Lehrmethode DesignBuild: Bauen im Studium

An dieser Stelle zeigen wir normalerweise Projekte, die Student*in­nen im Rahmen des Studiums realisieren – Erstwerke. In dieser Ausgabe wirft ­Jakob Bahret einen Blick auf ­Potentiale und Schwächen der ­Lehrmethode, die diesen Projekten zugrunde liegt.
Zehn Stunden am Tag auf der Baustelle arbeiten und dafür bezahlen, Sonnenbrand trotz LSF 50 und Betonieren mit Schubkarre und Eimern bei strömendem Regen. Das erlebte ich auf der DesignBuild Baustelle in Tansania, an der ich 2015 teilnahm.
Als DesignBuild werden in der Architekturlehre Projekte bezeichnet, bei denen neben der Planung auch die Realisierung von Student*innen durchgeführt wird. Lernen durch tatsächliches Bauen ist der methodische Ansatz. Letztes Jahr widmete das Architekturmuseum der TU München diesem Thema eine Ausstellung und lieferte zusammen mit dem Katalog einen Überblick, auch über die das Thema begleitende Diskussion: „Experience in Action! DesignBuild in der Architektur“. Die TUM selbst führt seit Jahren DesignBuild-Projekte durch.
Die Geschichte dieser Lehrmethode ist lang. Die Kuratorin der Ausstellung, Vera Simone Bader, beschreibt sie in ihrem Beitrag im Katalog – das Bauhaus, das Black Mountain College in den USA und die Ciudad Abierta in Chile sind Beispiele aus dem letzten Jahrhundert. Neben der praktischen Erfahrung bot die Lehrmethode Raum für unterschiedliche experimentelle didaktische Ideen: Aktivismus, das Aufbrechen hierarchischer Strukturen der Lehre und interdisziplinäre Ansätze wie soziologische Methoden, beispielsweise in der Bedarfsermittlung solcher Bauvorhaben im Bauhaus.
Die Projekte eint auch heute kein einheitliches Konzept, die Ansätze sind vielseitig, die Namen unterschiedlich; „DesignBuild“ ist nur einer von ihnen. Auch die Ziele sind nicht gleichlautend definiert, wodurch sich die Projekte schwer vergleichen und evaluieren lassen und die Diskussion diffus wirkt. Häufig werden Gebäude im globalen Süden von Institutionen und Student*innen aus dem globalen Norden gebaut. Kritisiert werden die neokolonialen Strukturen, die durch solche Projekte reproduziert würden und sich festigten. Als Rechtfertigung dient der soziale Anspruch, dem sich die Projekte verpflichtet fühlen. Ob dieser erfüllt wird, ist fraglich. Es wäre wichtig, sich näher mit postkolonialen Machtstrukturen, aber auch einfach mit den fremden Gegebenheiten und Lebensgewohnheiten zu beschäftigen. Oft sehen die Student*innen die einheimische Bevölkerung und das Grundstück das erste Mal, wenn sie ankommen, um zu bauen – und das meistens unter großem Zeitdruck.
Als Lehrangebot müssen die Projekte sich dem Curri­culum unterordnen, Leistung wird auch hier benotet. In gewisser Weise gelten viele der Kritikpunkte an DesignBuild auch für weite Bereiche der Architektur. Auch sie bildet bestehende Machtverhältnisse ab, das Bauen, also das Produzieren von Gebäuden, scheint wichtiger als die wenig lukrative selbstkritische Evaluation. Reglementierung und Bürokratie engen den Handlungsspielraum ein und machen das Experiment sehr unattraktiv. Muss Architektur so sein?
Die Lehre und in ihr DesignBuild-Projekte böten auch heute eine Möglichkeit, Dinge etwas anders zu machen. Und das ist auch ihr Potential. Besonders wichtig scheinen das fertige Gebäude und die schönen Bilder zu sein, die Institutionen als Beweis ihrer ­sozialen, internationalen und nachhaltigen Ausrichtung präsentieren. Wenn wir die Lehre ernst nehmen, muss aber auch der Prozess berücksichtigt werden, nicht nur das Resultat. Diese Sichtweise haben wir auch in der Ausstellung betont. In vier thematischen Schwerpunkten, Recherche, Dialog, Entwerfen und Bauen, wurden 16 Projekte verschiedener Institu­tionen vorgestellt.
DesignBuild könnte ein Instrument sein, um der komplexer werdenden Realität einer globalisierten Welt zu begegnen. Nachhaltigkeit, globale Verständigung und soziale Gerechtigkeit müssten keine add-ons, sondern Grundlage und Inhalt von Architektur und dessen Lehre werden. So könnte DesignBuild „vor der eigenen Haustüre“ aktivistisch wirksam werden. Wenn Projekte im globalen Süden stattfinden sollen, sollten die Privilegien des globalen Nordens geteilt, Menschen vor Ort eingebunden und mit ihnen und nicht für sie Entscheidungen gefällt werden, um wirklich voneinander zu lernen. Manche DesignBuild-Projekte haben erste Schritte in diese Richtung aufgezeigt. Welchen negativen Einfluss das Bauen haben kann, zeigt nicht nur die Kritik der Gegner von ­DesignBuild- Projek­ten, sondern auch der enor­me negative Einfluss aufs Klima, den der Bausektor hat. Also bitte mehr anders!
Jakob Bahret ging nach dem Abitur mit dem „weltwärts-Programm“ des BMZ für ein Jahr nach Tansania. Seitdem engagiert er sich für den Austausch mit Tansania und beschäftigt sich mit der Entwicklungszusammenarbeit. Im ersten Semester seines Architekturstudiums an der TUM war er auf einer Baustelle in Kibwigwa in Tansania. Als HiWi arbeitete er mit an der Ausstellung „Experience in Action! DesignBuild in der Architektur“ und dem begleitend publizierten Katalog.
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