? B11, Braunschweig
Das Büro Gaudlitz Architekten GmbH plant derzeit in Braunschweig das fünfgeschossige Verwaltungsgebäude B11 für Volkswagen Financial Services (VWFS). Eine besondere Relevanz hat dabei die digitale, prozessorientierte Planungsmethode BIM, mit der durch virtuelle, fachspezifische Bauwerksmodelle Planungs- und Bauprozesse optimiert und vereinfacht werden sollen. Mit zusätzlichen Informationen angereicherte 3D-Modelle dienen dabei als umfangreiche Gebäude-Datenbanken. Im Rahmen des vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Mo-
dellprojekts „BIMiD – BIM Referenzobjekt in Deutschland“ wird das Braunschweiger Projekt über die gesamte Planungs- und Bauzeit wissenschaftlich begleitet.
BIM revolutioniert die Baubranche: Der Neubau B11 ist nicht das einzige Bauvorhaben in Deutschland, in dem die BIM-Methode angwendet wird. Das Büro- und Schulungsgebäude spielt jedoch deshalb eine besondere Rolle, weil der Bauherr vor Planungsbeginn im Rahmen des BIMiD-Förderprojekts den Zuschlag als Referenzprojekt erhalten hat und daher von Beginn an sämtliche BIM-Prozesse im Projekt begleitet und evaluiert werden. Ziel des Förderprojekts ist, die BIM-Methode am konkreten Objekt zu demonstrieren und Referenzprozesse zu entwickeln. Grundsätzlich können in BIM-Projekten Bauwerksmodelle der Fachplaner zu Koordinationszwecken zusammengeführt werden, um mögliche Kollisionen unterschiedlicher Gewerke frühzeitig zu erkennen. Zudem sorgt BIM für eine höhere Planungs- und somit Kostensicherheit. Das Beratungsunternehmen DhochN bereitet im Auftrag des Bauherrn die Prozesse auf, um diese für zukünftige Projekte weiter zu optimieren und über die Bauphase hinaus Daten für das Facility Management von VWFS liefern zu können.
Planungs-Transparenz
In Braunschweig konnte das Verfahren für verschiedene Prozesse
genutzt werden: Zum einen ging es dabei um gestalterische Entscheidungen in Bezug auf die Architektur, aber auch um Kollisionsprüfungen verschiedener Fachplanungen, um Kostenplanung,
Ausschreibung, LVs und Abrechnung, bis hin zur Baustellenüberwachung. Sabine Burkert, Projektleiterin der VWFS, hebt besonders zwei Aspekte der Erleichterung im Planungsablauf hervor: „Es war beeindruckend, zu sehen, wie die BIM-Methode die Kommunikation der einzelnen Beteiligten vorangetrieben hat. Wir hatten als Bauherr zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine ganz andere Planungs- und damit Kostensicherheit als in konventionellen Projekten. Sehr früh war die Planung soweit abgeschlossen, dass im Prinzip alle Ausschreibungen gleichzeitig und vor Baubeginn auf dem Markt waren. Zum anderen haben wir die Kollisionsprüfungen als sehr konstruktiv wahrgenommen.“ Außerdem betont die Projektleiterin die große Transparenz zwischen Bauherr und Planern und die damit verbundene stärkere Kontrolle des Bauherrn über sein Projekt. Das liegt unter anderem an der Möglichkeit, die Dimensionen Kosten und Zeit einzubinden. Man spricht dann von 5D-Modellen. Ebenso konnte das Abrechnungsverfahren durch die virtuelle Methode stark vereinfacht werden. Der Rohbau wurde ohne Aufmaß abgerechnet, da das Modell als Berechnungsgrundlage für Mengen und Massen diente.
„Auch für uns als planendes Architekturbüro war es eine positive Erfahrung, dass viele Entscheidungen in einer sehr frühen Phase getroffen werden mussten, Kollisionen vermieden werden konnten und die Ausschreibungen vor Baubeginn fertiggestellt waren“, erklärt hierzu Architekt Cornel Gaudlitz. „Eine große Chance der Arbeitsweise mit virtuellen Bauwerksmodellen sehen wir zudem in der räumlichen Unabhängigkeit der beteiligten Fachplaner.“
Gefordert hatten die Bauherrn zum Abschluss des Bauvorhabens und für den weiteren Betrieb des Gebäudes ein so genanntes ‚as-built-Model‘, ein Modell des Ist-Zustands des Gebäudes. Der Vorteil: Alle Informationen stehen gebündelt in einem Modell zur Verfügung.Änderungen auf der Baustelle sind umgehend in das virtuelle Bauwerksmodell eingeflossen. Somit konnte ein as-built-Model im Sinne eines Leistungsnachweises umgesetzt werden. Die Jade Hochschule Oldenburg ließ zwei Mal einen Laserscan mitlaufen, um den Baufortschritt zu dokumentieren und in einer Qualitätskontrolle das Bauwerksmodell mit dem Gebäude abzugleichen.
Besonders spannend waren außerdem zwei außergewöhnliche Besprechungstermine im „Immersive Engineering Lab“ am Fraunhofer IAO in Stuttgart. Dabei handelt es sich um ein mehrseitiges, großflächiges Stereoprojektionssystem zur interaktiven, räumlich-maßstäblichen Visualisierung von Gebäuden. Die Daten hierfür stammten aus den BIM-Modellen der Architekten aus Wolfsburg und der Berater aus Berlin. Bei diesen Besprechungen war es den Beteiligten möglich, sich virtuell im Gebäude zu bewegen und über Detailfragen abzustimmen. Eine Technik, die durch das Fraunhofer IAO an dieser Stelle möglich war. In „normalen“, nicht durch Forschung begleiteten BIM-Projekten läuft die Kommunikation derzeit zwischen den Beteiligten über 3D-Modelle an Computerbildschirmen ab.
Herausforderungen und Grenzen
Eine der größten Herausforderungen des Projekts stellte für den Bauherrn der menschliche Faktor dar. „Wir mussten teilweise sehr viel Überzeugungsarbeit leisten, um die neue Arbeitsmethode unter den Planern zu implementieren“, so Bauherrenvertreterin Burkert. „Das war für uns nicht immer einfach, da wir selbst auch nicht über Erfahrungen mit BIM verfügten. Das hierfür nötige Change-Management haben wir unterschätzt.“ Und auch Architekt Gaudlitz sieht hier mögliche Herausforderungen: „Es geht nicht nur darum, dass Kollisionen innerhalb des Planungsprozesses sehr viel schneller transparent werden, man muss auch sehr gut im Team arbeiten können. Durch den BIM-Prozess werden alle Planungsstränge, viel früher als im herkömmlichen Planungsablauf, parallel bearbeitet.“
Neben dem Faktor Mensch gab es auch technische Hürden, die zum Teil als solche bestehen blieben und somit eine derzeitige Grenze des Verfahrens aufzeigen. Teilweise blieb die fehlende Kompatibilität der verwendeten Software ein Problem, so dass das Übereinanderlegen der Modelle aus verschiedenen Programmen problematisch war. Aktuelle BIM-Themen sind daher, die Konfiguration und Standardisierung der einzelnen Informationspakete, welche über IFC-Datenprozesse zwischen den Beteiligten ausgetauscht werden können. „Medienbrüche sind derzeit tatsächlich noch ein Problem“, bestätigt der Architekt. Allerdings muss nicht nur die Software stimmen, auch die Rechnerleistungen müssen an die zu bewältigenden Datenmengen angepasst werden.
In Zukunft BIM?
Volkswagen Financial Services war unter anderem deswegen für das Referenzobjekt ausgewählt worden, da die Bewerbung vom Bauherrn selbst ausging, der bereits zum Bewerbungszeitpunkt die Absicht formulierte, in Zukunft mit dem BIM-Verfahren nicht nur planen und bauen, sondern auch die Gebäude betreiben zu wollen. An dieser Idee hat sich durch die bisherigen Erfahrungen nichts geändert – im Gegenteil: „Wir waren im Verlauf des Projekts immer begeisterter und haben immer mehr ausprobiert, als wir anfangs gedacht haben“, erklärt hierzu Sabine Burkert. „Wir sind sehr überzeugt von der Methode und möchten auch in Zukunft ausschließlich über modellbasierte, digitale Prozesse arbeiten.“ Dabei sollen Prozessstandards aus dem laufenden Projekt für weitere Objekte abgeleitet werden. Gemeint sind damit keine gestalterischen Vorgaben, sondern Methoden-Vorgaben, in denen beispielsweise festgelegt wird, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt in das Modell einfließen sollen oder wie das Modell aufgearbeitet sein muss, um aufgrund dieser Informationen die Immobilie später effizient betreiben zu können.
In der Architektur geht es aber nicht allein um Effizienz, sondern auch um Gestaltung. Besteht durch die Standardisierung die Gefahr zu starker Vereinheitlichung? Eine Frage, die Gunther Wölfle, Geschäftsführer von buildingSMART e.V. und verantwortlich für die
Öffentlichkeitsarbeit bei BIMiD, häufiger beantworten muss: „BIM zielt vor allem darauf ab, einzelne, wiederkehrende Schritte im Planungs- und Bauablauf zu vereinfachen und nicht immer wieder neu zu erfinden. Es geht um standardisierte, effizientere Prozesse – nicht um vereinheitlichte Gestaltung – also um Fragen wie: Wer kommt wann ins Spiel? Oder: Wann brauche ich welche Informationen in welcher Qualität von wem? Nicht um Entwürfe aus der Schublade!“
Die Idee eines so genannten „Big Open BIM“, der größtmögliche Datenaustausch zwischen möglichst vielen Projektpartnern mittels offener Austauschformate, ist zum jetzigen Zeitpunkt technisch noch nicht realisierbar, für Architekt Gaudlitz aber wünschenswert. „Schon heute stehen uns durch das Verfahren extrem verbesserte Werkzeuge und Prozesse zur Verfügung“, betont der Planer. Nina Greve, Lübeck