Elektrische Anlagen in älteren Gebäuden
Eine der bedeutendsten Bauaufgaben ist die Modernisierung bestehender Bauten. Auch die Umnutzung von Gebäuden wird immer mehr zu einem Thema der Branche. Dabei müssen die vorhandenen Gegebenheiten den heutigen und zukünftigen Gewohnheiten und Ansprüchen angepasst werden – auch Elektroanlagen.
In der Planungsphase berücksichtigen Architekten und planende Bauingenieure in der Regel automatisch den Einbau bzw. die Erweiterung von Brandschutzvorrichtungen sowie Heizungs- und Sanitäreinrichtungen. Die rechtzeitige Planung der Elektroinstallation, die ebenfalls auf das bestehende Gebäude und die neuen Nutzungen hin konzipiert werden muss, wird hingegen oft stiefmütterlich behandelt. In vielen Fällen berufen sich Eigentümer durchaus legitim auf den Bestandsschutz – aber in mindestens ebenso vielen Fällen wäre eher eine Anpassung angeraten, um die Sicherheit der elektrischen Anlage zu gewährleisten. Auch Energieeffizienz-Überlegungen kommen hier ins Spiel.
Bei Baumaßnahmen an älteren Immobilien ist immer auch die Elektroinstallation betroffen. Schnell stoßen Bauherren auf das Problem, dass die vorhandene Elektroinstallation nicht mehr den aktuellen Betriebsbedingungen genügt und auch den modernen Installationsanforderungen nicht entspricht. Wann können hier Bestandsschutzansprüche geltend gemacht werden und wann muss eine Anpassung der gesamten Anlage an aktuell geltende Richtlinien erfolgen? Wie so oft gilt auch hier: Es kommt darauf an.
Die Initiative ELEKTRO+ nimmt dabei einen eindeutigen Standpunkt ein: Jeder Nutzer elektrischer Anlagen hat ein Recht auf größtmögliche Sicherheit. Damit ist klar, dass die elektrische Sicherheit immer Vorrang vor dem Bestandsschutz hat. Die Entscheidung darüber, ob die Anlage unverändert erhalten werden soll und kann, liegt beim Eigentümer – und in logischer Folge auch bei dessen planungsverantwortlichem Architekten. Gegebenenfalls sollte dieser sich dabei jedoch auf die fachliche Expertise des Elektrofachmanns bzw. -planers stützen.
Die Frage nach Bestandsschutz oder Anpassung tritt immer dann auf, wenn alte Anlagen mit neu zu errichtenden kombiniert werden sollen. Dabei ist das Argument des Auftraggebers für einen Bestandsschutz vor allem finanzieller Natur, d.h. er scheut die zusätzlichen und oft nicht eingeplanten Investitionen. Das greift aber in den meisten Fällen zu kurz. Hier stehen Architekten und Planer in der Pflicht, ihre Kunden auch mit Blick auf die Sicherheit zu beraten. Konkret bedeutet das: Schon in der Frühphase der Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen sollte ein Elektrofachmann hinzugezogen werden, der die vorhandene Anlage mit all ihren Bestandteilen begutachtet.
Erhebliche Sicherheitsrisiken stellen z. B.veraltete Zwei-Leiter-Installationen dar. Mögen sie für sich betrachtet noch einwandfrei funktionieren und daher unter den Bestandsschutz fallen, können sie im Zusammenspiel mit baulichen Veränderungen zum Sicherheitsrisiko werden. So können Räumlichkeiten, die über einen isolierenden Fußboden verfügen und in denen bisher keine fremden leitfähigen Teile vorhanden waren, durch den Einbau einer Zentralheizungsanlage ihre isolierende Eigenschaft verlieren. Das erfordert die Anpassung der Schutzmaßnahme gegen elektrischen Schlag. In der Küche kann eine Überlastung schon entstehen, wenn zwei leistungsstarke Geräte an einem Stromkreis angeschlossen sind und gleichzeitig laufen. Der höhere Stromfluss führt zu einer stärkeren Wärmebelastung der Leitungen. Die Isolierung wird thermisch höher belastet und verliert, z. B. durch Versprödung, möglicherweise ihre guten isolierenden Eigenschaften. Dadurch steigt die Gefahr, dass Fehlerströme entstehen, die unkontrolliert über fremde leitfähige Teile oder andere Bauteile fließen. Solche Isolationsfehler können lange unentdeckt bleiben und stellen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.
Rät der Elektrofachmann zu einer Anpassung der elektrischen Anlage, kann sich dies auch auf die Raumplanung auswirken. Ein neuer Zählerschrank z. B., der mit zeitgemäßen Komponenten das Schutzniveau der elektrischen Anlage steigert, benötigt in der Regel mehr Platz als ein veraltetes Vorgängermodell.
Der Begriff Bestandsschutz
Interessant zu wissen ist, dass es den Begriff des Bestandsschutzes in den DIN VDE-Sicherheitsnormen der Elektroinstallationstechnik nicht gibt. Der Begriff stammt aus dem öffentlichen Baurecht. Er besagt, dass ein altes Gebäude, das nach seinerzeit geltendem Gesetz rechtmäßig errichtet wurde, aber heute geltendem Baurecht nicht mehr entspricht, erhalten und weiter genutzt werden darf.
Auf elektrische Anlagen lässt sich der Begriff grundsätzlich übertragen und trotz fehlender rechtlicher Ansprüche anwenden: Der Betrieb einer bestehenden elektrischen Anlage – die zum Zeitpunkt ihrer Errichtung den herrschenden technischen Regeln entsprochen hat – ist auch dann zulässig, wenn inzwischen neuere Regeln schärfere Anforderungen stellen, sofern diese neuen Regeln nicht eine Anpassung der bestehenden Anlage fordern.
Entscheidet sich der Eigentümer bei Gebäudesanierung oder -umbau für den Erhalt der vorhandenen Elektroinstallation, sehen manche Experten darin allerdings eine „Flucht vor der Verantwortung“ – für die Sicherheit der Anlage Sorge zu tragen und über notwendige, aber möglicherweise kostenintensive Maßnahmen zu entscheiden.
Denn wie auch im Baurecht gilt: Gefahrenabwehr geht vor Bestandsschutz. Zudem ist der Bestandsschutz nur bedingt auf elektrische Anlagen anwendbar. Werden Elektroanlagen modernisiert, erweitert oder abgeändert, so müssen diese Maßnahmen nach den heute gültigen, allgemein anerkannten Regeln der Technik der DIN VDE-Normen ausgeführt werden. Die Frage nach einem Erhalt der alten bzw. veralteten Elektroinstallation stellt sich hier also gar nicht.
Das zentrale Augenmerk sollte in allen Fällen auf dem Sicherheitsaspekt liegen: Es ist unbestrittene Tatsache, dass elektrische Betriebsmittel altern, auch wenn sie unberührt in der Wand liegen. Etwa nach 40 Jahren hat eine elektrische Anlage das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Für solche Anlagen kann grundsätzlich kein Bestandsschutz geltend gemacht werden. In einem wirklichen Altbau wird auch kaum jemand die Notwendigkeit in Frage stellen, die alte Anlage zu erneuern.
Von Bestandsschutzüberlegungen betroffen sind in der Regel Häuser und Wohnungen aus den 1970er und den frühen 1980er Jahren. Vor 30 oder 40 Jahren waren die Ansprüche an die Elektrik ganz andere als heute.
So entspricht z. B. die Anzahl der Steckdosen, die für das damalige Nutzungsverhalten veranschlagt wurde, nicht dem heutigen Bedarf. Computer, mehrere Fernseher und Telefone sowie leistungsstarke Elektrogeräte lassen sich in älteren Gebäuden nur über Verlängerungskabel und Mehrfachsteckdosen betreiben. Die vorhandene Anlage ist damit einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt als zum Zeitpunkt ihrer Errichtung – und das, wenn sie sowieso schon alt und eigentlich am Ende ihrer Lebenszeit angekommen ist. Es besteht schnell die Gefahr einer Überlastung der Leitungen. In der Folge verschlechtern sich die Isolationseigenschaften und es entstehen Fehlerströme, die langfristig auch zum Brand führen können.