„Parametrische Modelle muss man sehr sorgfältig planen und prüfen, denn der Computer übernimmt natürlich auch jeden Fehler“Interview mit Markus Schietschwww.markusschietsch.com
DBZ: Was war die Grundlage für den Entwurf?
Markus Schietsch: Der Zoo Zürich versteht seine Anlage als durchgängigen Landschaftsraum. Architektur wird entweder versteckt oder als exotische Szenografie integriert. Da das Elefantenhaus eine 5 500 m² große Halle ist, konnten diese Strategien nicht funktionieren. Unsere Idee war es,
ein großes hölzernes Dach zu bauen unter dem die Elefanten leben. Auch alle anderen Funktionen sind unter dem Dach angeordnet.
Wir wollten erreichen, dass Architektur und Landschaft eine Synthese bilden.
Aus welchen Personen bestand das Wettbewerbsteam?
In der ersten, konzeptionellen Phase, bestand es aus dem Landschaftsarchitekten Lorenz Eugster und mir. In der zweiten Stufe, als es an die Umsetzung ging, haben wir die Tragwerksingenieure Walt + Galmarini dazu genommen. Das Besondere an dem Gebäude ist, dass die Form, also die Schale, auch das Tragwerk ist. Das bedeutet, dass Ausdruck und Statik zusammenfließen. Es gab zwei Herangehensweisen, um die Form zu finden. Wir Architekten haben sehr viele physische Modelle gebaut und uns mit Naturanalogien auseinandergesetzt. Wir haben nach der naturhaften schönen geschwungenen Form gesucht und diese in NURBS-Schalen nachgebildet. Gleichzeitig haben die Ingenieure nach der Kettenlinie, die umgedreht den idealen Bogen bestimmt, ein Hängemodell gebaut, es dann belastet und so mit Hilfe des Computers die perfekte Form aus Sicht der Statik bestimmt.
Also erstmal zwei unterschiedliche Formen. Und wie haben Sie sich dann getroffen?
Die statisch ideale Form hatte natürlich einen höheren Stich als die Form, welche wir entwickelt hatten. Die Ingenieurform war sehr ebenmäßig und wirkte nicht mehr wie eine natürlich „gewachsene“ Form. In einem iterativen Prozess haben wir die beiden Formen aneinander angeglichen. Wir haben den Schwerpunkt der Schale verlagert und die ideale Schale so modifiziert, dass sie in Tragverhalten zwar noch effizient war, aber im Ausdruck unserer naturhaften Form entsprach. Ähnlich war es auch mit der Form des Dachrands.
Die doppelte gekrümmte Dachschale wird ja erst so richtig plastisch durch die zurückgesetzte Lamellenfassade. Können Sie mir etwas darüber erzählen?
Wir wollten einen fließenden Übergang von Außen nach Innen schaffen. Außerdem war uns wichtig, dass man versteht an welchen Stellen das Dach ablastet und wo es frei spannt. Wir haben dann die statischen Elemente und die Fassade zu einem sich stetig verändernden System zusammengeführt. Die Fassade folgt dem Dachrand, schwingt dabei aus und ein und verändert andauernd ihre Form und ihren Zustand. Im Bereich der Stützen zeichnet sie das Ablasten des Daches nach und ist breit und tief und schließt ans Dach an. In den Bereichen der Bögen wird sie schlank und licht und löst sich von der Dachfläche ab. So ensteht jedoch eine sehr komplexe Geometrie, die wir nur mittels Parametrisierung unter Kontrolle bringen konnten.
Wir haben dafür sogenannte Key-frames mit Parametersätzen, also Beschreibungen des jeweiligen Zustands definiert. Bei jedem Hochpunkt und jedem Tiefpunkt der Fassade wurde ein Parameter-Set definiert, der die Form der Fassade an diesem Punkt bestimmt. Die Übergangsbereiche wurden dann vom Computer interpoliert. So entstand ein komplettes 3D-Modell der Fassade, das anschließend dem Fassadenbauer zur Weiterbearbeitung gegeben wurde. Der Unternehmer hat dann die Fertigungsdetails eingearbeitet und den Zuschnitt generiert. Digitale Fertigungstechniken in Verbindung mit Parametrisierung ziehen sich mittlerweile durch viele Bereiche. Gerade die Metall- und die Holzbauer haben ein enormes IT-Wissen, um computerunterstützt zu fertigen.
Wenn alle Planer und Ausbauer parametrisieren, dann ist es ja zu BIM, zu Building Information Modeling, nicht mehr weit!
Ich denke, dass die jüngeren Architekturbüros und die Bauingenieure hier bereits sehr weit sind. Bei der Haustechnik hatte ich bisher eher andere Erfahrungen. Nachdem beim Elefantenhaus viele Elemente digital gefertigt wurden, haben wir tatsächlich das gesamte Projekt in 3D aufgebaut. Wir bauen aber in unserem Büro jedes unserer Projekte in 3D auf. Dann haben wir mehr Überprüfungsmöglichkeiten und können gestalterische Entscheidungen besser kontrollieren.
Sinn der Parametrisierung ist, schnell etwas verändern oder korrigieren zu können. Können Sie mir ein Beispiel nennen, wo Sie aus welchem Grund das getan haben?
Der größte Parameter bei diesem Haus waren sicherlich die Kosten, was immer wieder zu Änderungen führte. Das konnten wir aber leider nicht parametrisieren. Bei dem Gebäude spielten aber auch viele andere Parameter eine Rolle: die Bepflanzung und der daraus resultierende Öffnungsanteil, die klimatischen Bedingungen im Inneren, gerade in Bezug auf das Holzdach und die Fertigungstechniken der Unternehmer. Die Öffnungen zum Beispiel: Diese mussten wiederholt angepasst werden um danach allen Anforderungen zu genügen. Sie mussten genug Sonnenlicht für die Pflanzen einlassen, durften aber nicht zu groß werden, damit die Statik noch funktionierte. Auch die Luftkissenbauer hatten Einfluss auf die Größe der Öffnungen. Nur mit Hilfe eines gescripteten Dachaufbaus konnten wir die Oberlichter mehrfach an die geänderten Parameter anpassen. Parametrisierung ist dann sehr sinnvoll, wenn man mit einfachen Mitteln ein Modell an eine geänderte Ausgangslage anpassen kann. So war es zum Beispiel auch bei der Fassade. Da sich das Dach infolge Kriechens und Schwindens des Ringbalkens um mehrere Zentimeter senken würde, mussten wir in einen Planungs- und Einbauzustand der Fassade unterscheiden. Dank des Fassadenscripts konnten wir dann die Fassade mit einfachen Mitteln auf dem neuen Zustand generieren. Doch trotz aller parametrischen Modelle muss man sehr sorgfältig planen und prüfen, denn der Computer übernimmt natürlich auch jeden Fehler.
Und wann kamen die Programmierer ins Spiel?
Zur Unterstützung in der Parametrisierung und in der Umsetzung haben wir die Firma Kaulquappe hinzugezogen. Die erste Fassade haben wir als 3D-Modell selbst aufgebaut, hatten sie aber noch nicht parametrisiert. Bei den ersten Änderungen wurde uns schnell klar, dass wir hier anders vorgehen müssen. Markus Giera und Volker Helm haben dann mit uns ein Script entwickelt, mit dem wir die Fassade über Parametereingabe steuern konnten. Außerdem musste die digitale Schnittstelle zwischen Ingenieur und Architekt neu programmiert werden, da hier verschiedene Programmsprachen aufeinander trafen. Die Statiksoftware Sofistik arbeitet mit Netzflächen, unsere Planung erfolgte jedoch in Rhino basierend auf NURBS-Flächen. Also musste man das Netz in NURBS umwandeln. Zudem ist der gesamte Dachaufbau parametrisiert um Änderungen direkt einarbeiten zu können. Gegen Ende haben wir die Übergänge von Dach zu Fassade gescriptet um mehr Kontrolle zu haben. Dennoch ist das Elefantenhaus kein parametrischer Entwurf. Parametrik ist für uns ein Werkzeug, um ein komplexes Gebäude wie das Elefantenhaus umsetzen zu können. Auch bei der Fassade haben wir nicht mittels komplexen Prozessen eine Zufallsform generiert, sondern die Geometrie erst im Modell und auf dem Papier entworfen und dann ins 3D übersetzt. Durch die Parametrisierung war es uns aber erst möglich diese Geometrie immer wieder anzupassen und so letztendlich auch zu kontrollieren.
Enrico Santifaller führte das Gespräch im Auftrag der DBZ.
Das ungekürzte Interview können Sie unter DBZT96A4 lesen
2011 - 2012
Gastprofessor Entwurf Master I an der Hochschule Augsburg
2007
Beitritt zur SIA
2007
Gründung der Markus Schietsch Architekten GmbH, Zürich
2005
Gründung von Markus Schietsch Architekten, Zürich
2005
Stipendiumsreise nach Japan
2003 - 2005
Mitarbeit bei Philippe Stuebi Architekten, Zürich
2003
Mitarbeit bei BEHF Architekten, Wien
2002
Mitarbeit bei Gramazio & Kohler, Zürich
2002
Diplom an der ETH Zürich
1998
Vordiplom an der BUGH Wuppertal
14. Juli 1975
Geboren in München (D)