The future must be simpler!
Prof. Dr.-Ing. Ulrich Knaack zum Thema „Fassade“
Wenn wir uns mit modernen Fassaden beschäftigen, wird recht schnell deutlich, dass die Komplexität der Fassaden zunimmt und ein Ende davon noch nicht in Sicht ist.
Auf der einen Seite wird der U-Wert der Gebäudehülle immer besser und lässt neben immer dicker werdenden Dämmschichten und mittlerweile meist dreischichtigen Isoliergläsern langsam ganze Materialgruppen wegen ihrer mangelnden Dämmeigenschaften nicht mehr zu.
Auf der anderen Seite wird eine immer bessere Luftdichtigkeit mit immer aufwendigeren Konstruktionen in verschiedenen Ebenen in Verbindung mit Anschlüssen und Abdichtungen gefordert, welche uns als Architekten in der Detailentwicklung manchmal die Sinnhaftigkeit hinterfragen lässt. Und dann verlangt man noch nach der Recyclingfähigkeit der Konstruktion – Stichwort Embodied Energy – mit dem Wunsch, alle Materialien möglichst gut wieder trennen zu können.
Das alles muss einfacher werden: Wir brauchen einfachere Materialien, die mehr können – dämmen, dichten und tragen. Wir brauchen Baustoffe, die dennoch aus nur einer Materialgruppe bestehen, um sie einfach zu recyceln oder, wenn gemischt, wieder einfach trennen zu können. Das sollte Aufgabe der Industrie sein. Aber wir als Architekten müssen die Industrie auch in dieser Richtung fordern.
Wir brauchen einfachere Konstruktionen – nicht im Sinne von komplizierten und komplexen Konstruktionen sondern im Sinne von einer einfachen und klaren Detailführung sowie Ausführung auf der Baustelle, um Fehler zu vermeiden. Auch das ist eine Forderung an die Industrie, die uns mit (Bau-) Systemen versorgt.
Wir brauchen mehr technisches Wissen – sowohl für Architekten als auch in der Industrie. Hier sind besonders die Hochschulen gefragt, die in Teilen dieser Forderung mittlerweile durch entsprechende Fächer oder Studiengänge nachkommen (s. auch S. 18 „Masterstudiengang Fassade“ IFDC).
Wir müssen integral planen – im Sinne von technischer und gestalterischer Integration. Hierbei meine ich sowohl das möglichst frühe Beteiligen von Fachdisziplinen am Planungsprozess (besonders das Climate Design) als auch die Akzeptanz von Einflüssen dieser Fachgebiete auf unseren Entwurf. Letzteres gilt besonders als Aufforderung an uns Architekten.
Ich möchte nicht negativ daher kommen nach dem Motto, wenn Ihr Architekten nicht aufpasst, wird Eure Disziplin von Fachleuten wie z. B. den Energiedesignern vereinnahmt. Denn es gilt doch vielmehr, die Fragestellung zu adaptieren und die Potenziale aus der Energiediskussion für den Entwurf als gestalterische Ansätze zu erkennen. Das gelingt nicht im Sinne von noch dickeren Wänden und kleinen Fenstern sondern im Sinne von individuell und integral gedachten Lösungen mit den richtigen Komponenten an den richtigen Stellen – sowohl funktional als auch gestalterisch.
Die mit diesem Heft vorgestellten Projekte beschäftigen sich mit der Fragestellung der Komplexität der Fassade und finden jedes auf seine Weise Antworten. Und natürlich wird es in der nächsten Runde hoffentlich noch simpler.