Leicht, schnell, dicht
Experimenteller Wohnungsbau Ostersiepen, Wuppertal

Hinter einer Fassade aus Schichtstoffplatten in verschiedenen Grüntönen verbergen sich bei drei Studentenwohnheimen in Wuppertal vorgefertigte Holztafel­elemen-te. Für die Architekten von Architektur Contor Müller Schlüter, ACMS-Architekten GmbH war der Grund für diese Konstruktion der Anspruch, kostengünstig und ökologisch zu bauen und dem Passivhausstandard zu entsprechen.

Die drei Kuben des experimentellen Wohnbaus Ostersiepen sitzen auf verschiedenen Plateaus am Hang des Grifflenbergs, auf dem der Hauptcampus der Universität Wuppertal untergebracht ist. Durch ihre Lage bilden sie den Übergang zwischen Campus und Stadt. Gestalterisch ordnen sich die Würfel den höher gelegenen Gebäuden der Burse, ebenfalls Studentenwohnheime, unter. Die Ähnlichkeiten lassen erahnen, dass für die drei Neubauten das Büro ACMS Architekten verantwortlich zeichnet, das zusammen mit Petzinka Pink Architekten bereits vor etwa 15 Jahren den weitreichenden Umbau der 1970er-Jahre-Wohnheime der Burse geplant hat.

Seitdem ist das Büro für das Hochschul-Sozialwerk Wuppertal der verlässliche Ansprechpartner, wenn es um den Bau und die Sanierung von Studentenwohnheimen geht. Der Direktauftrag zur Planung der neuen Apartments am Hang ging daher an ACMS Architekten. „Da die drei Würfel eher klein sind, haben wir sie gestalterisch mit der Burse verankert, um deutlich zu machen, wohin sie städtebaulich gehören“, sagt Projektleiterin Anna Klos von ACMS Architekten. Bekannte Konstruktionsprinzipien und wiederkehrende Gestaltungselemente verbinden Neubauten und Bestandsgebäude optisch zu einem Ensemble.

Quadratisch, grün, flexibel

Möglichst energieeffizient sollten die Bauten sein, den Studierenden Wohnformen von Einzelapartments über Zweier- bis hin zu Sechser-Wohngemeinschaften bieten und – um die Mieten gering halten zu können – kostengünstig verwirklicht werden. Den anspruchsvollen Katalog ergänzten die Architekten und der Bauherr, indem sie sich dafür entschieden, die Grundrisse flexibel zu gestalten. So können die Apartments mit geringem Aufwand zu Unterkünften nach den Vorgaben des öffentlich geförderten Wohnungsbaus umgebaut werden.

Aufgrund der Lage am Hang, aber auch aus Gründen der Energie-effizienz und der gewünschten Grundrisse ergab sich die Forderung nach drei kompakten Baukörpern. Sie ermöglichen eine reduzierte Tragstruktur mit einem Kern (beziehungsweise einem tragenden „T“) und Stützen, die an den Deckenrändern platziert sind. Die Tragweiten erlauben Flachdecken, mit denen sich zusätzlich Stahlbeton einsparen ließ. Da keine weiteren tragenden Elemente nötig waren, ließen sich die Innenwände komplett im Trockenbau erstellen. Für die Flexibilität der Grundrisse ist die unkomplizierte, achsensymmetrische Konstruktion sehr von Vorteil.

Leicht, schnell, präzise

Die studentischen Wohnhäuser wurden im Passivhausstandard realisiert. Im Vergleich zu einer Betonwand mit vorgesetzter Dämmung haben vorgefertigte Holztafelelemente den Vorteil einer geringeren Wandstärke und binden deutlich weniger graue Energie bei der Herstellung. Somit sorgen sie für eine massive CO2-Einsparung, die im Fall der Wuppertaler Bauten laut Architekten bei 140 t liegt. Vorgefertigte Holztafelelemente sind in der Regel von höherer Qualität als auf der Baustelle erstellte Holzfassaden. Im Werk lassen sich die Wand-elemente in einheitlichen Größen produzieren und die Fensteranschlüsse können präzise ausgeführt werden. Damit wird eine Dichtigkeit erreicht, die sich bei der konventionellen Bauweise nur schwer verwirklichen lässt. Mit der Entscheidung, ein energieeffizientes Gebäude zu errichten, war für die Architekten daher auch die Planung der Bauten mit vorgefertigten Holztafelelementen verbunden. 

Aufgrund der erarbeiteten Grundrissgrößen legen ACMS Architekten für die Holztafelelemente ein Achsmaß von 70 cm – statt der regulären 62,5 cm – fest. Die Gipskartonplatten der Außenwände werden auf die OSB-Platten – und nicht direkt auf die Ständer – geschraubt, so dass die Vergrößerung des Achsabstandes möglich wurde. Im weiteren Planungsverlauf musste diese Besonderheit stets deutlich kommuniziert werden, um zu vermeiden, dass Handwerker mit falschen Maßen kalkulierten. Für den Hersteller der Holztafelelemente spielte das abweichende Achsmaß keine Rolle. Die Architekten hatten nur von Firmen Angebote angefordert, in deren Werken auch großformatige Platten verarbeitet werden können. Reinhold Brüggemann, Geschäftsleiter des Herstellers der Holztafelelemente, erklärt: „Die CNC-Anlagen in unserem Bearbeitungszentrum berechnen automatisch, wie das Material optimal ausgenutzt werden kann. Jeder Werkstoff, der auf den Verarbeitungstisch kommt, wird bei uns vorher maschinell zugeschnitten. Die Einzelteile müssen dann nur noch zusammengesetzt werden.“

Da Passivhausstandard gefordert war, verzichteten die Planer bei den tragenden Stützen der Rahmenkonstruktion auf Massivholz und wählten stattdessen die für energieeffiziente Konstruktionen üblichen Doppelstegträger. Für den Passivhausstandard war es wichtig, dass die Dämmung den Raum zwischen den OSB-Platten in jedem Bereich ausfüllt und die Wärmebrücken auf ein Minimum reduziert werden. Mit der hochwärmegedämmten Elementfassade erreichten die Architekten einen Primärenergiebedarf von 31 – 36 kWh/m²a nach der EnEV 2009. Ein Nachteil der Konstruktion seien laut Hersteller die Fensteranschlüsse, da sie im Vergleich zu einem Tafelelement mit einem Massivholzrahmen komplizierter zu erstellen sind. Die Außenwände sind frei von TGA-Installationen.

Die Holztafelelemente wurden geschossweise vor die reduzierte Stahlbetonkonstruktion gehängt und haben eine Länge von etwa 15 m. Die Wandbauteile ließen sich innerhalb von etwa zwei Wochen montieren, danach konnte der Ausbau beginnen. Damit verkürzte sich im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise die Bauzeit, wodurch Kosten eingespart werden konnten. Das ist allerdings nur möglich, wenn eventuelle Maßabweichun­gen des Rohbaus von den Architekten bei der Planung überall mitgedacht werden. Die Holztafelelemente werden zeitlich parallel zum Rohbau erstellt – es gibt also kaum Möglichkeiten, später mit der Konstruktion der Fassade eventuelle Toleranzen aufzufangen. In Wuppertal wurde hinter den Blechabdeckun­gen der Deckenplatten ein entsprechender Spielraum eingeplant. Dort sind die Konsolen angeordnet, welche die Holztafelelemente halten beziehungsweise auf denen sie auflagern. Je nachdem, wie sehr die Deckenstärken des Rohbaus von den Planungen abweichen, lässt sich das Auflager durch entsprechend dicke Hölzer, die untergelegt werden, justieren. Von außen bleibt diese Anpassung unsichtbar.

Vorplanen, vermitteln, variieren

„ACMS Architekten legt bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen Wert auf eine ausführliche Dokumentation, die belegt, was wie verbaut wird“, sagt Architektin Anna Klos. Mit einer genauen Prozess- und Montageplanung sowie zahlreichen Abstimmungsgesprächen garantieren die Architekten von Anfang an einen reibungslosen Bauablauf. „Uns geht es nicht nur um die Planung, wir bauen auch gerne“, sagt sie. Den Bau bis ins Detail zu durchdenken und sich mit den an der Planung beteiligten Unternehmen präzise abzustimmen und Vereinbarungen zu treffen, ist für die Architektin ganz selbstverständlich.

Vorfertigung bedeutet nicht automatisch Monotonie: Die Anordnung der Holztafelelemente wiederholt sich auf den verschiedenen Gebäudeseiten in jedem zweiten Geschoss. Die scheinbar willkürliche Gliederung der Schichtstoffplatten mit ihren verschiedenen Grüntönen – Sonderfarben, deren genaue Zusammensetzung vom Berater Prof. Friedrich Schmuck aus Dinslaken speziell für dieses Gebäude entwickelt wurde – sorgt dafür, dass diese Wiederholung nicht auf den ersten Blick ablesbar wird. Zusätzlich tragen die unterschiedliche Drehung der Gebäude und ihre versetzte Lage am Hang dazu bei, die Ansichten des Ensembles zu variieren.

Die Umwandlung der Studentenwohnun­gen zu Sozialwohnungen wäre bei den Häusern verhältnismäßig einfach zu erreichen: Meist müssten nur die Trockenbauwände versetzt und die Bäder – jedes Apartment, aber auch beinahe jeder Wohnraum verfügt über ein eigenes – herausgenommen beziehungsweise zusammengelegt werden. Dass ein solcher Umbau jemals stattfinden wird, ist aber im Moment nicht abzusehen: Dafür sind die attraktiven Wohnräume gleich neben der Universität bei den Studenten viel zu beliebt. Claudia Hildner, Düsseldorf

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