Konstruktive Lösungen
für die Zukunft entwickeln
Interview mit BDB-Präsident
Hans Georg Wagner

Die Energie- und CO2-Problematik, soziale und wirtschaftliche Entwicklungen und nicht zuletzt die derzeitige internationale
Finanzkrise verändern das Arbeiten und die Handlungsspielräume von Architekten und Ingenieuren in nicht unerheblicher Weise. Über Einschätzung und mögliche Lösungen und Ansätze sprach die DBZ-Redaktion mit
dem BDB-Präsidenten Hans Georg Wagner, PStS a. D. 

Was wir für die Zukunft brauchen, sind neue städtebauliche Lösungen, die Antworten auf die jetzige Situation geben und gleichzeitig Spielraum aufzeigen für die mit der demografischen Entwicklung einhergehenden so-
zialen Probleme. Wie sehen Sie Architekten und Bauingenieure hier in der Pflicht? 

: Architekten und Bauingenieure haben einen hohen gesellschaftspolitischen Auftrag. Sie müssen durch Kreativität, Kompetenz und Gestaltungswillen den Menschen dienen. Die demographische Entwicklung konkret in die städtebauliche Gestaltung des baulichen Umfeldes einzubringen, stellt eine große, aber auch großartige Aufgabe dar.


Gegenwärtig werden in Europa vorhandene Städte, Infrastrukturen und Gebäude den veränderten Anforderungen unter den Aspekten Energieeffizienz, Bauen im Bestand, barrierefrei, weniger Kinder und ältere Generationen, und alles mit weniger Primärenergieeinsatz, umgeplant, umgestaltet und umgebaut. Haben Architekten und planende Bauingenieure aus Ihrer Sicht schon die richtigen Antworten gefunden? 

: Aufgrund einer Initiative des BDB hat die
europäische Bauministerkonferenz während der deutschen EU-Präsidentschaft in der Charta von Leipzig von 2008 die bis dahin gültige Charta von Athen abgelöst: Ab sofort gilt die Durchmischung unserer Städte und Dörfer mit den Daseinsfunktionen der Menschen, also Arbeiten, Wohnen, Bilden, Erholen, sich versorgen, Kommunikation statt der Entmischung wie bisher. Die Umsetzung wird dauern. 

Das wohl derzeit am häufigsten diskutierte Thema heißt „Nachhaltiges Bauen“. Nicht nur, weil das unser zukünftiges Bauen bestimmen wird, sondern, weil nach den Ansätzen der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bau-
en – DGNB – die Vielzahl der Kriterien und Anforderungen veränderte und höchste Ansprüche an alle Planungs- und Ausführungsbeteiligten stellt. Wie steht der BDB zu diesem Thema? 

: Der BDB war, ist und bleibt der aktive Verfechter des „Nachhaltigen Bauens“. Allerdings müssen wir uns anstrengen, uns von den Zögerern zu trennen und auch mal Aufträge nicht annehmen. Das fällt schwer und bedeutet viel Überzeugungsarbeit. 

Sie haben mit dem BDB über Ihre Landes- und Regionalverbände intensiven und direkten Kontakt zur Basis. Was tut sich da, was beschäftigt die Menschen in den Büros, auf welche Themen konzentriert sich die Diskussion?

: Die Sorge um Arbeit und Arbeitsplätze treibt auch Architekten und Bauingenieure um. Deshalb muss die Forderung nach Ver­stetigung der Bauaufgaben an erster Stelle stehen. Sowohl öffentliche als auch private Bauaufgaben dürfen nicht schwanken wie die Ähren im Wind. Viele Wettbewerbe tun Not. Nur so können die besten Ideen umgesetzt werden. 

Eine ganz wichtige Frage, die alle Architekten und Ingenieure betrifft, ist die nach der HOAI. Staatssekretär Lütke Daltrup vom BMVBS hat Anfang Dezember erste positive Signale ausgesendet. Was wird aus der HOAI, bleibt sie, wenn ja, was verändert sich? 

: Ich hoffe sehr, dass die Große Koalition in Berlin das auch umsetzt, was sie selbst im Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 vereinbart hat. Seit 1996 bieten wir wie Sauer-Bier unsere Mitarbeit bei der Novelle an. Was jetzt angekündigt wurde, hört sich gut an, aber schriftlich liegt noch nichts vor. Und im Übrigen, wenn die von der Bundesregierung beauftragten Gutachter die Abkoppelung der Honorare von Architekten und Bauingenieuren von der allgemeinen Einkommensentwicklung mit 25-30 % bestätigen, können die 10 % Erhöhung der Tafelwerte nur die allererste Rate sein.

Architekten und Ingenieure arbeiten nach wie vor im Ansatz, Generalisten zu sein und ganzheitliche Lösungen zu entwickeln. Dazu gehört unausweichlich, das im Sinne von integralen Prozessen geplant und gearbeitet wird. Die Praxis zeigt aber, dass trotzdem nicht alles optimal läuft. Kann man aus Ihrer Sicht „Problemzonen“ ausmachen und Lösungen aufzeigen. Architekten und Bauingenieure haben beim Planen und Bauen Generalisten zu sein, aber keine Besserwisser.
Sie müssen gesellschaftspolitisch präsent sein, denn nur, was den Menschen dient wird gut und Teil der Baukultur. Denkmäler gibt’s genug.

Der BDB pflegt traditionell den Kontakt und die Entwicklung besonders von Studenten, den angehenden Architekten und Ingenieuren. Was geben Sie diesen jungen Menschen mit auf den Weg für ihre berufliche Entwicklung, was empfehlen Sie ihnen, um den Anforderungen an unsere zukünftige
gebaute Umwelt gerecht zu werden?

: Der BDB kümmert sich intensiv um die Studentinnen und Studenten und gibt auch Hinweise. Leider haben sich die Rahmenbedingungen unserer Studierenden massiv
geändert. Leistungsdruck, Studiengebühren, Sorgen um die Existenz lassen keinen Raum für integrale gesellschaftliche Aktivitäten. Hohe Qualifikation verbunden mit allge-
meinen Engagement gehört dazu. Intensivere Bildung ist gut, aber dafür zu kassieren, ist einem modernen Staat nicht ange-
messen. Jeder, egal wie die finanziellen Möglichkeiten aussehen, muss die seinen
Fähigkeiten entsprechende Bildung bekommen.


Und zum Schluss: Was empfehlen Sie Ihren Mitgliedern, aber auch allen Architekten und Ingenieuren, wohin sollen sie sich orientieren, in welche Aufgaben sollen sie investieren? Wo ist jetzt Handeln angesagt?

: Wir dürfen uns vor der demographischen Entwicklung nicht verstecken, sondern versuchen, sie konstruktiven Lösungen zuzuführen. Bis 2050 leben in Deutschland 30 % der Bürger, die älter als 60 Jahre sind. Heute haben wir 250 000 seniorengerechte Wohnun-
gen in Deutschland. Bis 2050 brauchen wir von den 39 Mio. Wohnungen im Bestand ca. 13 Mio. als altersgerecht ausgebaut. Dies erfordert sowohl ergänzenden Neubau als auch Bauen im Bestand. In Kenntnis dieser Fakten sollten sich meine Kolleginnen und Kollegen vorbereiten. Die jetzige Koalition hat 80 Mio. Euro in den Bundeshaushalt 2009 als Einstieg eingebracht nach dem Motto: Wer sich schnell meldet, ist als Erster dran. Es ist also ratsam, sich sofort mit dem Problem zu befassen. Übrigens, ohne den BDB und sein Engagement gäbe es dieses Programm nicht. Deshalb erwarte ich von unseren Mitgliedern, dass sie uns helfen, die Skeptiker des Engagements zu überzeugen.

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