Verwaltungsgebäude ABI-Beton, Andernach
Mit thermisch aktivierten Beton-Fertigbauteilen konzipierten PLANFAKTUR Architekten BDA in Andernach ein energieeffizientes Verwaltungsgebäude mit Vorbildcharakter.
Das neue Präsentations- und Verwaltungsgebäude von ABI-Beton in Andernach liegt mitten in einem Industriegebiet, direkt gegenüber von den Fertigungshallen der Andernacher Bimswerk GmbH & Co. KG. Das Unternehmen ist auf die Produktion von hochwertigen Betonprodukten wie Doppelwandelementen, Thermowänden oder Element- und Klimadecken spezialisiert. Bei dem Neubau sollten die ästhetischen und konstruktiven Möglichkeiten der eigenen Produkte präsentabel eingesetzt werden. Den dafür beschränkt ausgeschriebenen Architekturwettbewerb konnte das Büro PLANFAKTUR aus Montabaur für sich entscheiden.
Prozesscluster für das Bürokonzept
Zunächst analysierte Sven Letschert von PLANFAKTUR die Arbeitsprozesse in der Verwaltung bis ins kleinste Detail. Aus den Kommunikationswegen und den arbeitsstrukturellen Abläufen entwickelten sie ein Schema, das Mitarbeiter und Abteilungen in Prozesscluster zusammenfasst und durch Sichtbeziehungen miteinander verbindet. Die optimierten Arbeitsstrukturen finden auch ihren Ausdruck in einem flexiblen Grundrisskonzept, das Veränderungen und Verschiebungen innerhalb der Prozesscluster für die Zukunft zulässt.
Das zentrale Element dieser Neuordnung ist ein von drei Seiten umschlossener Innenhof, der mit seinen vielfältigen Sichtverbindun-gen den Mitarbeitern als kommunikativer Ort und Abkürzung für kurze Wege dient. Gleichzeitig sorgt das begrünte Atrium dafür, dass viel Tageslicht ins Innere fällt und Lärm und Schmutz des Industriegebiets außen vor bleiben. Rundherum sind in zwei Gebäuderiegeln die Büroräume nach ihren Funktionsbereichen angeordnet. Die Erschließung erfolgt über den zweigeschossigen Kopfbau, der mit seinem offenen Foyer den Blick auf das Atrium freigibt und als Empfangs- und Wartebereich für Besucher dient. Das Obergeschoss beherbergt außerdem Schulungs- und Personalräume. In einem Untergeschoss verstecken sich die Tiefgarage, das Archiv und die Technikzentrale.
Fassadenspiel mit Fugen
Mit dem kubischen Baukörper und der strengen Rasterung reagierten die Architekten auf die regellose Bebauung in der Nachbarschaft. Zu einem Hauptthema der Planung der Fassaden entwickelte sich der Umgang mit dem Fugenbild der Beton-Fertigteile. Die Architekten
betonten die Rasterung mit 15 − 20 mm breiten Fugen und strukturierten die Fassade mit dem Wechsel von (Fenster-) Öffnungen und geschlossenen Betonflächen. Der sorgfältige und präzise Umgang mit dem Fugenbild wird innen wie außen unterstützt durch die nahezu perfekten Sichtbetonoberflächen der vorgefertigten Wandelemente. Laibungstiefe Fensterzargen schließen außen bündig mit der Fassadenkante ab und integrieren die Laufschienen für den Sonnenschutz sowie die Absturzsicherungen im Obergeschoss. Die in der Ansicht fast rahmenlosen Fenster sind in einem warmen, hellen Bronzeton eloxiert: eine harmonische Ergänzung zu dem kühlen Grau der Sichtbeton-Elemente und ein Außenbezug zu der Innenraumgestaltung mit Einbauten und Bodenbelägen aus hellem Eichenholz.
Tragende Fassade
Die Konstruktion des Gebäudes aus tragenden Beton-Fertigteilen ergab sich aus dem Produktangebot des Betonwerks: Die primäre Tragstruktur wird durch die Außenwände gebildet, die aus Thermowand-Elementen erstellt wurden. Diese bestehen aus einer 6 cm dicken Sichtbeton-Innenschale und einer 7 cm dicken Sichtbeton-Außenschale. Dazwischen ist werkseitig eine 12 cm dicke EPS-Hartschaumplatte als Dämmung eingebaut. Außen- und Innenschale mit integrierter Bewehrung und Dämmung werden bei der Montage durch die Verfüllung des Hohlraums mit Ortbeton zu einem monolithischen Bauteil. Für die Fassade wurden Elemente mit unterschiedlichen Oberflächenqualitäten verwendet, um den Kunden verschiedene Sichtbetonqualitäten vorführen zu können.
Energiekonzept
Das Material Beton eignet sich mit seiner sehr hohen Wärmespeicherfähigkeit bestens für wirtschaftliche Energiekonzepte mit Betonkernaktivierung. In Andernach wurden dafür Klimadecken eingesetzt: Die mit einem oberflächennahen Flächenregister thermisch aktivierten Decken können sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen der Büroräume herangezogen werden. Auf der Baustelle wurden die schon im Werk eingelassenen Leitungen verpresst und an den Heizkreisverteiler angeschlossen. Danach wurden die Decken mit Ortbeton verfüllt. Die Betonmassen nehmen die Temperatur des durchströmenden Trägerfluids auf und geben diese zeitversetzt an den Raum wieder ab. Auch die nichtaktivierten Wandelemente tragen mit ihrer Speichermasse zur Raumtemperierung bei, indem sie die gespeicherte Wärmeenergie phasenversetzt an kühlere Raumtemperaturen weitergeben und umgekehrt. Durch die großen Wärmeübertragungsflächen konnten die Vorlauftemperaturen für den Heizbetrieb niedrig angesetzt werden.
Die Grundlast der benötigten Wärme bzw. Kälte wird über Erdsonden bereitgestellt. In dem Bohrfeld wurden 20 Bohrungen in 50 – 200 m Tiefe vorgenommen. Zusätzlich wird Wärme- bzw. Kälteenergie über Wärmerückgewinnung und adiabatische Kühlung aus der Abluft zurückgewonnen, der Wärmerückgewinnungsgrad beträgt hier 80 %. Die sommerlichen Raumtemperaturen lassen sich auf diese Weise ohne mechanische Kühlung um 5 – 6 °C senken.
Absorberfeld an der Außenhülle
Das bis hierhin nicht ungewöhnliche Energiekonzept wurde in Andernach durch Flächenabsorber unter der Bodenplatte und an der Kelleraußenwand ergänzt, die über eine separate Wärmepumpe in das Heizungssystem eingebunden sind. Dafür wurden zwei Wandelemente thermisch aktiviert und ein horizontaler Erdwärmekollektor mittels Integration von Wärmeübertragerrohren unterhalb der Bodenplatte installiert. Die thermisch aktivierte Fläche umfasst insgesamt ca. 92 m² (36 m² Kellerwand, 56 m² Horizontalkollektor). Die Belegung der Wandelemente
mit Rohrleitungen erfolgte werksseitig als Fertigteil, die Rohrleitungen des horizontalen Wärmekollektors wurden im Zuge der Tiefbauarbeiten in der Sauberkeitsschicht unmittelbar unterhalb der Außendämmung der Bodenplatte verlegt.
Erdberührte thermoaktive Bauteile gehören zu den geschlossenen geothermischen Systemen und nutzen oberflächennahe Umweltenergie, die überwiegend durch Sonnenstrahlung und Niederschlag in den obersten Erdschichten eingebracht wird. Die Absorberfelder werden nach Bedarf zugeschaltet und speisen das aufgeheizte Wasser in einen Pufferspeicher ein. Daraus ergeben sich relativ kurze Betriebsintervalle, sodass sich Betriebszeiten und Regenerationsphasen abwechseln. Bei einer Grenztemperatur von 3 °C schaltet die Wärmepumpe automatisch ab. Dadurch werden Wärmepumpe und Bauteile vor einem Betrieb im Minusbereich und einer daraus folgenden Vereisung geschützt. Die Heizleistung der an die Kollektoren (Kellerwände und Bodenplatte) angeschlossenen Wärmepumpe beträgt ca. 2,5 kW. Im Betrieb wurde eine Entzugsleistung von 1,5 kW gemessen.
Der Lehrstuhl für Geotechnik im Bauwesen der RWTH
Aachen wurde von der SysPro-Gruppe mit einem Langzeitmonitoring beauftragt, um die Leistungsfähigkeit der thermisch aktivierten Elemente zu ermitteln. Nach einer Betriebszeit von einem Jahr wurden die Messergebnisse einer ersten Bewertung unterzogen. Die Messwerte stimmen mit den Simulationsergebnissen der Rostocker HSW Ingenieurgesellschaft für Energie und Umwelt überein, womit zukünftig für jeden Standort und jede Nutzung die Entzugsleistung der thermisch aktivierten Wandelemente vorhergesagt werden kann. Die Ergebnisse des Monitorings werden in zukünftige Energiekonzepte einfließen. Eine Erkenntnis ist auch, dass durch den Einsatz thermisch aktivierter Bauteile die Zahl der notwendigen Erdwärmesonden reduziert oder ersetzt werden könnte. In Andernach hätte man für den kompletten Wärmebedarf des Bürohauses von 80 kWh/a eine Kollektorfläche von 1 500 m² gebraucht — die hätten mit 1 600 m² Bodenfläche und 300 m² Kelleraußenwänden locker zur Verfügung gestanden. ISch
Architekten (Lichtplanung, Innenarchitektur, Landschaftsplanung): PLANFAKTUR ARCHITEKTEN BDA Dipl.-Bauing. (FH) Nadine Bressler & Dipl.-Ing. (FH) Sven Letschert Architekt BDA PartGmbB, Montabaur, www.planfaktur.de
Team: Anja Daum, Nico Müller, Juri Schischulin, Chiara Schneider Bauleitung: Sven Letschert, Dipl. Ing. (FH) Architekt BDA
Bauzeit: 2014 – 2015
Statik: ABI-Beton Andernacher Bimswerk GmbH & Co. KG, Andernach, www.abi-beton.de
TGA-Planer: HPI Himmen Ingenieurgesellschaft, Andernach, www.hpi-himmen.de Energiekonzept/Akustikplanung/Brandschutzkonzept: Galemann Bauphysik Ingenieur Consult, Koblenz, www.gbic-koblenz.de
Energieberater: Geo Consult Pohl, Bendorf, www.geoconsultpohl.de
GRZ: 0,25; GFZ: 2 Vollgeschosse Nutzfläche gesamt: 2 850,17 m²
Brutto-Grundfläche: 2 352,51 m²
Brutto-Rauminhalt: 10 933,98 m³
U-Wert Flachdach über OG = 0,18 W/(m²K)
U-Wert Fenster = 1,10 W/(m²K)
g-Wert Verglasung = 0,60
gtot-Wert Verglasung inkl. Sonnenschutz = 0,08
U-Wert Bodenplatte Keller und Treppenhaus = 0,32 W/(m²K)
U-Wert Boden nach unten gegen Tiefgarage = 0,25 W/(m²K)
U-Wert Thermowand EG und OG = 0,21 W/(m²K)
U-Wert Thermowand UG (gg. Erdreich) = 0,31 W/(m²K)
U-Wert Thermowand UG (gg. Tiefgarage) = 0,30 W/(m²K)
Luftwechselrate n50 = 4,0 h-1
Fenster: Schüco International KG, www.schüco.de
Dachbahn: WOLFIN Bautechnik GmbH, www.wolfin.de
Hohlboden: Lindner Group, www.lindner-group.com
Parkett: Bembé Parkett GmbH & Co. KG, www.bembe.de
Fliesen: AGROB BUCHTAL GmbH, www.agrob-buchtal.de
Die Fertigteilplatten sind werkseitig mit speziellen Edelstahlgitterträgern und/oder Perfect-Stäben (GFK) verbunden, die Kerndämmung ist vorinstalliert, genauso wie Installationsdosen, Leerrohre und Durchführungen. In der neuesten Generation werden sogenannte Pins aus Kunststoff eingebaut, die mit ihrer geringeren Wärmeleitfähigkeit einen noch besseren U-Wert bewirken.
Für die Planung steht ein spezieller Wärmebrückenatlas zur Verfügung. Mit ihm können die U-Werte von Thermoelementen als homogen beschichtete Bauteile berechnet und der Einfluss von Befestigungsmitteln und Fugen gesondert erfasst werden. Mit einem 42 cm dicken Wandaufbau mit 20 cm Kerndämmung ist der Aufbau passivhauszertifiziert (U < 0,15 W/m²K).
Thermowandelemente können in der Fassade oder im Erdbereich thermisch aktiviert werden. Zur Aktivierung werden Rohrregister aus Kunststoff mit einem Sole-/Wassergemisch eingelegt. Bei Rohrregistern in der Kelleraußenschale kann die Erdwärme als Heizenergie genutzt werden. In der Fassadenaußenschale nehmen die Rohrregister die Strahlungswärme der Sonne auf und funktionieren als Kollektoren. Durch die Kombination der Fassadenabsorber mit einem Pufferspeicher und einer Wärmepumpe lässt sich eine monovalente Heizung realisieren, die neben Heizenergie auch Warmwasser bereitstellt.