Rechnen und rechnen lassen
BIM-Modelle sind nicht nur bei der Gestaltung von Projekten äußerst hilfreich. Wenn die Daten richtig verwaltet werden, können sie auch bei der Berechnung und dem Monitoring der Kosten wichtige Dienste leisten.
Das moderne Computer-Zeitalter hält viele Werkzeuge bereit, um sich die Vorteile von künstlichen Intelligenzen zunutze zu machen. „Digitalisierung“ und „BIM“ sind längst keine Fremdworte mehr. Aber wie kann die Kalkulationsabteilung bei der Bearbeitung von Bauprojekten davon profitieren? Dazu muss man sich die klassischen Aufgaben der Kalkulation ansehen: Um beispielsweise den Neubau eines Hotels zu realisieren, werden hier alle Materialien und Dienstleistungen der Facharbeiter in einer Liste erfasst. Bis heute werden dazu die Architektenpläne auf Papier gedruckt, der Kalkulator misst mit einem Lineal die Längen und Höhen der Wände und Decken und tippt diese Massen in ein Programm ein. Diese Vorgehensweise ist nicht nur zeitintensiv, sondern oft auch fehlerbehaftet.
Die BIM-Arbeitsweise dagegen basiert auf einem dreidimensionalen Gebäudemodell, das der Bearbeiter mit Hilfe von Modellierungsprogrammen geometrisch exakt erstellt. Längen, Flächen und Volumina können vom Computer automatisch und mit hoher Präzision ermittelt werden. Dieses Gebäudemodell kann mit Vorlagebibliotheken verbunden werden, die alle verschiedenen fachlichen Beschreibungen der Bauleistungen beinhalten, die für die Erfassung der Materialien und Dienstleistungen beim Erstellen eines Gebäudes notwendig sind. Als Beispiel kann man sich das Herstellen einer Mauerwerkswand oder das Betonieren eines Fundamentes vorstellen. Die Beschreibungen werden von dem Programm dann automatisch mit den richtigen Bauteilen des Gebäudemodells verbunden, damit die berechnete Menge des Fundamentes auch der dazugehörigen Beschreibung zugewiesen wird.
Mengenermittlung per Hand
Wie unterscheiden sich die Ergebnisse der klassischen Arbeitsweise inklusive der Mengenermittlung per Hand von der automatischen, computergesteuerten BIM-Methodik? Die „händische“ Vorgehensweise liefert beispielsweise in der Leis-tungsphase 6 ein Leistungsverzeichnis mit Positionen, beschreibenden Texten, Einheiten und vor allem den Mengen. Dieses Leistungsverzeichnis bestimmt genau, welche Materialien in welcher Qualität gebraucht werden, um das geplante Gebäude zu errichten. Allerdings ist hier keine Verbindung zwischen den Mengen und den Architekturplänen vorhanden. Um nachvollziehen zu können, welche Mauerwerkswand in dem Text gemeint ist, muss man die Papierpläne mit den Texten vergleichen und kann nur interpretieren, wo die Wand wirklich steht. Eine Prüfung ist somit schwierig durchzuführen. Vor allem Änderungen im Projektverlauf bringen hier Fehler mit sich, manche mit kleinen, manche mit großen Ausmaßen.
Berechnung auf Basis des 3D-Modells
Die digitale BIM-Arbeitsweise unterscheidet sich davon signifikant: Durch die Berechnung nach speziellen VOB-Abzugsregeln auf Grundlage des 3D-Modells ist der Betrachter in der Lage, die einzelnen Mengen in dem Leistungsverzeichnis zu selektieren und im 3D-Modell den genauen Einbauort im Gebäude zu sehen, wenn der Anwender für die Software die entsprechenden Bibliotheken vorbereitet hat. Eine VOB-Abzugsregel schreibt beispielsweise vor, dass Öffnungen von Wänden für die Wandfläche bei bestimmten Größen nicht berücksichtigt werden. Außerdem sind die Berechnungen der Mengen nachvollziehbar und für jedes Bauteil erkennbar dargestellt (z. B. Länge x Breite x Höhe für das Volumen einer Wand).
Hier wird BIM als Kalkulationsinstrument eingesetzt: Arbeitsschritte, die bisher in herkömmlichen Projekten vom Bearbeiter per Hand durchgeführt wurden, werden so standardisiert und von Softwareprogrammen umgesetzt. Die verschiedenen Phasen im Projektverlauf können durch archivierte Sicherungen jederzeit geöffnet und miteinander verglichen werden. Der Anwender erhält automatisch eine sehr detaillierte Dokumentation inklusive der dreidimensionalen Visualisierung in dem Modell.
Zeitersparnis und Fehlerminimierung
Aktuell müssen einzelne Mengen immer noch per Hand aufgenommen werden. Sobald die Bibliotheken mit den Positionstexten definiert und standardmäßig entwickelt worden sind, kann die Erstellung eines Rohbau-Leistungsverzeichnisses mit der BIM-Methodik sehr viel schneller durchgeführt werden. Der Computer ist dann in der Lage, die Berechnung der Mengen sowie die Zuweisung der richtigen Positionstexte nach Standardleistungsbuch komplett zu übernehmen. Bei Projektänderungen ist der Mehrwert der BIM-Methode besonders hoch.
Bei agn Niederberghaus & Partner ist die Erstellung der Bibliotheken inklusive aller Positionstexte und Rechenregeln für den Rohbau mit Beton- und Mauerwerksarbeiten bereits durchgeführt und in einer Reihe von Bauprojekten, wie den Neubauten am Hüffer-Campus für die Fachhochschule und die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, eingesetzt worden. Die Erfahrungen zeigen, dass der mögliche Einsatz von BIM als Kalkulationsinstrument maßgeblich von der Qualität der Daten abhängt. BIM-Prozesse mit computerunterstützten Berechnungen haben eine höhere Qualität, bringen weniger Fehler und eine höhere Zeitersparnis mit sich, schaffen im Gegenzug aber auch neue Hürden.
Richtlinien zur Mengenberechnung
Für die computergestützte Mengenberechnung kann nicht irgendein dreidimensionales Gebäudemodell genutzt werden. Es gibt Richtlinien, die beachtet werden müssen, um ein solches Modell zu erstellen. Es dürfen zum Beispiel keine Lücken in Anschlussbereichen von Wänden vorhanden sein. Werden solche Regeln nicht beachtet, führt dies zu fehlerhaften Ergebnissen.
Auch die Bedienung der modernen Computerprogramme kann das Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Es werden Mitarbeiter gebraucht, die neben ihrer fachlichen Erfahrung auch eine Affinität zu den digitalen Werkzeugen mitbringen. Die neuen Arbeitsprozesse fordern Mitarbeiter aus verschiedenen Kompetenzbereichen, die es zu besetzen gilt, wenn das Unternehmen die neue BIM-Arbeitsweise im Bereich der Kalkulation erfolgreich nutzen möchte.
Fazit: Im Bereich der Digitalisierung liegt die Baubranche in der Entwicklung deutlich hinter den anderen Industriesparten. Im Flugzeug- oder Automobilbau wird schon seit vielen Jahren mit dreidimensionalen Modellen gearbeitet. Selbst in der Landwirtschaft werden momentan im Vergleich zur Bauwirtschaft mehr digitale Werkzeuge eingesetzt. Es gibt also noch viel zu tun.
Doch die Effekte, die erzielt werden können, stellen einen positiven Anreiz dar: Eine sinnvoll eingesetzte Digitalisierung in Bauprojekten in Form von BIM als Kalkulationsinstrument bringt Zeitersparnis, ein geringeres Fehlerrisiko und höhere Planungsqualität. Jedoch muss sich der Anwender tief mit der Thematik auseinandersetzen und neue Herausforderungen meistern, die bei jeder Einführung einer neuen Arbeitsweise entstehen.