Wir haben von den baulichen Resten profitiert
Im Gespräch mit Walter Maier (links im Bild) und Klaus Hollenbeck, Köln

In Köln gibt es auch evangelische Kirchen. Eine davon, ein Ersatzbau aus den frühen fünfziger Jahren für die neugotische Christuskirche, wurde abgerissen, ein Neubau steht nun ihrer Stelle. Doch der ist nicht bloß eine moderne Kirche mit denkmalgeschützten Anteilen (Turm, Empore und Keller), er wird gefasst von zwei Riegeln, die das Ganze zu einer Stadtraumskulptur machen. Darüber und über das Partnerschaftliche der Arbeitsgemeinschaft sprachen wir mit den Architekten vor Ort.
Glückwunsch zur Stadtskulptur, die mit vielen schönen Details aufwartet. Ist alles komplett, fehlt etwas?

Walter Maier (WM): Nein, eigentlich ist alles komplett bis auf die Bepflanzung der anliegenden Straßenräume. Da kommen in jede Straße je sechs schmalkronige Bäume hin. Das ist wichtig für den Gesamteindruck der, wie Sie so schön sagen: Stadtskulptur.

Klaus Hollenbeck (KH): Tatsächlich passt der städtebauliche Rahmen nicht zu unserer Absicht, hier eine Skulptur zu realisieren. Für den Dorothee-Sölle-Platz, das ist der am Turm, gibt es schon einen Entwurf. Auf der anderen Seite, da wo die vielen Autos noch parken, gibt es zwar die Ambition, aber noch keine konkreten Pläne.

Woher kommen die beiden ungewöhnlichen Riegel? Sind die Teil des Wettbewerbentwurfs?

WM: Wir sind hier ja schon länger dran! Die Riegel stammen aus einem frühen Entwurf, der die baufällige Kirche vielleicht hätte retten können. Die Riegel hätten die Kirche baulich gefasst und sie um eine Nutzung – Wohnen zum Beispiel – ergänzt. Da kam die Idee, die schmalen Grundstücke neben der Kirche riegelförmig zu bebauen. Und ich muss sagen, dass dieser frühe Gedanke nach der Entscheidung der Gemeinde, das Nachkriegskirchenschiff abzureißen, im Realisierungswettbewerb glücklicherweise – bildlich gesprochen – in Schwingungen geraten ist!

Als etwas sehr Gestisches, Bildhaftes?!

KH: Richtig. Um den Kirchraum neigen sich die Riegel nach innen. Das ist die schützende Geste. Die einladende Geste ist die Öffnung, das Aufbiegen der Riegel zum sakralen Garten. Streng genommen hat dieser Entwurf seine Wurzeln in einer Arbeit, die ich im Rahmen meines Studiums angefertigt hatte.

Walter Maier, der hier schon seit 16 Jahren an diesem Projekt dran ist und viele Entwürfe gemacht hat, hatte mir damals einen davon gezeigt. Diesen Entwurf habe ich im Rahmen meiner künstlerischen Arbeit skulptural interpretiert. Ohne an Nutzungen, Kosten, ohne an irgend-etwas Bauliches denken zu müssen. Wahrscheinlich konnte nur in dieser Freiheit die Spannung erzeugt werden, die die Architektur jetzt hat. Der also eher baukünstlerische Ansatz führte uns auch zu der Frage: Wie bekomme ich durch eine dicke Wand Licht nach innen? Mit Blick auf die freie Setzung der Fenster in den Fassaden erkennt man, dass die Skulptur uns hier die Antworten geliefert hat, wie wir die Lichtöffnungen setzen müssen. Oder auch, dass wir die Stirnseiten geschlossen halten. Dass wir das Skulpturale durchgehalten haben, ist vielleicht unsere größte Leistung hier.

Wer war an diesem Projekt noch wesentlich beteiligt?

WM: Da muss ich gleich unseren Lichtplaner nennen, Dirk Mailänder. Der hat uns hier großartig unterstützt. Und der Akustiker, Lorenz-Kierakiewitz vom Ingenieurbüro Peutz.

Haben die Einfluss genommen, gar den Entwurf korrigiert?

KH: Nein, sie haben auf den Entwurf reagiert, Vorschläge gemacht.

WM: Dirk Mailänder wollte unsere Arbeit dezent inszenieren, ohne hier mit Beleuchtungskörpern eine Designschau zu veranstalten.

Gebogene Wände: Ist das noch Alltag oder schon Herausforderung?

WM: Absolute Herausforderung! Und ein Projektrisiko. Den Anforderungen, die wir hier gestellt haben, konnte der Statiker nur mit Mühen folgen. Nicht nur die Wände, auch die Konstruktion des Kirchendachs hat eine unerwartete Vielfalt von statischen Problemen erzeugt.

Um was für eine Konstruktion handelt es sich denn?

WM: Wir haben hier doppelt geknickte Stahlrahmen, die durch ihre Dimensionierung und ihre spezielle Form mit dem hohen Gewicht schon Eigenverformungen aufweisen, die man erst einmal rechnen können muss. Das war sehr spannend!

Im Vorfeld zur Neuplanung gab es Proteste. Hat Sie das irgendwie berührt, vielleicht sogar behindert in der Arbeit?

WM: Ja, es gab starke Proteste, die allerdings hauptsächlich aus der Anliegerschaft kamen. Denen ging es weniger um den Abriss der Kirche. Wir haben über Jahre mit vielen Veranstaltungen pro Jahr mit der Stadt Köln zusammen die Betroffenen über das Projekt informiert. Und wir konnten tatsächlich die zunächst große Gegnerzahl auf einen kleinen Kern schrumpfen.

Was haben Kollegen zum Abriss des „Notbaus“ gesagt?

KH: Walter Maier hat ja eine ganze Menge Vorschläge gemacht, wie die Nachkriegskirche hätte erhalten werden können. Aber das wollte keiner bezahlen. Ich persönlich habe nicht viel Erhaltenswertes gesehen. Details vielleicht. Man muss auch sehen, dass Großstädte einem Nachverdichtungsprozess unterliegen. Das führt meist dazu, dass es für die direkte Umgebung weniger Licht, weniger Luft etc. gibt. Insofern verstehe ich die Proteste sehr gut, das ist das gute Recht jedes Einzelnen. Aber Städtebau sollte doch einem allgemeinen Interesse folgen, nicht einem individuellen. Dann kämen wir niemals voran.

WM: Im Nachhinein waren wir auch froh, dass uns die Stadt ein VEP abverlangt hat. Wir sind diese Ochsentour gegangen, natürlich mit den Nachbarprotesten, und haben in der Durcharbeitung erkannt, dass die Einwände der Gegner in den Verhandlungen wenig stichhaltig waren. Der offizielle Gesprächscharakter in diesem Verfahren hat uns am Ende dann planungsrechtliche Sicherheit gegeben. Die wir mit bloßen Baugenehmigungen gar nicht erreicht hätten.

Haben die denkmalgeschützten Teile eher behindert oder beflügelt?

WM: Eher beflügelt! Wir haben ja auch von den baulichen Resten, Turm, Emporenhalle, profitiert: Man kommt aus dem eher dämmrigen Turmraum, tritt in die Säulenhalle und dann öffnet, weitet sich der Kirchraum ... ein fantastisches Erlebnis, immer noch.

KH: Ja, die Arbeit mit der Denkmalbehörde war sehr konstruktiv, gleich von Anfang an. Und bei Fragen, ob wir den Turm wieder zum Kirchenraum öffnen dürfen und wie die Oberflächen zu behandeln seien, wurde sehr, ich würde mal sagen, „freigeistig“ agiert.

Nun arbeiten beide Büros hier in einer Arbeitsgemeinschaft. Ist das eher ein Vor- oder ein Nachteil?

KH: Ich empfinde es als Glück, Walter Maier kennengelernt zu haben. Wir haben gemeinsame Schnittmengen bezogen auf das Entwerfen und eine gute Diskussionskultur ... wir waren nicht immer einer Meinung! Wir haben uns hier sehr gut ergänzt. Nicht in dem Sinne, dass der eine gut entwirft, der andere gut baut.

WM: Wir haben uns tatsächlich gut ergänzt. Beispielsweise hätte ich mich an die Realisierung des sehr hohen „Himmelsfensters“ alleine wohl nicht rangetraut. Obwohl da meinerseits viel Erfahrung ist, gerade auch mit sakralen Bauten. Wir haben eine erstaunliche Übereinstimmung, was die Qualität im Detail angeht. Die Probleme, die mit partnerschaftlichem Zusammenarbeiten auftauchen, haben wir in einem Crashkurs ganz zu Anfang gelöst! Da hieß es: entweder zusammen oder gar nicht.

KH: „Wir machen das hier partnerschaftlich!“ hattest du damals zu mir gesagt, ich erinnere mich sehr gut. Vielleicht stellt sich uns demnächst die Frage, was machen wir denn eigentlich, wenn dieses Projekt hier abgeschlossen ist?!

Das wäre meine letzte Frage gewesen ... Dann die: Was wünschen, was empfehlen Sie der Bauherrin Kirche für dieses Gebäude?

WM: Meine Empfehlung ist, bei der Ausstattung der Kirche mit gro-ßem Engagement die Linie der Architektur weiterzugehen und noch mehr auf Qualität zu setzen. Also beim Altar, der Kanzel, dem Taufbecken und der Bestuhlung ...

KH: Ich wünsche, dass das, was hier entstanden ist, verstanden und wertgeschätzt wird.

Mit den Architekten der „Arbeitsgemeinschaft Klaus Hollenbeck Architekten | Maier Architekten“ unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 27. Juni 2016 auf der Empore der neuen Christus­kirche in Köln.

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