Passive Gewinne durch aktive Nutzer
Verwaltungsgebäude in Nijverdal / NL

Für die neue Niederlassung von Solarlux in den Nieder­landen wurde ein Klimakonzept entwickelt, bei dem Gebäude, Fassade und Haustechnik eng zusammen spielen. Hauptmerkmal ist die Co2mfortfassade, die in Kooperation mit der TU Delft und den Fassadenplanern von imagine envelope entwickelt wurde.

Transparenz und Offenheit

Ein Gebäude, das fast nur durch die Kraft der Natur mit Energie versorgt wird, haben Architekten und Energieplaner im holländischen Nijverdal interdisziplinär geplant und umgesetzt. Der Entwurf von Architekt Wolfgang Heerich gab Transparenz und Offenheit vor, sowie kommunikative Bezüge nach innen und außen. Aus den hauseigenen Produkten des Bauherrn Solarlux entwickelten die Fassadenplaner Marcel Bilow und Dr. Thiemo Ebbert von imagine envelope eine Neuinterpretation des Doppelfassadenkonzepts. Die natürliche Belüftungsfunktion der neuartigen Gebäudehülle wurde von den Klimaingenieuren von Transsolar durch ein Energiekonzept mit minimiertem Technikeinsatz gestützt.

Im Erdgeschoss verbindet eine zentrale Ausstellungshalle alle Bereiche und funktioniert wie ein städtischer Platz. Verkaufsräume und ein Bistro schließen direkt an die Halle an. In den beiden Obergeschossen ordnen sich die Büroräume um einen zentralen Kern mit WCs und Nebenräumen. Die Besprechungsräume orientieren sich zum Luftraum der Halle. Ein weiterer großer Konferenzraum ist als rote Box in die Außenfassade der Halle eingehängt und durch einen Galerie mit dem 1. OG verbunden.


Die Klimafassade

In Räumen mit manueller Belüftung ist der gefühlte Komfort des Nutzers größer: Im Sommer werden höhere Temperaturen und eine größere Luftfeuchte akzeptiert. Das führt zu einem geringeren Kühlbedarf und einer damit einhergehenden Energieeinsparung. Entscheidend ist einfaches Handling und die intuitive Nutzbarkeit. Nutzerakzeptanz und niedriger Energiebedarf waren für die Planung ausschlaggebend.

Die SL Co2mfort-Fassade reagiert auf elegante Weise darauf. Gleichzeitig ist ihre Funktion offensichtlich und damit intuitiv. Den Raumabschluss nach außen bildet die wärmegedämmte Glasfaltwand SL 65 aus Holz. Davor schützt das transparente SchiebeDreh-System SL 25 XXL als ungedämmte Glasebene die Fassade vor Witterungseinflüssen. Ein begehbarer Fassadenkorridor umhüllt das Gebäude.

Die Doppelfassade im Solarlux-Verwaltungsgebäude nutzt die natürlichen Luftströme zur Temperierung des Gebäudes. Beide Fassadensysteme lassen sich vollständig auffalten, so dass sich je nach Witterung die Innenraumtemperatur manuell regeln lässt. Die äußere Hülle fungiert dabei als Solar-Luft-Kollektor, wobei im Zwischenraum so hohe Temperaturen erreicht werden, dass der Nutzer die innere Fassade öffnen und vorgewärmte Frischluft in das Gebäude führen kann. Bei hohen Außentemperaturen wird die Außenfassade vollständig geöffnet, um einen Hitzestau im Fassadenkorridor zu vermeiden. Wenn beide Fassadensysteme gleichzeitig geöffnet sind, ergibt sich eine Balkonsituation.

Heiz- und Kühlkonzept

Das Heiz- und Kühlkonzept basiert auf einem Niedertemperatursystem mit Vorlauftemperaturen von max. 30° C im Winter und min. 15° C im Sommer. Alle Geschossdecken des Gebäudes und die Fußbodenheizung der Ausstellungshalle werden mit temperiertem Wasser durchströmt. So geben alle Oberflächen eine angenehme Strahlungswärme ab. In Kombination mit der Wärmepumpe können die dafür benötigten Temperaturen mit einem niedrigen Primärenergiebedarf bereitgestellt werden.

Dabei kann die zur Kühlung des Gebäudes erforderliche Energie überwiegend mit Pumpenstrom, also ohne zusätzlichen Betrieb der Wärmepumpe, bedient werden. In Räumen mit erhöhtem Wärme- oder Kältebedarf wurden die Leitungen enger verlegt, um eine höhere Leistung zu erzielen.
Die notwendige Energie wird vollständig aus regenerativen Quellen gedeckt. Eine Geothermieanlage mit 24 Erdwärmesonden von 85 m Tiefe liefert ca. 15° C warmes Wasser. Im Winter bringt eine Wärmepumpe das Wasser auf die notwendige Temperatur. Zusätzlich wird die Abwärme des Serverraumes genutzt und in das Heizungssystem eingespeist. Im Sommer wird Grundwasser aus den Erdwärmesonden direkt genutzt, um alle massiven Bauteile auf Raumtemperatur herunter zu kühlen. Alle realisierten Maßnahmen der Haustechnik sind auf durchgängige Nachhaltigkeit ausgelegt und wirken sich langfristig positiv auf die CO2-Bilanz des Gebäudes aus. So wird zum Beispiel ein Teil der elektrischen Energie für den Betrieb der Geothermieanlage und der Wärmepumpen über die Photovoltaikmodule auf den Atriendächern gewonnen. Die zusätzlich erforderliche Strommenge stammt zu 100 % aus regenerativen Quellen.


Lüftungskonzept

Der natürliche Luftstrom über die Fenster im Gebäude wird durch zusätzliche bauliche Maßnahmen unterstützt. Über zwei innenliegenden Atrien sind Pultdächer errichtet, die nicht nur der Belichtung dienen, sondern integraler Bestandteil des Lüftungskonzeptes sind. Die Dachflächen sind in Hauptwindrichtung geneigt und mit senkrechten Lüftungsfenstern ausgeführt. Der Dachüberstand der Pultdächer sorgt, vergleichbar mit einem Flugzeugflügel, für einen Tragflächeneffekt. Darüber streifender Wind erzeugt einen Unterdruck, der Luft aus den Atrien abführt; durch geöffnete Fenster strömt frische Luft von der Fassade nach. In der Ausstellungshalle sorgt dieses Prinzip für einen effektiven Luftwechsel zur Vermeidung von Überhitzung. In den Büroräumen nutzt dieses Lüftungskonzept die solaren Gewinne in der Doppelfassade optimal zur Raumheizung.

Die umlaufende Korridorfassade bietet darüber hinaus einen weiteren Vorteil für die natürliche Belüftung. Bei Öffnung einzelner Flügel der äußeren Fassadenebene stellt sich im Fassadenkorridor ein Luftdruckausgleich ein. So kann auf allen Gebäudeseiten die innere Glas-Faltwand geöffnet werden, ohne dass es zu Zugerscheinungen kommt. –in-

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